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Isabelle Graw

Der Text, das Poster und die Klimaanlage. Über „The Air-Conditioning Show“, 1966-1972, von Art & Language

Im Katalog „Voids“, einer grundsätzlich sehr zu empfehlenden Publikation zur Geschichte der leeren Räume in der Kunst (2009), findet sich eine markante Beschreibung der „Air-Conditioning Show“ (1966-72) von „Art & Language“, die aufgrund meines derzeitigen Interesses an künstlerischen Verfahren der Entleerung bei mir auf große Begeisterung gestoßen ist. Nicht von ungefähr führte „Art & Language“ die Bedeutung von Sprache schon im Namen. Diese Ausstellung ist textförmig, trat sie doch zum ersten Mal als ein 1967 im „Arts Magazine“ publizierter Artikel in Erscheinung, um einen zweiten Auftritt als Poster zu erleben. Zunächst wird dort auf ironisch-überzogene Weise die „erste Präsentation dieser wichtigen frühen Ausstellung in Amerika“ für Februar 1972 angekündigt, was die in Presstexten generell bestehende Neigung zum Attestieren von historischer Bedeutung aufgreift. Der Witz ist nur der, dass diese „important early exhibition“ niemals stattgefunden hat. Sie sollte jedoch in New York in der von „guest director Joseph Kosuth“ geleiteten Visual Arts Gallery gezeigt werden. Kosuth kam damals – noch vor dem legendären Zerwürfnis – die Rolle des US-amerikanischen Kooperationspartners und Propagandaministers von „Art & Language“ zu. Seine Titulierung als „Gastdirektor“ kommt jedoch aus heutiger Sicht einer Vorahnung seiner Rolle als nur vorübergehendes und alsbald heftig angegriffenes ehemaliges Mitglied gleich. In mimetischer Anlehnung an die offizielle Rhetorik des Galeriebetriebs, stellt dieser Ankündigungstext zudem noch eine „preview“ in Aussicht, samt detaillierter Angaben sämtlicher Öffnungs- und Schließzeiten.

Es ist die Realität eines Ausstellungsraumes, genauer, die mit dem Betreiben eines Ausstellungsraumes üblicher Weise verbundenen Marketing- und Eröffnungskonventionen, die auf diese Weise in den Vordergrund rücken. Die Gattung „preview“ z.B. hat sich seither vollständig naturalisiert – kaum jemand würde sie in Frage stellen. Art & Language weisen auf die Absurdität eines exklusiven Vorbesichtigungstermins hin, zumal unter der Bedingung einer im herkömmlichen Sinne nichts zu bieten habenden Ausstellung. Doch selbst wenn diese nur textförmig und in Form eines gefakten Installationsfotos existiert, sind ihre Parameter doch streng festgelegt. Der Raum soll leer und möglichst unauffällig und unspektakulär gehalten sein und in keinerlei visuelle Konkurrenz zur Klimaanlage treten, die gleichsam als Ausstellungsstück zu fungieren hat. „Non juicy“ lautet die Umschreibung von Art & Language für diese Atmosphäre einer spröden Kargheit. Um deutlich zumachen, dass es ihnen keineswegs um die spezifischen Eigenschaften einer Klimaanlage geht, legen sie auch Wert auf die Feststellung, dass diese so „normal“ wie möglich eingestellt werden muss, sodass man ihre Existenz gar nicht erst zur Kenntnis nimmt. Die Temperatur des Raumes soll folglich weder zu warm, noch zu kalt sein. Ein Maximum an Unspektakularität wurde demnach angestrebt und noch mit der eingebauten Klimaanlage verband sich die Hoffnung, dass man sie tunlichst ignorieren würde. Zwar räumten Art & Langauge in einer eigens zu dieser Arbeit von 1972 im Jahre 2008 einberaumten „Konferenz“ (!) ein, dass Klimaanlagen in den 1960ern weniger selbstverständlich als heute gewesen seien und eine Aura des Technischen verströmt hätten. Auch waren sie sich durchaus im Klaren darüber, dass selbst Klimaanlagen ornamentalen Charakter annehmen können, da sie als „kontextuelle Dekoration“ fungieren, doch bestand das Hauptanliegen ihrer Arbeit darin, den Text und die Diskussion um die Frage, ob ein Text überhaupt eine künstlerisches Werk sein könne, zur eigentlichen Arbeit zu erklären. Nicht, dass sich Texte nicht fetischisieren und vermarkten lassen würden. Aber es besteht doch ein Unterschied zwischen den Wertansprüchen eines Textes und den Wertansprüchen, die mit Objekten oder Bildern erhoben werden. Dass selbst Luft ein Volumen hat und mithin Objektcharakter annehmen kann, wird von „Art&Language“ ebenfalls eingeräumt. Weisen sie doch darauf hin, dass die von der Klimaanlage produzierte Luft als ein Objekt aufzufassen sei, über dessen Volumen aber die räumlichen Bedingungen entscheiden. Denn die Ausdehnung der Luft hängt von der Größe des Raumes, der Höhe seiner Decken etc. ab, was die Klimaanlage zu einer radikal kontextabhängigen Arbeit macht. Entscheidend ist aus heutiger Sicht, dass „Art & Language“ keineswegs auf die vielbeschworene „Dematerialisierung“ oder auf ein Ende der Objektproduktion zielten.

