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Mitchell Algus and Jay Sanders

Wir Grüssen dich lieber Rousseau

Balthus, „Wohnzimmer”, 1942 Balthus, „Wohnzimmer”, 1942

Der gegenwärtigen Konjunktur von „Künstler-Künstlern“ wird zumeist mit der Frage nach ihren aktuellen Ursachen begegnet – um dann, wie an anderer Stelle in dieser Ausgabe, das Begehren des Marktes nach widerständigen Praktiken zu untersuchen.

Nimmt man jedoch einen Perspektivwechsel vor, so können die historischen Voraussetzungen und Auswirkungen dieser angestiegenen Nachfrage in das Blickfeld der Debatte rücken. Vor dem Hintergrund zyklischer Wiederentdeckungen ist dann zu fragen, ob sich der Gebrauchswert des Obskuren und Exzentrischen mit der neuen Sichtbarkeit (vormaliger) „Künstler-Künstler“ wirklich erschöpft haben könnte oder aber die Instrumentalisierung und Deformation immer schon Teil des munteren Spiels künstlerischer Anerkennungsprozesse ist. Gibt es also doch Grund zu feiern?

„Wir grüßen dich
Lieber Rousseau, du hörst uns doch?
Delaunay, seine Frau, Monsieur Quéval und mich
Lass unser Gepäck zollfrei durch die Himmelspforte
Wir bringen dir Pinsel, Farben und Leinwand
Auf dass du deine heilige Freizeit im Lichte der Wahrheit verbringest
Mit Malen – so wie du einst mein Porträt gemalt hast
Im Angesicht der Sterne.“

—Guillaume Apollinaire, Epitaph für das Grab von Henri Rousseau, 1910

Wir leben in einer Zeit der Revivals und der Wiederentdeckungen. Diese Ernte, die in den späten sechziger Jahren mit der Erschöpfung des Modernismus ihren Anfang nahm, hat viel eher angesetzt: nämlich lange bevor die meiste Kunst, auf die gerade die Wahl der Entdecker fällt, auch nur entstanden war. Die Situation ist Sinnbild für ein trödeliges Ende, das nach einem Jahrhundert der Bewegungen kommt. Mit dem Niedergang des Modernismus kamen Aufsummieren und Wiederverwertung – zwanzig Jahre Neo-Ismen. Die hätten wir nun, mehr oder weniger, hinter uns. Unser jetziger Zustand ist von gewitzten Reprisen gekennzeichnet, das Gedenken findet Eingang im Erfundenen.

Das Sonderrecht, das obskuren Werken aus der Geschichte eingeräumt wird, ist ein Merkmal unserer Gegenwart, doch die ist alles andere als einzigartig. Künstler/innen (und Kurator/innen und Kritiker/innen) wissen schon so lange um den Wert, der sich mit dem kaum Bekannten verbindet, um die vielen individuellen und kollektiven Verwendungen, denen man ein ungewöhnliches Œuvre zuführen kann. Duchamp machte sich für Louis Eilshemius stark, dessen Werk er auf eben jenem 1917er Salon des Indépendants entdeckte, zu dem er mit seiner „Fountain“ beitrug. Duchamps Mentorenkuss war eine Beleidigung für jeden Geschmacksmenschen und war darin der Ausstellung jenes Pissoirs gar nicht unähnlich. So wurde aus Eilshemius der „American Rousseau“, ein „artists’ artist“. Duchamps Segnungsgeste wollten sich dann noch viele andere anschließen: Katherine Dreier, Milton Avery, David Burliuk, Louise Bourgeois, Peter Schuyff, das Museum of Modern Art, der Kritiker Henry McBride, die Sammler Duncan Phillips, Joseph Hirschhorn und Roy Neuberger, die Kunsthändler/innen Valentine Dudensing, Paul Durand-Ruel und Sidney Janis. Eilshemius hatte einen direkten Einfluss auf Balthus, der 1917 sein Bild „The Prodigy“ in der Pariser Sammlung des Duchamp-Freundes Henri-Pierre Roché erblickte. Große Kunst ruht öfters auf schmaleren Schultern. Louis Eilshemius wird bis zum heutigen Tag immer wieder wiederentdeckt; Entdecktwerden in Serie: das ist das mühselige Schicksal des „artists’ artist“. [1] Da muss man nur an Forest Bess, Paul Thek, Ray Johnson, Francis Picabia, Bob Thompson denken und an viele, viele andere. [2] Käuze, alle wie sie da sind, aber das hat für Künstler-Künstler schon den Charakter eines Erkennungsmerkmals.

