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Für transparente Verhältnisse Ein Roundtablegespräch über Sammler und Sammlungen Candice Breitz, Peggy Buth, Jonathan Monk und Andreas Siekmann, moderiert von Sven Beckstette

Jonathan Monk, "The distance between me and you", 2001/02, Filmstill; © Sammlung Haubrok Jonathan Monk, "The distance between me and you", 2001/02, Filmstill; © Sammlung Haubrok

Sven Beckstette: Das verstärkte Interesse von Sammlern und Sammlerinnen zeitgenössischer Kunst ist in dieser breiten und öffentlichkeitswirksamen Form eine relativ junge Entwicklung, die vielleicht 30 Jahre alt ist. Warum ist dieses Phänomen derzeit so stark zu beobachten und, damit verbunden, wie sieht die Beziehung zwischen Künstlern und Künstlerinnen und Sammlern und Sammlerinnen heute aus? Ich möchte diese Frage zuerst an Dich, Jonathan, richten, weil Du eine Arbeit speziell für den Berliner Sammler Axel Haubrok gemacht hast. Das Werk besteht aus zwölf Super-8-Filmen mit dem Titel "The distance between me and you" (2001/02). Wie würdest Du diese Distanz, respektive Nähe, zwischen Dir und dem Sammler beschreiben?

Jonathan Monk: Ich habe einige Arbeiten gemacht, die jemanden brauchen, der den Prozess ins Rollen oder zum Abschluss bringt. Das Werk konnte erst dann existieren, wenn es irgendwo ankommt. Im Fall dieser Arbeit musste es jemanden geben, der die Filmkopien entgegennimmt. Jede Rolle dokumentiert eine ungefähr dreiminütige Fahrt mit dem Fahrrad von meiner Wohnung zum Postamt, gefilmt mit einer Super-8-Kamera, die an der Lenkstange montiert war. Am Ziel habe ich den Film einfach in einen Umschlag gesteckt und zum Entwickeln an Kodak in Stuttgart geschickt. Kodak hat den entwickelten Film dann weitergeleitet, in diesem Fall an Axel Haubrok. Diese Art der Übermittlung erschwert die Vermarktung des Werks. Es ist nicht so einfach, etwas weiterzuverkaufen, das direkt an eine Person adressiert ist.

Beckstette: Das In-Beziehung-Treten läuft hier anfänglich nur in eine Richtung, indem Du diese Arbeit ja nicht nur an „irgendjemanden“ adressierst, sondern an einen Sammler. Wenn Du ein Gespräch mit ihm anvisierst, ist dies bezeichnend für eine Künstler-Sammler-Beziehung, da sie in besonderem Maße geprägt ist von Begehren und Abhängigkeit. Wie gehst Du mit der Asymmetrie dieser Beziehung um? Und wie wichtig ist es gerade bei diesen Arbeiten, dass der Sammler für die Korrespondenz bezahlt?

Monk: Mit einzelnen Sammlern und Sammlerinnen entsteht ein Dialog, der sich vertieft, wenn man sie besser kennenlernt. Man hat gemeinsame Anliegen, denn schließlich sind sie bereit, Zeit und Geld in ein Werk zu investieren, das ich für sie mache. Sammler bzw. Sammlerinnen unterscheiden sich natürlich sehr voneinander. Es gibt solche, die ich versuche zu meiden. Viele sehen Kunst als Accessoire oder Statussymbol. Damit kann ich nicht viel anfangen. Aber wenn man merkt, dass Sammler oder Sammlerinnen ähnliche Ideen und Interessen haben, kann eine enge wechselseitige Beziehung entstehen. Dann wird es möglich, Gedanken auszutauschen und Künstler oder Bücher vorzuschlagen, die sie vielleicht interessant finden, und umgekehrt.

Beckstette: Der Geldbetrag wie auch die vom Sammler investierte Zeit wäre in diesem Fall also eine Art Ausdruck von Wertschätzung. Nur: verfolgen Sammler/innen und Künstler/innen tatsächlich die gleichen Interessen? Überspielt man auf diese Weise nicht per se die konflikthafte Beziehung zwischen Sammlern/Sammlerinnen und Künstlern/Künstlerinnen?

