COMMON GROUND Colin Lang im Gespräch mit Julia Grosse, Suza Husse und Max Czollek
Globale Berichterstattung findet im deutschen Kunstkontext – ob online oder in Printpublikationen – kaum statt. Künstler*innen und Kulturproduzent*innen außerhalb der westlichen Kunstwelt werden häufig marginalisiert oder in vereinfachenden Kategorien diskutiert. Wie wäre also ein neuer kunstkritischer Diskurs zu beginnen, der Formen von Ausgrenzung vermeidet und über Diskussionen und Wissen hinausgeht, um sie in eine kritische Praxis zu verwandeln?
Über mögliche Strategien gegen verschiedene Formen der Diskriminierung sprach Chefredakteur Colin Lang mit Julia Grosse, der Herausgeberin von Contemporary And, mit Suza Husse, der künstlerischen Leiterin von District Berlin, und Max Czollek, dem Autor des Buches „Desintegriert Euch!“.
COLIN LANG: In der Kunstkritik spielen Prozesse der Diskriminierung eine grundlegende Rolle dabei, wie man differenziert oder Unterscheidungen trifft: zwischen dem, was man für gut oder schlecht hält, worüber man schreiben sollte oder nicht. Wenn man von Diskriminierung im erweiterten Sinne spricht, geht es meistens um die negativen Folgen dieses Unterscheidungsprozesses: um Exklusion, die immer zu Handlungen gegen Menschen führt, die auf zahllosen Faktoren wie Hautfarbe, Gender, Sexualität, Nationalität, Religion und so fort beruhen.
Suza, Julia und Max, ihr gehört einer jüngeren Generation von Kulturschaffenden an und arbeitet in Berlin in einer Vielzahl von Medien und Formaten. Aber was eure unterschiedlichen Projekte vielleicht verbindet, ist der Wunsch, angesichts einer in der Kunstwelt und im Kulturbereich grassierenden Diskriminierung einen neuen kritischen Diskurs zu entwickeln. Könnt ihr zur Einführung beschreiben, welche Rolle Diskriminierung für eure jeweiligen Vorhaben und Praktiken spielt?
SUZA HUSSE: Ich würde District als eine Gruppe von Leuten beschreiben, die gewissermaßen wie ein vielarmiges Wesen arbeiten. In Bezug auf Gewalt würde ich sagen, dass ein Hauptanliegen für uns darin besteht, Gewalt intersektional zu thematisieren. Einerseits wollen wir besser verstehen, was Gewalt tut und wie sie – vor allem im deutschen und Berliner Kontext – Kulturen, Leben und Sichtweisen prägt. Andererseits versuchen wir, Gewalt zu überwinden oder wenigstens gemeinsam einen Raum zu schaffen, in dem wir anders miteinander umgehen und uns bemühen, Gewalt nicht zu reproduzieren. Eine wirklich große Frage für uns, als Raum für Produktion, Forschung und Kollektivität, lautet: Wie genau sind diese Beziehungen, die wir ermöglichen, uns wünschen oder erzeugen, eigentlich beschaffen? Aber vielleicht sollte ich etwas allgemeiner anfangen. District ist ein Kunstraum, der sich mit queeren, feministischen, intersektionalen und dekolonialen Praktiken beschäftigt, und wird sehr stark von verschiedenen Personen getragen und inspiriert, die mehr als nur unser Programm gestalten und mit denen wir in Dialog stehen. Die Auseinandersetzung mit politisierten künstlerischen und kulturellen Praktiken ist etwas, das sich ständig im Fluss befindet. Wir versuchen, unser Handeln und unsere Arbeitsweise von diesen Praktiken prägen und verändern zu lassen.
LANG: Würdest du sagen, dass euer Schwerpunkt auf der Forschung liegt? In dem Sinne, dass ihr gewissermaßen danach forscht, in welchen Formen sexualisierte Gewalt oder diskriminierende Praktiken zuerst aufgetreten, verstanden oder aufgedeckt worden sind?
