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Cooler alter Knochen

Imi Knoebel, "Potsdamer Strasse 50", 2009, Neue Nationalgalerie Berlin, 2009, Foto: Ivo Faber

Zugegeben, die Ankündigung einer Imi Knoebel Schau in der Neuen Nationalgalerie gehörte nicht gerade zu denen, die ein gesteigertes Interesse, eine größere Neugier erwecken konnte. Viel zu sehr stand in den letzten Jahren Knoebel für das ein, was man gemeinhin einen „guten“, ja fast mehr noch, einen „wichtigen“ Künstler nennen würde. Womit es dann beinahe schon wieder sein Bewenden hat(te), denn kürzliche Ausstellungen Knoebels, vor allem aber die zahllosen auf Kunstmessen gefeatureten Arbeiten des Künstlers, die in fast allen Größen, Farben und Formaten verfügbar zu sein schienen, luden höchstens dazu ein, Qualität entweder fallweise anhand von Nuancen festzumachen oder diese gleichsam in Bausch und Bogen – mit dem Verweis auf ein „Werk“, sozusagen als Platzhalter für die bisherige und ziemlich beachtliche Lebensleistung Knoebels – zuzubilligen.

„Gut“ und „wichtig“ war und ist Knoebles Kunst also mit Sicherheit. Dass sie dagegen noch „interessant“, offen und richtungsweisend für aktuelle Fragen und Themenstellungen (und sei es nur der ungegenständlichen Malerei) sein könnte, war dagegen eher nicht in Sicht. Viel zu sehr schien Knoebels Kunst vor allem um sich selbst zu kreisen. Wurden die zwischen Ende der 1960er und Mitte der 1980er Jahre gesteckten Parameter seines scheinbar illusionslos „abstrakten“, die Bedingungen von Bild, Objekt, Raum und Wahrnehmung immer konsequent am Material ausreizenden Oeuvres doch in teilweise schon selbstgefällig wirkender Detailarbeit wieder und wieder neu ausgereizt.1


Umso größer allerdings die Überraschung, dass Knoebels Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie ein echter Knaller geworden ist. „Zu Hilfe, zu Hilfe...“ sitzt. Die Schau sitzt aber nicht nur wegen einer sehr fokussierten Werkauswahl, einer Konzentration auf wenige, mit Blick auf Knoebels künstlerische Entwicklung, signifikante Arbeiten: vor allem sein „Raum 19“ in der aktuell dritten Fassung und der Documenta-Beitrag von 1987 „Zu Hilfe, zu Hilfe, sonst bin ich verloren“ zusammen mit der 2005 entstandenen „Batterie“ und einer für die Ausstellung entwickelten Malerei. Vielmehr hat sich die Ausstellung in der oberen Halle der, zu recht, als schwierig geltenden Architektur Mies van der Rohes an der Potsdamer Straße, sozusagen, perfekt eingerichtet. Nimmt sie in mindestens ebenso raffinierter wie pragmatischer Weise nicht nur Bezug auf den Ausstellungsort, sondern stellt auch, im intensiven Dialog mit den architektonischen Gegebenheiten, als Ausstellung ihren eigenen Ort her – mit frappierendem Effekt, denn selten wird Mies’ vor statementhaft-moderner Klassizität nur so strotzender Bau besser sichtbar. Und es ist beinahe ebenso selten, dass sich eine Ausstellung darin mit größerer Selbstverständlichkeit behaupten kann.

Dabei ist festzustellen, dass sich Knoebles offensiv-offensichtliches Eingehen auf Ort und Gegebenheiten der Ausstellung deutlich von solchen ortsspezifischen Verfahren, die wir (zumal aus der US-amerikansichen Kunst) seit den späten 1960er Jahren und gerade auch aus institutionskritischen Ansätzen kennen, unterscheidet. „Zu Hilfe, zu Hilfe...“ ist nicht als Konsequenz einer kritischen Agenda zu lesen (die etwa auf die architektonischen oder institutionellen Rahmenbedingungen abzielen würde2).

Ebenso wenig sind Offenlegung und/oder Aneignung, Analyse und Dekonstruktion weder Ziel noch Mittel von Knoebels dennoch dezidiertem Einlassen auf den Raum3. Dieses läutet die einzige neue und eigens für die Ausstellung entwickelte Arbeit ein: die die umlaufenden Glaswände in gestisch-locker aufgetragenem aber dennoch mit einem blickdichten Weiß fassende Malerei „Potsdamer Straße 50“ (2009).