Monk: Ich nehme an, das gemeinsame Interesse gilt der Kunst oder einer bestimmten Kunstpraxis. Manche meiner Werke sind das Produkt eines kollaborativen Prozesses, der mehr ist als ein Austausch von Waren oder Dienstleistungen. Aber ich glaube, das ist zu allgemein gefasst, denn schließlich ist jeder Sammler, jede Sammlerin anders. Jeder/Jede hat seine/ihre eigenen Gründe, warum er/sie gerade diese Art von Kunst sammeln will. Es kann sich für einen Künstler, eine Künstlerin durchaus lohnen, mit einem Sammler, einer Sammlerin befreundet zu sein … wenn in beiden Richtungen Einvernehmen und Entgegenkommen herrscht, besteht die Möglichkeit, ganz besondere Ideen zu entwickeln.

Peggy Buth: Ich bemerke häufig, dass bei der aktuellen Diskussion um Sammler/innen und Sammlungen die Wertfrage von Kunst immer sehr stark im Vordergrund steht. Damit meine ich nicht nur ökonomische, sondern auch kulturelle Wertsetzungen, die vielfach vermeintlich als parallel laufend oder übereinstimmend angesehen werden, sich aber auch verschieben können. Für mich ist es interessant, an diesem Punkt weiterzudenken und Begriffe, die mir in diesem Kontext als wichtig erscheinen, wie beispielsweise nützlich und unnütz, in die Diskussion mit einzubeziehen. Eigentlich „unnütze“ und vermeintlich voraussetzungslose Kunst soll sich über ihre ökonomische Nutzbarmachung legitimieren. Nützlich meint dabei, was nicht nur einen Wert besitzt, sondern zur Werterhöhung und auch Nutzbarmachung taugt oder wenigstens als Wertanlagemöglichkeit.

Beckstette: Aber haben Kategorien wie „nützlich“ oder „unnütz“ nicht auch eine wertschätzende Dimension?

Buth: Mir geht es um die Bindung der Kunst an Begriffe, wie den der Moral, oder auch um die Nutzbarmachung der Erkenntnisleistung von Kunst. Die Wichtigkeit einer Autonomie von Subjekten oder die Autonomie von Kunst wird dabei auf die Erfüllung ihres jeweiligen Zweckes bzw. auf ihr vermeintliches politisches Potenzial reduziert. Der Begriff der Autonomie wurde in den letzten Jahren wieder vermehrt als unpolitisch und tradiert abgewertet bzw. in diskursiver Form verworfen und dabei beschränkt im Rahmen einer modernistischen Kunsttheorie verortet. Dabei wird vernachlässigt, dass die ästhetische Erfahrung etwas Unabschließbares ist, wie die Unabschließbarkeit der Interpretation und der Bedeutungsproduktion selbst. Diese reflexive, individuelle Haltung birgt meiner Ansicht nach ein viel größeres politisches Potenzial als die organisierte Partizipation der Betrachter/innen oder die Organisation von Gemeinschaft im Rahmen eines künstlerischen Werkes.

Andreas Siekmann: Die Frage am Anfang war ja auch, warum das Sammeln im Fokus der Öffentlichkeit steht. Dabei geht es um einen Unterschied, und zwar zwischen Leuten, die privat sammeln, und Sammlern/Sammlerinnen, die ihre Sammlung als ein politisches Instrument ein setzen, eine Art Hegemonie anstreben, z. B. wie es sie Saatchi Gruppe seit der Thatcher-Blair-Ära getan hat. Ich glaube, dass sich in Deutschland nach 1989 das Sammlerverhalten mehr in diese staats- oder politiknahe Richtung hin verändert hat. Vielleicht haben Sammler/innen auch von den Kommunikationsagenturen gelernt, die seit 20 Jahren von der Politik engagiert werden, um den sogenannten gesellschaftlichen Umbau oder die sogenannte Krise zu erklären, die mehr als eine Finanz- und Schuldenkrise ist. Es gibt also womöglich strukturell dieselben Arten von Sinnerzeugung und von Sinnkrise in der Sammlung wie in der Politik. Beides entsteht aus der Not, Gesellschaft als ein demokratisches Gemeinwesen kaum noch legitim repräsentieren zu können. Die verstärkte Aufmerksamkeit gegenüber Sammlungen (auch ihre sehr schnelle Form von Selbstmusealisierung) hat meines Erachtens mit dieser Repräsentationskrise zu tun.

