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Daniel Birnbaum

Dubai

Daniel Birnbaum (2007)

„Der Kapitalismus ist die Zelebrierung eines Kultes sans rêve et sans merci. Es gibt da keinen ‚Wochentag‘.“ Walter Benjamin, „Kapitalismus als Religion“, 1921

Die Zukunft der Kunst liegt im Geld. Und die Zukunft ist bereits angekommen: Unter der aufgeklärten Despotie seines Emirs und Vorstandsvorsitzenden, des Multi-Milliardärs Scheich Mohammed al-Maktoum, hat der Stadtstaat Dubai am Persischen Golf einen Quantensprung in eine neue Form von hyperkapitalistischem Gigantismus genommen, der unsere Wahrnehmung von Kunst und ihren Institutionen verändern wird. Wie der New Yorker berichtet, macht Scheich Mo, wie ihn seine Freunde nennen, aus seinen Bestrebungen keinen Hehl: „Ich will die Nummer eins in der Welt werden.“ Er baut das höchste Haus, das größte Einkaufscenter und das spektakulärste Luxushotel der Welt. Angesichts des Motivationsgrads, wie er in anderen Branchen der Unterhaltungsindustrie an den Tag tritt (der Mega-Themenpark „Dubailand“ mit seinen Repliken der Pyramiden, der hängenden Gärten Babylons und des Taj Mahal als das bislang ambitionierteste Unternehmen), ist es unwahrscheinlich, dass zukünftige Projekte im demjenigen Feld der Unterhaltung, das als bildende Kunst bekannt ist, bescheiden ausfallen werden. Bloomberg berichtete 2006, dass Dubai „de facto der Umschlagplatz für Kunst im Nahen Osten geworden ist, nachdem es von Christie’s als regionale Basis ausgewählt worden ist und nachdem dort die erste DIFG Gulf Art Fair ausgerichtet wurde.“ Der lokale Wettbewerb könnte härter nicht ausfallen. In Abu Dhabi baut Frank Gehry ein neues Guggenheim, und Jean Nouvel plant einen spektakulären neuen Louvre. Wie der Direktor des Guggenheim Thomas Krens in einem Interview kürzlich klar gemacht hat, gibt es außerdem Pläne für eine Art von mit Steroiden aufgeputschter Biennale, die in neunzehn neuen Pavillons in einem Park stattfinden soll: „Wenn man einen Ort entwickelt, der so viel größer als die Giardini in Venedig ist; wenn man die Örtlichkeiten nicht den Ländern entsprechend gestalten muss, sondern vielmehr nach einem internationalen Wettbewerb, in dem dreißig oder fünfzig Kuratoren aus aller Welt ein Konzept für die neunzehn Pavillons vorstellen – dann werden die Leute mit Sicherheit neugierig.“ Zweifellos, das werden sie. Wie wird Scheich Mo in Dubai darauf reagieren, um sicherzustellen, dass er die „Nummer eins“ bleibt?

Die Zukunft der Kunst liegt im Geld. In letzter Zeit konnten wir Zeuge davon werden, wie alle Funktionen in der Kunstwelt, die den Eindruck erwecken, etwas Entscheidendes könne außerhalb des Marktes passieren, marginalisiert worden sind. Der Kritiker ist durch den Kurator marginalisiert worden, der wiederum durch den Berater verdrängt worden ist, den Manager und – am wichtigsten – den Sammler. Es kann keinen Zweifel mehr geben: Die Biennale ist durch die Messe in den Schatten gestellt worden. Als Format künstlerischer Artikulation hat sie sich selbst verbraucht, genau wie es der Roman in den 1960ern getan hat; der megalomanische Entwurf in Abu Dhabi ist nur ein weiterer Beleg dafür. Die Vorstellung, dass Formen künstlerischen Ausdrucks sich selbst verbrauchen und in einem neuen Umfeld veralten können, ist nicht neu. Zum Beispiel hat der sehr junge Erwin Panofsky Mitte der zwanziger Jahre Ähnliches behauptet: „Wenn die Arbeit an bestimmten künstlerischen Problemen so weit fortgeschritten ist, daß – von den einmal angenommenen Voraussetzungen aus – ein Weitergehen in derselben Richtung unfruchtbar erscheint, pflegen […] große Rückschläge oder besser Umkehrungen einzutreten“. Solche Verschiebungen, so Panofsky, sind immer mit einer Übertragung der künstlerischen Führungsrolle auf ein neues Kunstgebiet oder eine neue Kunstgattung verbunden. Werden wir in der Ausstellungslandschaft eine derartige Verschiebung sehen? Was kommt nach der Biennale? Ich wiederhole: Die Zukunft der Kunst liegt im Geld, und Scheich Mo hat das verstanden. Die Zukunft des Ausstellungsmachens liegt im Kommerz. Dubai ist höchstwahrscheinlich der Ort, an dem dies passieren wird, unter der aufgeklärten Despotie seines Emirs. Geben Sie nur auf ihn Acht.

(Übersetzung: Robert Schlicht)