HUSSE: Ja, aber Forschung ist für uns auch eine Form des Zusammenseins, eine Form des Gesprächs. Alle, die Diskriminierung direkt oder indirekt, als Teil der gesellschaftlichen Strukturen, in denen wir leben, erfahren haben, wissen, wie sie funktioniert. Einige von uns können es sich leisten, dieses Wissen nicht an sich heranzulassen. Aber wenn wir über Gewalt sprechen, beschäftigen wir uns damit, wie Menschen, Kollektivitäten und Ökologien – trotz, jenseits, neben oder unter bestimmten Formen von Gewalt – überleben und mit der Frage, was man heute von alternativen und widerständigen Praktiken lernen kann. Wie können wir etwas anderes imaginieren als das, was uns kaputtmacht? Wir versuchen, uns auf die Vorstellungskraft zu konzentrieren – genauer gesagt, auf die politische Vorstellungskraft: Im Mittelpunkt langfristiger Recherchen, die in unterschiedliche Richtungen gehen, stehen oft Workshops und gesellschaftlich-performative Praktiken. District lässt sich in keins der Schemata von kultureller Bildung, zeitgenössischer Kunstproduktion und akademischer Welt einordnen, obwohl diese in unsere Arbeitsweisen verwickelt sind.
JULIA GROSSE: Contemporary And ist ein Kunstmagazin, das vorwiegend online publiziert, weil es immer unser Ziel war, weltweit sichtbar und lesbar zu sein, von einer jungen Künstler*in in Accra über eine Autor*in in Kairo bis zu einer Kurator*in in London. Als wir C& 2013 gründeten, war unsere zentrale Frage: Was bedeutet für uns zeitgenössische Kunst aus Afrika und der globalen Diaspora? Definiert sich das Schwarze Amerika beispielsweise als Teil einer globalen Schwarzen Diaspora? Verstehen sich Menschen, die in Luanda geboren wurden und seit 15 Jahren in London leben, als Kreative mit afrikanischer Perspektive? Wir haben von Anfang an den Begriff „afrikanische Perspektiven“ verwendet und nicht diese wirklich vereinfachenden Bezeichnungen afrikanische Kunst“ oder „afrikanische Künstler*innen“. Für uns gibt es keine Kunst aus Afrika“ oder „afrikanische Künstler*innen“. Was hat eine konzeptuelle Künstler*in aus Luanda mit einer Performance-Künstler*in aus Kairo oder einer Maler*in aus Detroit zu tun, deren Eltern aus Tansania stammen? Natürlich nichts, weil alle aus völlig verschiedenen Kontexten kommen! Trotzdem gibt es immer noch die Tendenz, dieses eine Label zu verwenden, das sie als afrikanische Kunstproduzent*innen beschreibt. Ich vermute, dass man das mit europäischen Künstler*innen nie machen würde. Man würde nicht sagen: Monica Bonvicini und Cyprien Gaillard sind typisch europäische Künstler*innen! Es ist so offensichtlich, sieh dir nur ihre Arbeiten an! Diese Vereinfachung von Kategorien ist auch eine Form von Diskriminierung.
In unserem Umgang mit solchen Diskriminierungen, Exklusionen oder dem Kanon interessiert es uns nicht, diese Begriffe zu dekonstruieren, um neue aufzubringen. Ich würde sagen, unsere Strategie besteht eher darin, darüber hinauszugehen, indem wir genau hinsehen und unsere Praxis ständig reflektieren. Wir verschwenden keine Energie damit, uns an diesen Begriffen abzuarbeiten. Es gibt sie selbstverständlich da draußen, und sie haben einen Einfluss, aber wir behandeln solche Fragen nicht in jedem Text, den wir produzieren. Außerdem ist das für uns immer eine Frage der Perspektive: Wer diskriminiert? Wer wird im Verhältnis zu wem diskriminiert? Wenn man sich beispielsweise die nigerianische Kunstszene ansieht, dann gibt es dort Galerien, Foto-Festivals, Kunstmessen, wohlhabende Sammler*innen, erfolgreiche Künstler*innen und Kurator*innen, die um die Welt reisen. Aber ich glaube, sie würden sich nie von einer „dominanten westlichen Kunstwelt“ eingeschüchtert fühlen. Deswegen ist uns das Thema der Perspektive wichtig, vor allem in der Kunstkritik. Über wen schreiben Kritiker*innen? Schreibt ein weißer oder ein Schwarzer Kritiker über die Ausstellung eines Schwarzen Künstlers? Denn es gibt da selbstverständlich einen Unterschied. Aber was ist Schwarze Kritik, und wie definieren wir sie bei C& aus unserer Perspektive? Uns ist wichtig, dass wir dasselbe Schema auf uns selbst und unsere Entscheidungen als Redakteur*innen unserer Zeitschrift anwenden. Wir schließen uns nicht davon aus. Meine Kollegin Yvette Mutumba und ich haben einen westlichen kunsthistorischen Bildungshintergrund. Das heißt, wenn wir als Schwarze Deutsche eine solche Zeitschrift machen, müssen wir uns bei unserer Auswahl der Inhalte auch fragen, ob es sich um negative oder vielleicht um positive Diskriminierung handelt, wenn wir beschließen, über bestimmte Künstler*innen zu schreiben oder bestimmte Themen zu behandeln. Nur weil wir ein Magazin mit diesem besonderen Fokus machen, befreit uns das nicht von Selbstkritik. Das ist uns enorm wichtig.