Buth: Ich würde nicht sagen, dass sich die Repräsentation in einer Krise befindet, sondern eher, dass sie sich verändert. Da Repräsentation im Allgemeinen auf ein wie immer geartetes "Bild" angewiesen ist, möchte ich hier den Begriff der Unschärfe anführen und zwar in Bezug auf das Künstlerbild. Als "erwünschten Fehler", als Unruhefaktor oder Unbestimmtheit nehmen Künstler/innen Unschärfe dezidiert für sich in Anspruch, während dieses bei Akteuren aus dem Umfeld der politischen Theorie, der Soziologie oder der Kulturwissenschaft eher als unscharfes Interesse, Ungenauigkeit und vermeintlicher Mangel Unbehagen erzeugt. Eine Operation der Scharfstellung wäre etwa die Demystifikation der Künstler/innen, indem man sie als Rollenmodel für selbstständige Unternehmer oder als besonders risikobereite marktfähige Individuen darstellt. Doch dies sehe ich als Einstieg für die Arbeit am nächsten Künstlermythos, wie beispielsweise die Vorstellung des Künstlers als kuratorisch handelnder Kulturarbeiter. Ich sehe diese Entwicklung auch im Zusammenhang einer zunehmenden Einhegung und Funktionalisierung von Kunst besonders auf hochschulpolitischer Ebene, wenn es etwa um die Themen Artistic Research und Curatorial Studies geht, aber auch bei anderen Formen der Rationalisierung des Zugriffs auf das Künstlersubjekt und der Reduzierung von Kunst auf ihren Warencharakter. Das sind Zusammenhänge, die sicherlich sehr komplex sind, aber ich würde nicht gleich von einer allgemeinen Krise der Repräsentation reden, sondern von einer „normalen“ Entwicklung innerhalb der globalisierten, kapitalistischen Gesellschaft, in der es um permanente Wertproduktion geht.

Beckstette: Wenn Du von einer globalisierten, kapitalistischen Gesellschaft sprichst, heißt das ja auch, dass der Kunstmarkt in den letzten Jahren einem Globalisierungsschub unterlag. Was bedeutet denn nun Repräsentation in diesem Zusammenhang, wenn mit zeitgenössischer Kunst westlicher Prägung inzwischen auf anderen Marktplattformen mit ebenfalls anderen Sammlerstrukturen gehandelt wird?

Siekmann: Ich glaube, im Zuge der sogenannten Globalisierung wird Kunst bzw. das Sammeln von Kunst genutzt, um die Gewinnerschicht der neuen Akkumulation mit zu legitimieren, sozusagen als ein Faktor im aktuellen Klassenkampf von oben. Kunst und auch Kunstsammeln hatte ja im Zeitalter des Kalten Krieges das Pathos (und den Sinn) eines zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Engagements und war Teil eines gesamten kulturellen und staatlichen Gefüges. Jetzt aber wird die Finanzkrise genutzt, um kulturelle Apparate, die mit in diesem Ethos entstanden waren, umzubauen bzw. abzuschaffen, z.B. die Schließung von Kunstschulen und Museen in den Niederlanden, die aktuelle kulturelle Kahlschlagpolitik in England, Italien und Griechenland, um nur einige Länder aufzuzählen, in denen der gesamte öffentliche Sektor radikal auf den Prüfstand gestellt wird. Es ist sehr schwer, in diesem Kontext die aktuellen Sammlerpositionen in Ländern wie China, Indien oder den arabischen Powerregionen einzuschätzen. Es kann eine Adaption dieses Klassenkampfes einer transnationalen Hyperbourgeoisie sein – also ein Klassenkampf von oben – mit dem üblichen Kanon von internationalem Stil; andererseits gibt es in diesen Ländern jenseits des Trends tradierte und gewachsene autonome Sammlerstrukturen und -interessen, über die wir sehr wenig wissen.

