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Okwui Enwezor (1963-2019) Ein Fächer aus Nachrufen mit einer Einleitung von Isabelle Graw

Dass der zu seinen Lebzeiten so überaus herzliche, energetische und unterhaltsame Okwui nicht mehr lebt, ist unvorstellbar. Als besonders Herz zerreißend empfinde ich die Tatsache, dass seine Tochter nun ihren Vater verloren hat und er sie nicht mehr erleben kann. Sein viel zu früher Tod bedeutet zudem, dass er seine Arbeit als Kurator bahnbrechender Ausstellungen nicht fortsetzen wird. Die Stärke seiner Projekte – angefangen von seiner unvergesslichen Documenta11 (2002) mit ihren programmatisch nicht in Kassel stattfindenden „Plattformen“ bis hin zu der die Kunst als Weltgeschichte erzählenden grandiosen Ausstellung „Postwar: Kunst zwischen Pazifik und Atlantik 1945-1968“ (2015) im Haus der Kunst –, schien mir immer darin zu bestehen, dass sie Kunstgeschichte unmittelbar mit Geschichte kurzschlossen. Diese Politisierung der Kunstgeschichte lief auf die Zurückweisung gängiger Polaritäten hinaus, etwa zwischen vermeintlich westlicher und angeblich autochthoner Kunst oder zwischen postkolonialen und modernistischen Narrativen.

Indem Okwui beispielsweise seine Venedig Biennale „All the world´s futures“ (2015) im letzten Raum mit den monumentalen Menschenbildern des wegen seiner sexistischen Äußerungen umstrittenen Malers Georg Baselitz fulminant abschloss, demonstrierte er einmal mehr, dass der scheinbare Gegensatz zwischen markterfolgreicher Westkunst und nicht westlichen Artefakten nicht greift. In ihrer Rohheit signalisierten diese monumentalen und einmal mehr auf dem Kopf stehenden Menschenbilder von Baselitz buchstäblich, dass alles umkehrbar ist: Dass also auch westliche Nachkriegsmaler wie Baselitz mit ihrem schmierigen Auftrag von fieser Fleischfarbe auf schwarzem Grund mit einer Aura des Primitiven kokettieren, während zahlreiche nicht westliche Künstler*innen in derselben Ausstellung Arbeiten zeigten, die formal innerhalb eines als westlich geltenden Kanons situiert waren. Die oft provokanten Setzungen, die Okwuis Ausstellungen implizierten, sind in dieser Zeitschrift denn auch regelmäßig besprochen und diskutiert worden.

Auch mein persönliches Verhältnis zu ihm war von so intensiven, wie kontroversen Gesprächen gekennzeichnet, von freundschaftlichen Auseinandersetzungen, die wir oft noch nach unseren Treffen per SMS weiterführten. Er war zudem ein hervorragender (und solidarischer) Berater, wenn es darum ging, bessere Bedingungen (auch finanzielle) für die eigene Arbeit zu verhandeln. Vor allem gehörte er nicht zu jenen Kunstprofis, die das Private notorisch ausblenden und dadurch abspalten: Ganz im Gegenteil galt seine erste Frage stets dem Wohlergehen meiner Tochter. Zwar kann man sich über den Schmerz seiner Abwesenheit mit dem Gedanken hinwegtrösten, dass er jetzt endlich von dem Leiden seiner Krankheit erlöst wurde, trotzdem fehlt er enorm: Nicht nur als risikofreudiger und inhaltlich anspruchsvoller kunstpolitischer Akteur, sondern auch als Freund ist er unersetzbar. Im Folgenden haben wir einen kleinen Fächer von Nachrufen auf ihn zusammengestellt, die seine singuläre Persönlichkeit ebenso beleuchten wie sie seine ungeheure Arbeitsleistung genauer ausfalten.

Isabelle Graw