Ganz im Gegenteil räumten sie noch der Luft die Vermarktbarkeit und Fetischisierbarkeit eines Objekts ein. Man kann es gar nicht oft genug betonen – diese „non exhibition“ nutzt das Format „Ausstellung“, statt sich von ihm zu verabschieden. Insofern ist „non exhibition“ auch der falsche Begriff, wie „Art & Language“ selber einräumen. Allein dadurch, dass keine Kunst im herkömmlichen Sinne gezeigt wird, steht die Möglichkeit im (leeren) Raum, dass die Arbeit des Künstlers woanders stattfinden könnte. Etwa in jenen Diskussionen, die „Art & Language“ stets groß geschrieben und zelebriert haben. Dies jedoch ohne den heute so verbreiteten wie naiven Glauben daran, dass die Diskussion schon ein Wert an sich sei. Ganz im Gegenteil hatten sie stets ein Bewusstsein davon, dass der Wert ihrer Arbeit gerade darin besteht, dass sie mit Kontroversen und Auseinandersetzungen angereichert zu sein schien. So sehr sich der Kunstmarkt nach einer solchen – gleichsam mit Lebensenergie aufgeladenen – Arbeit auch zu sehnen schien, haben es Art & Language doch auch immer vermocht, der Öffentlichkeit große Teile ihrer Auseinandersetzungen vorzuenthalten. Man erfährt nichts darüber, worum es in diesen Diskussionen ging – sieht man sich doch eher mit einer Art philosophischen Traktakt konfrontiert, dass Behauptungen – oft recht unvermittelt – aneinander reiht. Die eigentliche Stärke speziell dieses Textes, der einmal mehr an die Stelle der Ausstellung tritt, ist aus heutiger Sicht jedoch vor allem darin zu sehen, dass er jedes Bemühen um eine beflissen-angestrengte Erklärung meidet, das zahlreiche Pressetexten auszeichnet.

Der Schlusssatz ist in dieser Hinsicht besonders prägnant – was man in diesen Ausführungen bekäme wäre eine Einkaufsliste für weitere Puzzle, keine Erklärung: „What you get is a grocery list of further puzzles, not an explanation.“ Mit Einkaufsliste ist hier gemeint, dass sich in diesem Text tatsächlich die idealen Bedingungen aufgelistet finden, die für die Realisierung dieses Projekts erforderlich wären. Sein die Ausstellung geradezu heraufbeschwörender Zug trägt außerdem dazu bei, dass die Ausstellung vor dem eigenen Auge zu entstehen scheint. Als Ergänzung zu diesem Text findet sich in „Voids“ ein Installationsfoto, das diese Ausstellung dokumentieren könnte, wenn es nicht ausdrücklich als ein „Modell“ bezeichnet würde. Ein Fake-Installationsphoto also, das eine unauffällig in einem Treppenabsatz versteckte Klimaanlage sowie einen Raumausschnitt zeigt, was, da man den Eindruck gewinnt er wäre aus Pappe gebastelt, auf eigentümliche Weise an die Ästhetik der Bilder von Thomas Demand erinnert.

Inwieweit unterscheidet sich jedoch der leere Raum von Art & Langauge von den klassischen Versuchen der Entleerung, wie etwa „Le Vide“ von Yves Klein? Klein suchte mit „Le Vide“ den leeren Raum mythisch aufzuladen, um eine „Immaterialität“ für ihn zu behaupten, die letztlich eine perfekte Entsprechung zum ebenfalls nicht-greifbaren und mythischen Symbolwert der Kunst darstellt. Der Raum blieb leer, war aber zuvor deutlich sichtbar angestrichen worden, was ihm den Charakter eines Bildcontainers verlieh. Art & Language gehen übrigens in ihrem Konferenz-Text von 2008 so weit, noch das Bemalen der Galeriewände mit grauer Farbe als „Produktion eines expressionistischen Objekts“ abzutun. Dies zielte wohl auf Michael Ashers Arbeiten, so wie sie sich auch von einem Verständnis von Institutionskritik distanzierten, das unter Institutionskritik das Aufreißen des Bodens (Haacke?) oder das Abhängen von Türen (Williams?) versteht. Tatsächlich war die Institution Galerie für die „air condition show“ gänzlich unangetastet geblieben. Der Schwerpunkt hat sich auf den Text verlagert, wie um ein anderes Verständnis von Institutionskritik stark zu machen, worunter die Produktion eines Diskussionszusammenhangs verstanden wird. Dass eine solche Vorgehensweise auch schnell zu einer neuen Konvention werden kann, räumen sie ebenfalls ein. Auch wenn es heute nichts Bahnbrechendes mehr an sich hat, einen anderen Produktionsbegriff vorzulegen, der nun auch reproduktive Tätigkeiten umfasst (miteinander reden, streiten etc.) ist doch die Stärke von Art & Language darin zu sehen, dass sie einerseits die Fallstricke der eigenen Praxis benennen und sich andererseits zu dem verhalten, was um sie herum geschieht (Institutionskritik, non exhibition, Dematerialisierung). Auch haben sie die Gelegenheit dieses Textes beim Schopfe ergriffen, um eine eindeutige politische Positionierung vorzunehmen, in dem sie sich zur Tradition des historischen Materialismus bekennen. Jeder Text scheint aber auch der Frage nachzugehen, wie weit man als Künstler/in mit einem Text eigentlich gehen kann, ohne die Gattung „Ausstellung“ deshalb aufgeben zu müssen. Wenn es jemandem gelingt, den Kuchen zugleich zu essen und zu behalten – und dies auf künstlerisch anspruchsvolle und politisch herausfordernde Weise – dann ist es für mich „Art & Language“.