Monk: Die Kunstwelt ist vielleicht die einzige Welt – wenn man sie überhaupt eine Welt nennen kann –, in die man sich einfach hineinkaufen kann. Jetzt sogar auf globaler Ebene. Das ist vorhersehbar und völlig normal. Kunst war noch nie so "in" wie heute, sie ist ein modischer Luxusartikel geworden. Je jünger ein Künstler, eine Künstlerin – desto cooler das Risiko einer Investition. Das wirkt clever und originell. Man sieht das häufig … vielleicht nicht unbedingt in China oder Indien, aber sicher in Russland und Osteuropa. Kunstmessen – Basel wäre ein gutes Beispiel, weil denen auch Miami und Hongkong gehört, aber für zeitgenössische Kunst natürlich auch Frieze – haben totale Kontrolle darüber, was Sammler/innen kaufen. Die suchen sich aus, welche Galerien mitmachen dürfen, denn sie wissen, es kommt eine gewisse Kundschaft, um gewisse Kunstwerke zu kaufen. Im Endeffekt entscheiden die Messen, welche Künstler/innen überleben und welche nicht. Sie kontrollieren den Kunstmarkt, der sich immer mehr mit der ganzen Kunstwelt deckt.

Candice Breitz: Ich weiß nicht, ob es fair ist, die Tendenz, die Du da beschreibst, an Regionen festzumachen, die gerade erst begonnen haben, ihre eigene Sammlerszene zu kultivieren. Ich habe viele amerikanische oder europäische Sammler/innen getroffen, die sich durch ihre Aktivitäten einen Lebensstil erkaufen. Wir reden hier, denke ich, über einen bestimmten Sammlertyp, der genauso gut aus Peking wie aus Miami stammen könnte. Dabei handelt es sich meistens um Leute, die relativ neu sind im Sammlergeschäft, vielleicht, weil ihnen erst seit Kurzem die nötigen Mittel dafür zur Verfügung stehen. Oft sind es Sammler/innen der ersten Generation: Ihr Kunst-interesse drückt ihren sozialen und finanziellen Aufstieg aus. Der Unterschied zwischen sogenanntem altem Geld (das wohl diskreter vorgeht, dabei aber eigene, komplexere Absichten verfolgt) und neuem Geld (das uns in Ländern wie Indien oder China, aber natürlich nicht nur dort begegnet) ist wichtig, um zu verstehen, welche Werte ein Sammler, eine Sammlerin sucht, sei es Anlagegewinn oder sozialer Status. Die Vorgehensweise, mit der dieses neue Geld am Kunstmarkt auftritt, entspricht seiner Haltung gegenüber Märkten generell. Die Logik des Spekulationskapitalismus lässt sich nahtlos übertragen. Einen jungen, aufstrebenden Künstler zu "entdecken" oder zu "kaufen", bringt Nervenkitzel, doch da die Preise noch relativ niedrig sind, hält sich das finanzielle Risiko in Grenzen. Um auf das zurückzukommen, was Jonathan angeschnitten hat: Der Kontakt mit Kunst und Künstlern/Künstlerinnen gibt diesem Sammlertyp nicht bloß die Gelegenheit, seine sozialen Privilegien und seine ökonomische Überlegenheit auszuspielen, sondern auch die Chance, neue, unvorhersehbare Erlebnisse zu konsumieren, spontane Momente, die eine Ausflucht aus den Zwängen des Alltags bieten. Die Gewissheit, zu den "richtigen" Partys eingeladen zu werden, an den "richtigen" Kunstmessen teilzunehmen oder die "richtigen" Künstler/innen zu kennen, versüßt und motiviert womöglich sogar das kontinuierliche Anhäufen von Kunst. Dasselbe gilt für die Konkurrenz unter Sammlern/Sammlerinnen, die sich zuweilen unter ihnen entwickeln kann. Man sammelt nicht im Stillen – man will gesehen werden. Es gibt für diese Sammler/innen ein ganzes Eventsystem, einen vollen Veranstaltungskalender, den so mancher Künstler, so manche Künstlerin als Teil seiner/ihrer Tätigkeit ansieht, während andere diese so weit wie möglich zu vermeiden suchen.