Duchamp ist wiederum ein „artists’ artist“, wie das auch Picasso und Matisse, Pollock und DeKooning, Richard Prince und Paul McCarthy sind. Die Bedeutsamkeit dieser Künstler liegt nur dermaßen klar auf der Hand, dass wir sie nicht als solche verstehen – denn ein „artists’ artist“ sollte vor allem obskur sein. Obskurität und ein lang währender Mangel an Anerkennung sind ganz wichtig. Im Verbund machen sie ausgedehnte und auch sehr unterschiedliche Werke gleich verfügbar und bereit, den Bedürfnissen und Begriffen ihrer neuen Fürsprecher angepasst zu werden. Das Obskure erweckt auch das Gespenst der Kennerschaft und lässt Insiderwissen zum Zuge kommen. In unserer Zeit wird Information gerne mit neuartigem Denken verwechselt, wodurch die Information den zusätzlichen Glanz des Innovativen erhält. Da Innovation ja sonst von den Künstler/innen erwartet wird, sorgen diese Umstände für eine gewisse Zuspitzung im Bereich der Produktion. Künstler/innen können die Rolle von Kurator/innen übernehmen (und so ihr Fasziniertsein auf eine neue Ebene heben), Kurator/innen können zu Theoretiker/innen werden. Das funktioniert ganz fabelhaft und hält die Produktivität in Gang. Ein Künstler/Kurator kann Ausstellungen machen und neue Werke passend für diese von ihm im Voraus bestimmten Kontexte herstellen, ein Kurator/Theoretiker kann die eine oder andere Biennale übernehmen und dann, wenn’s denn sein muss, auf die Dienste des Künstlers/Kurators zurückgreifen. Diese Verfahrensweise verhilft auch dem Prinzip Einfluss zu Geltung, das aus dem Backstagebereich ins Freie tritt: „X. hatte Einfluss auf Andy Warhol“; „Mike Kelley hatte wirklich eine Menge für Y. übrig“; „Z. stammt aus dem Kippenberger-Umfeld“, und so fort.

Doch vor allem ist der „artists’ artist“ ein politisches Konstrukt, dem ein kollektiver Wert zugewiesen wird – Deleuzes und Guattaris Begriff des Kleinen. [3] Problematisch ist diese Situation, weil dabei Qualitätsurteile umgangen werden. Die hauptsächliche Bedeutung erhält nicht die Qualität des Werkes selbst zugesprochen; es ist der Gebrauchswert des Werkes bei der Destabilisierung von Hierarchien und bekannten historischen Erzählungen. Doch sowie sich der in einmaliger Weise kompromittierte Status eines Künstler-Künstlers erledigt hat, sublimiert sich auch dessen Gebrauchswert. So können sich Lee Lozano oder Yayoi Kusama, denen Akzeptanz des Marktes und Museumspräsenz zuteil wird, im Feld der Sichtbarkeit verflüchtigen. Das macht auch Picasso und Matisse so unbrauchbar (wenn auch die Qualität und Originalität ihrer Werke ihnen auch in Zukunft einen künstlerischen Gebrauchswert sichern werden). Ironisch ist, dass eine Wiederentdeckung wie Bas Jan Ader durch ein wenig zu viel des Guten ernstlich Gefahr läuft, ihr Wiederauftauchen abzunutzen und wieder in die Unsichtbarkeit zurückzusinken. Doch dann können allerdings Allgegenwart und öffentliche Beliebtheit selbst zu nutzbaren Eigenschaften werden, da sie nun einmal den Erwartungen des Experten zuwiderzulaufen pflegen. Da das Interesse der Insider sich im umgekehrten Verhältnis zur öffentlichen Anerkennung entwickelt, kann in Subzirkeln des Betriebs selbst ein ungeheuer beliebter Künstler wie Takashi Murakami in ausreichendem Maße entleert werden, um das Zeug zum „artists’ artist“ zu kriegen.