Ich glaube, es geht immer darum, sich zu entscheiden – nicht das Wort „afrikanische Kunst“ zu verwenden – und stattdessen von globalen afrikanischen Perspektiven zu sprechen und über Ausstellungen in Dakar, Lubumbashi, San Francisco oder Berlin zu berichten. Mit der Entscheidung, unsere Zeitschrift Contemporary And (C&) zu nennen, wollten wir betonen, dass wir uns in erster Linie mit der zeitgenössischen Praxis von Künstler*innen beschäftigen, die für uns im Mittelpunkt stehen, und dann vielleicht über die Tatsache informieren, dass ihre Eltern aus Tansania kommen oder dass sie seit ihrer Geburt in Kairo leben. Diese Information verweist ausdrücklich auf einen geografischen Kontext, aber es besteht selbstverständlich die Gefahr, dass die Leute anfangen, dich und deine Praxis aufgrund deiner Herkunft in eine bestimmte Schublade zu stecken. Ich mag diese vielsagende Arbeit von Mladen Stilinović, in der es heißt: „Ein Künstler, der kein Englisch kann, ist kein Künstler.“ Die Arbeit ist von 1994, aber heute leider immer noch sehr aktuell! Wenn man keine Möglichkeit hat, diese Sprache zu lernen, hat man auch keinen Zugang zum „globalen Kunstdorf“.
MAX CZOLLEK: Wenn ich meine künstlerischen Strategien auf einen Begriff bringen müsste, würde ich sagen, dass es um den Einsatz ästhetischer Praktiken an der Grenze zu gesellschaftlichen Fragen geht. Gleichzeitig beharre ich darauf, die Kunst als eine Form ernst zu nehmen, die einen spezifischen Sprech- und Handlungsrahmen vorgibt. Der plakative Agitprop-Stil, der in der deutschsprachigen Lyrik der 1970er Jahre vorherrschte und sich bis in die späten 1980er Jahre hielt, interessiert mich nicht. Die Leute sind immer noch traumatisiert von dieser Phase. Diese Banalisierung des Politischen in der Lyrik ist einer der Gründe, warum das Adjektiv „politisch“ so einen schlechten Ruf hat. Aber auch mit Blick auf soziologische Untersuchungen zögere ich, den Begriff „politisch“ auf die Kunst anzuwenden, weil er im Bourdieu’schen Sinne ein ganz spezifisches gesellschaftliches Feld markiert. Ich spreche daher lieber von „gesellschaftsbezogen“.
Um auf deine Frage zurückzukommen: Ich glaube, dass der Begriff „Diskriminierung“ mit dem Begriff „Marginalisierung“ zusammenhängt. Ich definiere die marginale Seite als diejenige, die immer auf Fragen reagiert, vor allem in der Kunst. Man hat ein Adjektiv „x“, das kann jüdisch oder queer oder migrantisch oder postmigrantisch sein, und die dominante Seite erwartet, dass die damit gelabelten Kunstwerke bestimmte Antworten liefern. Für Jüdinnen und Juden bezieht sich diese Erwartung auf ein Sprechen über Antisemitismus, Shoah und Israel. Damit erfüllen sie zugleich eine Rolle im deutschen Gedächtnistheater, das dazu dient, das Selbstbild einer deutschen Gesellschaft zu stabilisieren, die sich für geläutert und moralisch gut hält. Aber auch für (jüdische) Künstler*innen hat diese Funktionalisierung etwas sehr Verführerisches, denn sie ermöglicht einen relativ leichten Zugang zur Kunstwelt und zur Öffentlichkeit, und sie verleiht einem das Gefühl von Bedeutung und Sinn, was die meisten Künstler*innen brauchen.