Beckstette: In welche Lage werden Künstler/innen durch diese neue Dynamik gebracht, vor allem wenn sie finanziell gar nicht an diesem Lifestyle- und Eventsystem partizipieren können oder wollen? Kann man sich dem sozialen Druck entziehen?

Breitz: Ich glaube nicht, dass die Zeit, die man mit Sammlern/Sammlerinnen verbringt (oder nicht verbringt), letztendlich für den Erfolg oder Misserfolg auf dem Kunstmarkt ausschlaggebend ist, zumindest nicht auf lange Sicht. Künstler/innen, die sich eher zurückziehen und den ganzen Zirkus ignorieren, können für Sammler/innen genauso interessant sein wie solche, die überall mitmachen und keinen Termin auslassen. Viele Künstler/innen wählen einen Mittelweg ausgewählter Teilnahme, der ihren Neigungen und Bedürfnissen entspricht. Ich halte es für gefährlich, wenn jemand glaubt, dass man sich in einer bestimmten Szene profilieren muss, um künstlerisch erfolgreich zu sein.

Beckstette: Jonathan hat zu Beginn davon gesprochen, dass einige seiner Arbeiten persönlich für bestimmte Sammler/innen angefertigt wurden, um sie damit dem Kreislauf des Weiterverkaufens zu entziehen. Können in einem global agierenden Kunstmarkt Künstler/innen überhaupt noch bestimmen, an welche Sammler/innen oder Sammlungen sie in welchen Ländern ihre Arbeiten verkaufen und was mit den Werken geschieht, wenn sie nicht mehr in ihrem Besitz sind?

Breitz: Ich denke, als Künstler/in hat man das Recht zu entscheiden, in wessen Hände eine Arbeit gelangt oder auch nicht gelangt. Es überrascht mich, dass es manchen Künstlern/Künstlerinnen egal ist, an welche Personen oder Institutionen ihre Werke verkauft werden. Die meisten Galerien sind nicht besonders wählerisch und nehmen das Geld des erstbesten Kunden, der erstbesten Kundin, ohne sich darum zu kümmern, ob das Geschäft im besten Interesse des Kunstwerks – und folglich auch der Künstler/innen – verläuft. Zwischen mir und den Galerien, mit denen ich arbeitete, war das schon immer ein großes Thema. Mit jenen, die respektieren, dass es mir nicht egal ist, wo meine Werke enden, hatte ich am Ende stets die produktivsten Beziehungen. Ich fühle mich nicht verpflichtet, meine Arbeiten an jeden Sammler, jede Sammlerin zu verkaufen, der/die sie haben will. Es war mir immer wichtig, ein Mitspracherecht in dieser Sache zu behalten, und da kann es schon vorkommen, dass ein Geschäft nicht zustande kommt. Eine seriöse Galerie wird das nicht gerade erfreulich finden, aber trotzdem respektieren. Es gibt verschiedene Gründe, warum ich mich von gewissen Sammlungen distanziere. Sammler/innen, die offen spekulieren, suche ich beispielsweise möglichst zu meiden.

Siekmann: Es kursieren zwar immer wieder Geschichten über Vereinnahmung, etwa die Rede von einem Künstler, der politische Kunst macht und sie dann an die Deutsche Bank Collection verkauft. In Wahrheit finden solche Vereinnahmungen jedoch kaum statt – im Gegenteil: Je konkreter die politischen Inhalte der Arbeit sind, desto weniger werden sie vereinnahmt. Ich weiß nicht, ob das im Zeitalter der Blockmächte und ihrer Toleranzbeweise anders war, ob die Arbeiten von Hans Haacke beispielsweise als ein solcher Beweis für Progressivität und Toleranz gekauft wurden.