In den Künstler-Künstlern, die in einem beliebigen Moment aufkommen, spiegelt sich untrüglich die Interessenlage eben dieses Moments. So kann ein Forest Bess erstmals in den siebziger Jahren wieder an die Oberfläche kommen und als Antwort auf die Bedeutungskrise der Abstraktion gewertet werden, dann wird er – wie erst jüngst – wieder sichtbar zu einer Zeit, als die abstruse Bescheidenheit seines Werkes irgendwie zu einer heutigen (heuchlerischen) Bescheidenheit zu passen scheint (bei der jegliche deutliche Äußerung einer Überzeugung zu etwas vollkommen Jenseitigem gemacht wird). Francis Picabia wurde in den achtziger Jahren wieder hervorgeholt, als sich seine besondere Verbindung von figürlichem Palimpsest und Retrokitsch mit einem Mal ahndungsvoll ausnahm, das Wiederaufkommen von Lee Lozanos Werk spiegelt ein zeitgenössisches Interesse an Extremen der Transgression, Martin Barrés Malerei scheint auf die pikanten und abgehobenen Konzeptgrafiken zu antworten, die zurzeit in den Werken vieler junger Künstler/innen Zuspruch finden, und so fort.

Statt sich zu fragen, wer denn wohl ein „artists’ artist“ ist, könnte es weit spannender sein zu fragen, wer das denn nicht ist. Mit einer Ausstellung im Frankfurter Museum für Moderne Kunst, noch jüngst mit Auftritten in von Alison Gingeras kuratierten Hochkaräterschauen, einem nobilitierenden Porträtstich in der New York Times und einem unbestreitbaren Außenseiterwert findet man bei Bernard Buffet unschwer alle potenziellen Reize eines „artists’ artist“. Doch Buffet ist ein Witz, und ein guter obendrein. Geht man davon aus, dass sich Buffets Wert als Witz so überdeutlich zeigt, so scheint sein Gebrauchswert als „artists’ artist“ doch zu dauerhaft gefährdet; doch ist es gerade diese Gefährdetheit, die seine Langlebigkeit zu einer ausgemachten Sache machen wird.

Sicher, auch Georges Mathieu kann den erforderlichen Mangel an Anerkennung vorweisen. Seine der Monarchie zuneigenden politischen Ansichten sind höchst unerquicklich, seine Extravaganz eine Zumutung. Er stößt einen aus formalen Gründen vor den Kopf (Figur und Grund versteht er im klassischen Anti-Greenberg-Sinn) und macht es Leroy Neiman an der Ausverkaufsrampe alles andere als leicht. Schon diese Qualitäten machen ihn interessant. Doch Mathieus Sitzplatz in der Geschichte ist reserviert – schließlich war er der erste, der Pollock in Europa ausgestellt hat, war eine Inspiration auf die japanische Gutai-Gruppe. Dem braucht man jetzt nur noch die hinreißend plattitüdenhaften, grafischen Züge in seinem Werk und deren topografische Ähnlichkeiten mit, unter anderen, Barré, Stephen Prina oder Jean Degottex (einem „artists’ artist“ der Zukunft) hinzuzufügen – die Verlockung ist nicht von der Hand zu weisen.

