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Vorwort

Von der „Apparatur" sprach Walter Benjamin, von den „ideologischen Staatsapparaten" Louis Althusser, vom kinematographischen „Apparatus" die institutionskritische Filmtheorie der sechziger und siebziger Jahre. (Neuerdings liest man auch bei Jacques Derrida von „techno-tele-medialen Apparaten".) Der Begriff gehört in das Repertoire materialistischer Diskurse. Im Gegensatz zu den immer wieder ins Immaterielle gewendeten „Medien" pocht die „Apparate"-Rhetorik auf die Materialität der kommunikativen Prozesse. Damit wird eine polemische und analytische Resonanz erzeugt, die dem Gebrauch des vorderhand neutralen Begriffs „Medium" meist fehlt. Mit dieser Resonanz arbeitet die vorliegende Ausgabe.

Es sieht so aus, als könne sich der Kunstbetrieb nur noch dort überzeugend als Zuwachsbranche präsentieren, wo er an technologischen Entwicklungen partizipiert oder sogar den Eindruck vermittelt, daß er diese Entwicklungen tatkräftig unterstützen würde. Aus der argwöhnisch beäugten Spezialistendomäne „Medienkunst" ist mittlerweile eine von Konzernen und Institutionen gehätschelte Strömung künstlerischer Praxis geworden. Eine politisch-ökonomische Ordnung, die vom technologischen Fortschritt abhängt, kann sich hier bestätigen lassen, daß sie bei Robotisierung und Digitalisierung auf ästhetische Kreativität, auf den Schmelz der Kultur nicht verzichten muß. Folglich gehen Künstler, Galeristen und Kuratoren online; werden Symposien über die „interaktive Stadt" und die Möglichkeiten künstlerisch-aktivistischer Netzkritik an jedem zweiten Wochenende abgehalten; plant Catherine David Internet-Projekte für die kommende documenta ein.

Vor dem Hintergrund eines von Wirtschaftsliberalen gestützten Vertrauens in die Zugänglichkeit und Zensurfreiheit des Cyberspace hat sich nun allerdings eine Kritik formiert, die User/Konsumenten agitiert, die dystopischen Elemente der Vernetzung aufdeckt und den allgemeinen, inzwischen 3 hegemonialen Techno-Optimismus zu brüskieren versucht. Die uneingeschränkte Begeisterung über die Koppelungsmöglichkeiten technologischer und ästhetischer Projekte wird aber auch durch gezielt unterfordernden Einsatz von „cutting edge"-Technologie gedämpft und ironisiert. Strategisch zur Schau gestelltes technisches Unvermögen oder der Rückgriff auf veraltete Geräte und Verfahren will den wissenschaftlich-rationalistischen Fortschrittsdiskurs irritieren. Der Informatiker-Künstler hingegen kann sein Subversionspotential kaum noch im Bereich der Kunst ausspielen, ohne deren Grenzen neu zu definieren. Videokunst und VR-Installationen sind längst zu Laboratorien von MTV und Werbung geworden. Zwischen Affirmation, Mißbrauch und Mißverständnis kann hier alles mögliche passieren. Für die Beschäftigung mit der Beziehung von Kunst und Medien kommen wir zu dem Schluß, daß die Analyse nur dort weiterführt, wo sie so gründlich wie möglich in den spezifischen Zusammenhängen einer sozialen Praxis lokalisiert wird. Globalisierendes Räsonieren bringt hier wenig.

Die vorliegende Ausgabe liefert Beiträge zur Cyberspace-Debatte (Tom Frank, Holger Kube Ventura u.a.), auf eine konzentrierende Zusammenschau dieses Bereichs wurde aber verzichtet. Statt dessen kollidieren miteinander: Texte über Technophobie/Technomanie (Carol Stabile), die sozio-psycho-logische Funktion von Bildschirmschonern (Daniel Harris), amerikanische Talkshows (Klein/Eggerer), Dan Grahams Filmbegriff (Gregor Stemmrich), die Ambivalenzen von Video (Holert) oder die Geschichte und Gegenwart hiesiger Medienwissenschaft. Die vereinheitlichende Rede von „den Medien" wird zugunsten stärkerer Differenzierung aufgegeben. Das Feld der „Apparate" organisiert sich neu.

STEFAN GERMER / ISABELLE GRAW / TOM HOLERT / ASTRID WEGE