Buth: Ich möchte noch einmal kurz darauf reagieren, was Du, Candice, angesprochen hast. Ich glaube, dass es eine Luxussituation für Künstler/innen ist, wenn sie sich auf Augenhöhe mit ihren Galerist/innen befinden, die in der tatsächlichen Realität nur sehr selten anzutreffen ist. Es sei denn, man hat die Galerie zusammen gegründet oder eine andere intensive lange Verbindung miteinander, so dass man der Galerie vorschreiben kann, wohin die Arbeit gehen soll. Das kann ich natürlich tun, weil es meine Arbeit ist. Die Frage ist, ob ich es mir auch leisten kann. Für mich ist es auch eine Form der Wertschöpfung zu sagen, prinzipiell schaue ich immer darauf, wohin meine Arbeiten gehen. Das ist für mich in gewisser Weise eine scheinheilige Ansage. Denn der große Teil der Künstler/innen, die ihre Arbeiten verkaufen oder in Galerien geben, sind darauf angewiesen, dass Verkäufe zustande kommen. Nur zehn Prozent der Künstler/innen – und das ist schon sehr hoch gegriffen – können schließlich vom Verkauf ihrer Kunst leben. Inwiefern spricht man eigentlich über die ökonomischen Verhältnisse der Künstler/innen? Wie finanzieren sie sich überhaupt? Eine Analyse dieser Aspekte gehört unbedingt in die Thematik des Verhältnisses von Künstlern/Künstlerinnen und Sammlern/Sammlerinnen mit hinein. Inwiefern fühlen sich staatliche, öffentliche Institutionen dazu verpflichtet, und inwiefern sind sie überhaupt in der Lage, etwa Künstler-/innenhonorare zu zahlen? Aus welchen Verhältnissen heraus arbeiten Künstler/innen heutzutage eigentlich, und welche Abhängigkeiten bestehen?

Breitz: Du scheinst anzudeuten, dass Künstler/innen – angesichts des Rückgangs der öffentlichen Kulturförderung – hauptsächlich durch den Galerieverkauf überleben könnten und dass alle Kompromisse, die im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung hingenommen werden müssen, unvermeidlich wären. Das Argument, dass Künstler/innen gezwungen sind, alle Bedingungen der Galerien zu akzeptieren, um ihren Lebensunterhalt nicht zu gefährden, finde ich melodramatisch. Künstler/innen sind nicht so zarte Geschöpfe, dass sie nur mithilfe des Kunstmarkts überleben können. Die Künstler-Galerie-Beziehung, so wie du sie porträtierst, erinnert mich an eine traditionelle Ehe, in der die Gattin alles macht, was der Gatte sagt, aus Angst, ihr Taschengeld zu verlieren. Ich nehme einfach nicht hin, dass ich in einer Beziehung mit der Galerie die unterwürfige Gattin spielen muss. Zudem darf man nicht übersehen, dass die staatliche oder institutionelle Unterstützung der Künste, auch in ihrer heutigen kränkelnden Form, eine Ausnahme darstellt. Außerhalb der wenigen wohlhabenden Nationen, die aktiv ihre Künstler/innen fördern, haben die meisten Künstler/innen niemals irgendeine öffentliche Unterstützung genossen. Ich hatte als südafrikanische Künstlerin nie die Erwartung, dass mir der Staat unter die Arme greifen wird. Das Konzept eines Honorars oder eines Stipendiums im Bereich der Kunst begegnete mir erstmals, als ich in Europa auszustellen begann. Ebenso wenig spielte ich mit dem Gedanken, dass ich einmal vom Verkauf meiner Arbeiten leben könnte. Wie in den meisten Ländern – abgesehen von jenen, die ein festes Galeriesystem aufweisen können – gab es quasi keinen Kunstmarkt in Johannesburg, als ich mich dazu entschloss, hier an die Kunstakademie zu gehen. Ich sah meine künstlerische Praxis nie als „Karriere“ und war überrascht, als sie zu einer wurde. Wenn du von Anfang an daran zweifelst, dass du je vom Verkauf deiner Arbeit leben wirst – was leider zur Realität für die meisten Künstler/innen wird –, dann bietet sich vielleicht ein eventueller Galeriekontakt als eine Möglichkeit an, mit Kunst deinen Lebensunterhalt zu verdienen (wenn du das Glück hast, zu den wenigen Auserwählten zu zählen). Aber das ist sicher nicht die einzige Möglichkeit, als Künstler/in zu überleben, und man sollte sich nicht gänzlich auf sie verlassen. Daher würde ich – egal wie gut oder schlecht sich meine Werke verkaufen – ohne Bedenken Einspruch erheben, wenn es mir nicht passt, wie eine Galerie mit meinen Arbeiten umgeht. Man kann heute eben zugleich Gattin sein und einen Beruf ausüben.