Hier bewegen wir uns nun auf tückischem Terrain: Es gibt „artists’ artists“, die unrettbar kompromittiert sind – sie sind brauchbar, aber nicht vollkommen zu akzeptieren. Diese Künstler/innen müssen nicht unbedingt in den Sümpfen eines fragwürdigen Geschmacks waten, doch können sie immer wieder eine Herausforderung (an den Geschmack, an die Politik) bedeuten und sich der Akzeptanz widersetzen. Mit dieser seltsamen Unterwelt Umgang zu pflegen, diese Werke funktionieren zu lassen, das ist eigentlich doch eine leichte Hürde, die man ohne große Verrenkungen nehmen kann. Das Problem wird sich dann eher bei der zur Landung nötigen Bodenhaftung einstellen. An sich ist nichts besonders Würdigenswertes daran zu finden, eine Debatte zu provozieren, indem man sich für einen Exzentriker einsetzt. Doch was, wenn mächtige gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen einsatzbereit im Hintergrund lauern? Die Gelegenheiten für ein Hervortreten und Sich-Abheben liegen im je besonderen sozioökonomischen Entwicklungsstand zu einem bestimmten Zeitpunkt begründet. Die Aufmerksamkeit und Konsensualität bildenden Mechanismen sind oft Teil eines Organisationsschemas und funktionieren gegenläufig bei der Propagierung von Kultur. Das Beiläufige der Gespräche, des Vorschlägemachens, des Ausstellungenmachens ist ein langwieriger Prozess der Verdunklung, des Obskurmachens dieses strukturellen Außenpostens, insbesondere, da die Kunstwelt über außergewöhnlich mächtige Ressourcen verfügt, vor allem für einen so solipsistischen Bereich, der sich immer weiter von der Kultur im weiteren Sinne entfernt. Am Ende werden wir diese Gegenwart wohl noch als seltenen, luxuriösen Moment des weit ausgreifenden Experimentierens und des Genusses am Kunstausstellen sehen lernen – von Phänomenen also, die eigentlich Ergebnis des letzten Jahrzehnts der fortschreitenden kulturellen Auslaugung, der geschäftlichen Umstrukturierungen, der Transaktionsgewohnheiten und der Besonderheiten des Marktes sind. [4]

Kunstwerke waren schon immer dazu in der Lage, zu Sinnbildern zu werden, interessante Revivals sind sinnbildhafter Unfug, der sich gegen historische Urteile immunisiert hat. 1929 hat Michel Leiris eine Studie über ein obskures Werk der französischen Renaissancemalerei, „Das Massaker der Triumvirn“ (1566) von Antoine Caron, in Georges Batailles surrealistischem Journal Documents veröffentlicht. [5] Wie Deleuze sicherlich ebenfalls geschlossen hätte, waren die Gründe, dieses und kein anderes Karnickel aus dem Hut zu ziehen, eindeutig politische. In seiner Abhandlung erzählt Leiris zunächst einmal von seiner Kindheitsobsession für Blut, Verstümmelung und Tod, bevor er dann zu einer hochgradig aufgeladenen Spekulation zu Carons Motivationen als Maler übergeht. Unter Verzicht auf eine angemessenere Lektüre des Werkes im Kontext seiner Zeit und seiner Umgebung macht sich Leiris stattdessen daran, das zugegebenermaßen grausame Bild restlos in sein und Batailles Weltbild zu zwängen, indem er behauptet, es handle sich dabei um einen Katalysator aus einer anderen Zeit, der hier sei, um ein Empfinden für die „Gegenwart“ wachzurütteln. Dazu besonders dienstbar ist eine Szene im Vordergrund des Gemäldes, bei der man einen Soldaten über eine enthauptete Leiche gebeugt sieht – eine Hand langt in den klaffenden Brustkorb, die andere packt fest den Schwanz des Leichnams an. Leiris’ Kritikerzauber bannt Caron als abgründigen Sadomasochisten und Beschwörer einer Schwarzen Magie. Es lässt sich nicht leugnen: Dieses Bild wird für Leiris zu einer Beschwörungsformel, einem finsteren Omen des kommenden Weltzeitalters, das er wiederum an die kindliche Lust am Schrecken zurückbindet. Die dargestellte Gewalt hinterlässt bei Bataille einen tiefen Eindruck, seine in Verzückung geratene Fantasie projiziert das Barbarische ins Bild und lässt es aus ihm hervortreten. Der Historiker Neil Cox erkannte hier Batailles Willen, „bis hierhin nicht einzuordnende“ Werke „äußerst beunruhigender Art“ zu publizieren, und Leiris’ Aufsatz war da „nur ein Beispiel unter vielen für die Aneignung und Deformierung des historisch Überlieferten in den Documents“.

