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Vorwort

„Sie kam und blieb“ – diese deutsche Übersetzung des Romans „L’invitée“ von Simone de Beauvoir passt gut zu den bleibenden Auswirkungen von Frauenbewegung und feministischer Theorie – auch im Kunstbetrieb. So geben sich Kurator/innen heute beispielsweise große Mühe, Künstlerinnen in ihren Gruppenausstellungen zu integrieren. Und falls dies nicht gelingt lautet die gängige Entschuldigung, man habe zwar ausgiebig gesucht, aber eben keine „guten“ Künstlerinnen gefunden. An die Stelle krasser Diskriminierungen, etwa expliziter Ausgrenzung oder verbaler Herabsetzung, wie sie in der Kunstwelt bis in die achtziger Jahre hinein durchaus üblich waren, sind heute eher „subtile Sexismen“ getreten. Nach wie vor werden zwar Eigenschaftsprofile von Frauen, zumal von Künstlerinnen erstellt, und die Produktion von Geschlechterstereotypen ist keineswegs versiegt. Doch während Frauen früher die Fähigkeit zu „großer“ Kunst schlicht abgesprochen wurde, hat man es heute mit dem zu tun, was die Soziologinnen Regina Becker-Schmidt und Gudrun Axeli-Knapp in ihrer empfehlenswerten Einführung zu feministischen Theorien als ein Ineinandergreifen von polarisierenden Unterscheidungen, diskriminierenden Bewertungen, disparitären Behandlungen und ungleichen Positionierungen treffend beschreiben. Eigentlich läge es nahe, diese zu analysieren. Der Umweg über das Phänomen „Ausnahmefrau“ erscheint hierfür vielversprechend. Denn seit jeher gibt es einzelne Frauen, die – mit Beauvoir gesprochen – „kommen und bleiben“, die sich mithin dauerhaft etablieren und sogleich als Beweis dafür herbeizitiert werden, dass doch Frauen heute in jeder Hinsicht gleichberechtigt seien. Bezeichnenderweise sind es häufig solche Frauen, die jegliche Benachteiligung, die aus ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht resultiert, negieren und ihren Erfolg allein auf „exzeptionelle Leistung“ zurückführen. Doch statt der Ausnahmefrau“, wie in feministischen Kreisen üblich, vorzuwerfen, sie sei „geschlechtsblind“ und anderen Frauen gegenüber illoyal, unternimmt diese Ausgabe eine – ja – entspanntere Annäherung an dieses Phänomen (Vgl. den Text über die „Ausnahmefrauen“ von Isabelle Graw und das Interview mit Charlotte Roche).

Unwillkürlich läuft jede Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Ausnahmefrau" darauf hinaus, dass aus der einen mehrere werden, was dem Wortsinn der Bezeichnung zuwiderläuft. Es wird jedoch noch einige Zeit dauern, bis andere Besetzungen und Wertungen auch für das Wortfeld „Feminismus", „feministisch" oder „Feministin" möglich werden. Diese Begriffe lösen heute weitgehend heftige Abwehrreaktionen und Distanzierungen aus, nachdem sie in den neunziger Jahren im Zuge von „Girlism" und „Postfemlnismus" eine — wenn auch beschränkte — Konjunktur erlebten (Siehe auch „Gender in trouble" von Beate Söntgen). Warum hat der Feminismus derzeit eine so schlechte Presse? Die Philosophin Herta Nagl-Docekal hat dies mit einem „restringierten Verständnis" von Feminismus erklärt. Feminismus wurde fälschlicherweise mit simplifizierenden Patriarchatsthesen und militanten, männermordenden Praktiken in Verbindung gebracht und deshalb abgelehnt. Es gleicht also einer Sisyphosarbeit, gegen diese negativen Konnotationen anrennen zu wollen. Dennoch lohnt sich dieser Kampf— zumal für eine neue Bestimmung von Feminismus.

Kunstkritiker/innen, die eine Aufmerksamkeit für Geschlechterasymmetrien, für Festschreibungen und Zuschreibungen entwickeln, müssen sich jedoch fragen, ob diese Beobachtungen überhaupt im Interesse der Künstlerin respektive ihrer Arbeit liegen. Schon die bloße Verwendung des Wortes „feministisch" kann zu einer gänzlich unbeabsichtigten Klassifizierung der Arbeit als „anders" führen. Hinzu kommt, dass feministische Annäherungen an ästhetische Phänomene in den letzten Jahren — auch in dieser Zeitschrift — zunehmend wegen ihres „Reduktionismus" kritisiert wurden, und dies nicht zu Unrecht. Zwar hatte es in den achtziger und neunziger Jahren noch eine Errungenschaft dargestellt, die künstlerische Arbeit wahlweise mit ihrer „Position" im Kunstbetrieb, mit biografischen Daten, dem Konzept „Identltat oder institutionellen „Anerkennungsprozessen" in Verbindung zu bringen. Doch das verkürzende Moment dieser Erklärungsmuster, die nur selten ineinander griffen, war nicht mehr zu übersehen. Ganz offensichtlich schien Kunst, auch von Künstlerinnen produzierte, in identitätspolitischen Konzepten oder kontextuellen Bezügen nicht aufzugehen. So wichtig es erscheint, darauf hinzuweisen, dass die Arbeiten von Künstlerinnen auf dem Kunstmarkt in der Regel mit einem anderen Status, respektive geringeren Wert versehen werden, so wenig tragen derartige Beobachtungen zu einem Verständnis der besonderen künstlerischen Leistung bei. Es sieht aus, als würden sich feministische und kunstkritische Zielsetzung auf unterschiedlichen Ebenen bewegen. Daraus nun die Konsequenz eines Rückzugs auf das bewährte Terrain von formalen Analysen, phänomenologischen Betrachtungen und hermeneutischen Interpretationen zu ziehen, wäre jedoch verfehlt. Stattdessen ist eine Versöhnung des bislang Nicht-Versöhnten anzustreben eine Zusammenführung von Biografe, Formalismus und Milieustudie (Artikel von Beate Söntgen, Interview mit Barbara Rose, Text von Susanne von Falkenhausen). Über das jeweils methodisch Angemessene kann allerdings nur situativ und von Fall zu Fall entschieden werden. Kunstkritik, zumal die sich als „feministisch" verstehende, ist somit immer auch Interessenpolitik. Letztlich erweisen sich Produktionen von Künstlerinnen weniger als gender-, denn als „konventionsspezifisch" im Sinne der von ihnen aufgerufenen Gesetzmäßigkeiten. Ohnehin hat sich die Vorstellung, dass bestimmte Medien per se belastet weil männlich kodiert seien und deshalb für Künstlerinnen nicht in Frage kämen, als äußerst fragwürdig erwiesen. Könnte die Behauptung eines „genderspezifischen" Mediums dennoch strategisch sinnvoll sein (Text von Christian Höller über die Ausstellung <hers>) ? Die hier versammelten methodischen Vorschläge resultieren zwar aus der Auseinandersetzung mit Künstlerinnen, sind aber selbstverständlich — siehe Sarah Morris über Jeff Koons — auch auf die Produkte männlicher Künstler anzuwenden.

ISABELLE GRAW / BEATE SÖNTGEN