Buth: Da bin ich anderer Meinung – ich finde es keineswegs melodramatisch, den Anspruch als Künstlerin zu formulieren, sich über seine professionelle Tätigkeit zu finanzieren, wozu für mich durchaus auch der Unterricht oder der Workshop an einer Kunstschule gehören kann, und eben nicht über außerkünstlerische Jobs. Auch habe ich die Abhängigkeit von den Galerien als eine Problematik angeführt, um auf die Notwendigkeit einer Honorierung künstlerischer Arbeit auch von institutioneller Seite hinzuweisen. Ich halte es für dringend notwendig, solche Abhängigkeiten zu benennen, sie transparent zu machen und für mögliche Veränderungen einzutreten. Innerhalb dieser Auseinandersetzung geht es immer um den jeweiligen Sprecherstatus, der durchaus gebunden ist an die eigene Herkunft und nicht zuletzt von den Verortungs- und Verteilungskämpfen berichtet, die nicht nur im Kunstfeld stattfinden.

Siekmann: Man muss sich generell fragen, inwieweit man diese Form der Professionalisierung unterschreibt. Ich denke oft, dass viele Künstler/innen sich durch diese Professionalität eine Souveränität zu wahren versuchen, so als ob sie ihre eigenen Auftraggeber wären, während sie von einem internationalen Ausstellungsbetrieb komplett überfordert sind, der verlangt, überall gleichzeitig präsent zu sein und sein Piece zu machen. So entsteht Professionalisierung oft aus der Angst heraus, aus dem System zu fallen, wenn man Nein sagt, nur zwei Arbeiten im Jahr macht und selbst über seine Zeit bestimmt. Stattdessen arbeiten Künstler/innen oft wie eine mittelständische Industrie, was ein vollkommener Widerspruch zur postindustriellen Gesellschaft ist und wo ich mich frage, ob sich in diesem angstvollen Unternehmer-Simulacrum nicht eine neue Generation von Künstlern/Künstlerinnen herausbildet, die den emanzipatorischen Gehalt von Kunst nur noch aus der Erinnerung reproduziert, weil sie mit dieser Reproduktion eben nur Ausstellungen beliefert, aber kein eigenes Erlebnis, keine eigene Erfahrung und erst recht nicht ein kollektives Erlebnis mehr verbindet.

Beckstette: Wobei für diesen emanzipatorischen Gehalt natürlich auch erst wieder die entsprechenden Freiräume geschaffen werden müssen. Wie könnten die aussehen?

Siekmann: Es geht nicht darum, Freiräume von irgendeiner Instanz zu fordern oder sie sozialtechnisch zu planen, sondern diese Freiräume entstehen oft ganz automatisch, und zwar meistens in Situationen, in denen man sich gemeinsam für etwas engagiert. Das können z.B. Konfliktsituationen sein, Absagen oder Proteste oder Angriffe gegen ein System, das den Einzelnen zugleich verfügbar hält und ausschließt. Diese Proteste finden ja jetzt gerade rund um Deutschland statt, ohne dass der kulturelle Bereich sich darin reflektiert. Also ein Freiraum könnte so eine Solidarität z.B. sein.

Buth: Ich halte es aus diesem Grund für eine gute Form, sich in Künstlergruppen zusammenzuschließen oder andere Orte von Öffentlichkeiten, z.B. Produzentengalerien, zu suchen. Darüber lässt sich dann Kontakt zu Kuratoren/Kuratorinnen und zum natürlich nicht nur bösen Markt herstellen. Es gibt viele Kuratoren/Kuratorinnen und auch Sammler/innen, die nicht an Kommerz und Hypes interessiert sind und nicht vergessen haben, dass Künstler/innen in solchen Zusammenhängen ihre Werke in Einzelausstellungen zeigen, an denen sie jahrelang gearbeitet haben. Das wird erst wieder relevant, wenn sie Künstler/innen innerhalb eines Museums zeigen. Es findet ein gegenseitiges Ausspielen der einzelnen Positionen und Akteure statt, und ich finde, dass man behutsam damit umgehen muss.