Diese „Deformierung“ ist in der Tat eine herbe Zumutung für ein Gemälde und zudem eine höchst unbescheidene Erscheinungsform eines erfundenen Wertes. Unseren heutigen Begeisterungen, die zwar allgegenwärtig sind, fehlt dennoch die Grundlage für diese Art des Extremen. Damals galt ebenso gut wie heute, dass die Umdeutung auf wenig Widerstand trifft, wenn der Umgedeutete erst einmal im sicheren Hafen des Jenseits vor Anker liegt – man erfindet sich eben das, was man braucht, aus den Resten zusammen, die man noch hat. Hier ist es das Nostalgische, das am gruseligsten wird (wenn es dermaßen in Missverständnisse der Vergangenheit als Lösungen für gegenwärtige Probleme eingebettet liegt). Das Nostalgische ist das schwarze Schaf unter den Revivals. Es ist noch am besten, wenn ein „artists’ artist“ einer weit zurückliegenden Generation angehört, so dass sich das Werk nur mehr auf sich selbst zurückbezieht, nicht aber auf das Gedächtnis seines Publikums. Distanz ist der Schlüssel.

Doch warum sich über die aufgeschobene Erlösung ereifern? Für einen lebenden Künstler, der ein neues Publikum bekommt, oder für die Freund/innen eines verstorbenen Künstlers, dessen Werk zurück ins Leben tritt, liegt in dem ganzen Wie und Warum verspäteter Anerkennung eine gewisse Einfachheit. Wem schadet denn eine vertiefte Aufmerksamkeit für die Vergangenheit, die zur Gegenwart gemacht wird? [6] Doch vermag die Revision nicht die Lücken zu erfassen, die in Ungnade vergeudete Zeit, wartend auf den großen Einsatz oder verfangen in der Alltagswelt des Obskuren. Wenn schon um den „Gebrauch“ ein heilloses Durcheinander herrscht, wie viel schwärzer ist dann wohl das Schwarze Loch um den „Nichtgebrauch“? Ironischerweise lässt diese Dichotomie zwischen Sichtbarkeit und Abwesenheit nicht den Gegenstand der Wiederentdeckung so überaus klar umrissen hervortreten, sondern vielmehr die Gestalt der allgewaltigen Linse, die hinter der tiefer gewordenen Sicht steht – „wiederentdeckt“, das deutet auf ein „Wir“, das passiv darauf wartet, dass ihm irgendetwas unterkommt, ganz gleich, ob es nun in den scharf gestellten Bereich hineinkommt oder aus ihm verschwindet. Es ist diese Rahmung der Sicht, die in der Kunstwelt im Sinne von Parteien und Flügeln bestimmt wird, die verstärkt wird, während sich der ursprüngliche Impuls zur Hervorholung eines Künstlers/einer Künstlerin bereits in gewisser Weise im Zustande fortschreitender Auflösung befindet. Künstler/innen und ihre Kunst sind eigentlich immer „da“, so dass sie, als neu gefundener Grund zum Feiern dienen, und selbst noch die Kritik an diesem Feiern ist nichtsdestoweniger als zweifelhafter Gruß an die machtvollen Werbemechanismen zu verstehen, die hier zur Tat schreiten. Und doch ist trotz der durch Konsensbildungen hervorgerufenen Angst das schwer zu fassende, immaterielle „Da-Sein“ der Kunst ihre Stärke, mit der sie sich solchen Kräften entgegenstellt, die sie in das politische Reich der kollektiven Fantasien verbannen wollen.

(Übersetzung: Clemens Krümmel)

Anmerkungen

[1]Karen Wilkin, „Eilshemius rediscovered again“, in: New Criterion, November 2001.
[2]Peter Schjeldhal, The Seven Days Art Columns 1988–1990, 1991.
[3]Gilles Deleuze und Félix Guattari, Kafka. Für eine kleine Literatur, Frankfurt/M. 1976 (orig.: Kafka. Pour une littérature mineure, Paris 1975).
[4]Peter Tschmuck, Creativity and Innovation in the Music Industry, Heidelberg 2006.
[5]Neil Cox, „A Painting by Antoine Caron“, in: Papers of Surrealism, Nr. 7, 2007.
[6]Diedrich Diederichsen u.a. (Hg.), Golden Years: Dokumente und Materialien zur queeren Subkultur 1959–1974, Graz 2006.