Imi Knoebel, "Zu Hilfe, Zu Hilfe ...", 1987/2009, "Raum 19 III", 1968/2006, Neue Nationalgalerie Berlin, 2009, Foto: Ivo Faber

Als Malerei mit derart deutlichem Duktus vielleicht überraschend für Knoebel hat die Arbeit zugleich die Funktion Innen- und Außenraum – und damit die Wirklichkeit der urbanen Umgebung von der der Ausstellung – zu trennen. Während sie den Einblick in die Ausstellungshalle einerseits verwehrt, sensibilisiert sie im Inneren andererseits umso mehr für den ambivalenten Charakter der Glaswände, der tatsächlichen architektonischen Funktion der Ab- und Umgrenzung und dem Effekt des Gläsernen, der Transparenz. In erster Linie fungiert sie aber als Rahmen für die Ausstellung. Die sonstigen Arbeiten – „Zu Hilfe, zu Hilfe, sonst bin ich verloren“ (1987), „Batterie“ (2005) und Knoebels berühmtes, seit 1968 mehrfach variiert-überarbeitetes Magnum Opus „Raum 19“ (hier in der Replik von 2006) – erscheinen vor diesem Hintergrund nämlich immer auch als Teil, als Aspekt des Gesamtentwurfs, den diese Schau bietet. Knoebel konzentriert diese Arbeiten im vorderen Bereich der Halle, im Entree hinter den Original-Garderobenhäuschen und lässt die übrige Ausstellungsfläche leer. Die architektonische Skulptur „Zu Hilfe, zu Hilfe, sonst bin ich verloren“ gibt, als freigestellte Kulisse mit drei unterschiedlich hohen Durchgängen, den Auftakt zur Erkundung von Raum bzw. Ausstellung. „Raum 19 III“ (1968/2006) mit seinen aus Hartfaser und Holz gefertigten Modulen, Bildträgern und -elementen, Sockeln sowie Latten, Winkeln und Keilrahmen bleibt dagegen, zusammengedrängt hinter den Garderobenhäuschen, für die Ausstellungsbesucher/innen erst einmal verborgen. Integriert darin findet sich das voluminöse, nachts phosphorisierend-leuchtende Objekt „Batterie“.

Imi Knoebel, "Batterie", 2005, "Raum", 1968/2006, Neue Nationalgalerie Berlin, 2009, Foto: Ivo Faber

Dass Knoebel dieses Objekt, ein aus einem Aluminiumgerüst und darin eingehängten phosphoriseirend-gelben Kunststoffplatten gebildeten, turmartigen Quader, in seine Neuinszenierung des „Raum 19“ einschließt ist einigermaßen merkwürdig. Es wirkt wie ein Fremdkörper in dem Atelier- und Werkstattatmosphäre verbreitenden Ensemble, das hochgradig biografisch konnotiert ist. „Raum 19“ – als Referenz auf den tatsächlichen Atelierraum, den beide Imis (Giese und Knoebel) während ihrer Studienzeit an der Düsseldorfer Akademie von Beuys zur Verfügung gestellt bekommen hatten – wurde von Knoebel nämlich wiederholt in Ausstellungen gezeigt und verweist damit auch auf seine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Werk und Wirken seines Lehrers.4

Der Einbezug der, als geheimnisvoller Energiespeicher und Leuchtkörper höchst metaphorischen, „Batterie“ forciert den Eindruck, als ginge es hier um einen ebenso biografisch motivierten wie exklusiven Dialog zwischen Schüler und Lehrer; als wäre, was uns hier im Idiom des aufs Abstrakte bzw. Materialhafte Reduzierten begegnet, vor allem anekdotisch, mit Blick auf Knoebles ureigene Biografie aufzufassen. Wirkt diese geheimnisvoll aus sich heraus strahlende „Batterie“ gerade im Zusammenhang des „Raum 19“ platziert beinah wie ein Platzhalter für Beuys und dessen kontinuierliche Auseinandersetzung mit Aggregaten, Energien, deren Speicherung und Vermittlung.

Auch wenn Knoebel damit Gefahr laufen könnte, den Interpretationsspielraum, den sein Werk eröffnet allzu sehr aufs Biografische zu verkürzen – der präzisen Coolness, mit der diese Ausstellung auf den Ort hin entwickelt und dort eingerichtet wurde, tut dies keinen Abbruch.

Anmerkungen

1 Diesen Eindruck bestätigte die zeitgleiche Präsentation Knoebels in der Deutschen Guggenheim, „Ich nicht. Neue Werke“ 23.5.-26.6.2009.

2 Verschiedene auch kritisch adressierte Arbeiten, die in eine Tradition ortsspezifischer bzw. institutionskritischer Verfahren einzureihen wären, konnten während der letztjährigen Berlin Biennale mit Blick auf ihre tatsächliche – ästhetische und intentionale – Reichweite überprüft werden, etwa die von Nairy Baghramian, Marc Camille Chaimowicz, Ulrike Mohr und die Mies’ Architektur und ihre überidealisierte (Dys-)Funktionalität direkt thematisierende Arbeit von Susanne M. Winterling.

3 Eher wäre auch diese Ausstellung im Zusammenhang mit anderen deutlich raumbezogenen Arbeiten Knoebels wie dem „Genter Raum“ (1980) oder „Heerstraße 16“ (1984) zu diskutieren.

4 Augenfällig wird der Zusammenhang in der bewussten Gegenüberstellung des „Raum 19/II“ (1968/1992) mit dem von Beuys seinerzeit als „Werkstatt“ bezeichneten „Beuys-Block“ im Rahmen der Präsentation im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, 1992.