Beckstette: Peggy sprach davon, eine eigene Form von Öffentlichkeit gegenüber Strukturen zu schaffen, die allein auf Wertsteigerung ausgerichtet sind. Welche Rolle spielt Öffentlichkeit im Sinne von Sichtbarkeit oder Sichtbarmachung im Zusammenhang mit privaten Sammlungen, bei denen es sich ja zunächst um eine rein persönliche Angelegenheit handelt, der unterschiedliche Interessen oder Motivationen zugrunde liegen können und die sich nicht unbedingt auf offener Bühne abspielen muss? Welche Folgen hat dies für die Visibilität des Kunstwerks?

Monk: Nicht alle Sammler/innen sind daran interessiert, ihre Sammlung publik zu machen. Es genügt ihnen, mit Kunstwerken zu leben oder sie im Lager zu haben. Dieser Typus hat eine höchst persönliche, vielleicht sogar innige oder leidenschaftliche Beziehung zu seiner Sammlung. Er oder sie lebt mit ihr und ist täglich von ihr umgeben. Die Objekte sind aus diesem Grund zumeist nie öffentlich zugänglich, sie bleiben irgendwie verborgen. Da viele dieser Sammler/innen weitgehend unbekannt sind, lässt sich nur schwer herausfinden, wo ein angekauftes Werk hingelangt. Andererseits gibt es Sammler/innen, die mit ihren Sammlungen an die Öffentlichkeit gehen und sogar eigene Museen bauen. Das erhöht den Wert ihres Kunstbesitzes. Jedes Mal, wenn Sammelstücke in einer Ausstellung präsentiert oder in einem Buch oder Zeitungsartikel erwähnt werden, steigt ihr Bekanntheitsgrad, und es entsteht der Eindruck, dass es wichtig ist, Kunst dieser Art zu besitzen. Man könnte nun sagen, dass solche Sammler/innen bloß daran interessiert sind, durch ihre Aktivitäten in die Schlagzeilen zu gelangen oder den Wert ihrer Sammlung zu steigern. Dabei sollte indessen nicht übersehen werden, dass sie ihre Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machen, häufig durch Kunstvermittlung mit Führungen usw., wobei die Persönlichkeit des Sammlers als verbindendes Element auftritt.

Breitz: Heutzutage sind die Ankaufetats der Museen im Vergleich zu den Summen, die Privatsammler/innen für zeitgenössische Kunst ausgeben, verschwindend gering. Museen sind so immer weniger konkurrenzfähig. Es gibt verschiedene Methoden, zurückhaltende Privatsammler/innen dazu zu bewegen, mit ihrer Sammlung an die Öffentlichkeit zu treten, etwa durch langfristige Leihgaben an Museen oder sogar Bedingungen im Kaufvertrag, die die Präsentation des Werks in öffentlichen Institutionen vorschreiben. Manche Sammler/innen akzeptieren den zeitgebundenen Besitz eines Kunstwerks, das nach ein paar Jahrzehnten in der Privatsammlung in den Besitz einer Institution übergeht.

Buth: Mir erscheint es wichtig, Prozesse der Sammlungstätigkeit in Bezug zu den angeeigneten Objekten zu interpretieren und darzustellen. Auch in Hinblick auf die Kunstgeschichte ist es wichtig, in Erfahrung zu bringen, warum gewisse Artefakte gesammelt wurden und werden. Ich glaube, dass man das in einer öffentlichen oder privaten Institution durchaus machen kann. Diese Form der selbstreflexiven Recherche gehört unbedingt zur Aufgabe eines Museums oder einer Sammlung dazu, um Prozesse der Subjektwerdung deutlich zu machen und offen zu legen.

(Übersetzung: Bernhard Geyer)