Ich würde sagen, dass das, was ich mit meinen Freund*innen und Verbündeten tue, eine performative Wirkung hat, die das Niveau dessen, was ich auf intellektueller Ebene analysieren kann, übersteigt. Dabei wird die Frage der Form zentral, denn die ästhetische Manipulation ist das zentrale Instrument, über das wir verfügen, wenn wir Kunst machen. Eine marginale Perspektive als legitime Perspektive in der Kunst zu behaupten, bedeutet nicht nur, sich die Sprache der Dominanzkultur anzueignen, sondern auch, in die Interessenstruktur selbst zu intervenieren, innerhalb derer marginale Perspektiven gewünscht, wahrgenommen und benutzt werden. Mich interessiert dieses chaotische Feld der Aneignung und Projektion. Vor diesem Hintergrund habe ich mit meinen unterschiedlichen Projekten versucht, über die binäre Opposition von kritischer Reflexion und Praxis, Analyse und Aktivismus hinauszugehen – mit der Zeitschrift Jalta, den Arbeiten am Maxim Gorki Theater und meinen lyrischen Arbeiten. Wir versuchen, einen Ort zu definieren, an dem unser theoretisches Wissen in eine kritische Praxis übersetzt wird und der tatsächlich eine praktische Durchführung dieser Übersetzung bedeutet.
Meiner Einschätzung nach tendiert Jalta: Positionen zur jüdischen Gegenwart eher zur intellektuellen Seite dieses Prozesses. Wir haben die Zeitschrift nicht nur gegründet, um innerhalb des Diskurses einen Ort für etwas zu schaffen, das wir „desintegrierte jüdische Perspektiven“ nennen; wir wollten auch eine Art Bezugsrahmen für aktuelles intellektuelles jüdisches Denken generieren. Ein solcher Bezugsrahmen ist entscheidend, um die kritische Praxis, um die es mir geht, zu stabilisieren. Er ist ein Ort, an dem sich ein Netzwerk von Verbündeten und Unterstützer*innen aufbauen lässt.
Das entspricht in vielerlei Hinsicht dem, was Suza und Julia gesagt haben. Es geht nicht nur darum, den Kanon zu kritisieren – das ist oldschool, obwohl es immer noch wichtig ist –, sondern darum, selbst einen Gegenkanon aufzustellen. Das muss nicht explizit sein. Es kann passieren, indem man die marginale Position als das neue cool definiert. Oder als das neue smart.
LANG: Welchen Anteil hat daran das Schreiben oder die Kritik? Denn mir scheint, dass ihr letztlich alle daran glaubt, dass man durch das Schreiben nicht nur eine Perspektive performen, provozieren oder etablieren kann, sondern auch eine Beziehung zu anderen Denkweisen und Themen. Woher kommt dieser Glaube?
CZOLLEK: Dieser Optimismus?
LANG: Ja, diese Frage stellt sich mir im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Printpublikationen. Vor Kurzem ist die letzte Ausgabe von Spex erschienen. Cabinet ist nur noch online verfügbar. Der Modus, in dem ihr drei arbeitet, ist eben nicht das unmittelbare, aufgeregte Hin-und-her-Twittern von Meinungen. Ideen scheinen wichtig zu sein. Beim Schreiben − und besonders in der Kritik − besteht die Möglichkeit einer Übersetzung, die wir beim Chatten so nicht haben. Und das kann auch noch drei Jahre später von jemandem entdeckt werden.
GROSSE: Als wir vor fünfeinhalb Jahren anfingen, hatte die Krise der Printmagazine natürlich schon begonnen. Wir hatten die Vorstellung, dass wir C& online gründen sollten, aber wir waren nie von der Angst motiviert, dass Printmedien verschwinden würden, sondern eher von dem Wunsch, dass uns Menschen rund um den Globus lesen. Wir mögen aber auch Print, deshalb produzieren wir zweimal im Jahr, zu größeren Events, wie der Berlin Biennale, der Dakar Biennale oder der São Paulo Biennale, eine gedruckte Ausgabe. Aber unsere größte Herausforderung ist wirklich die Idee der Diversität, wenn es um die Sichtbarkeit künstlerischer Produktionen aus Afrika und der Diaspora geht, und zwar unabhängig davon, ob das im Printmedium oder digital stattfindet. Wir und andere Leute, die Texte lesen möchten, die aus einer kritischen, über die üblichen Kunstweltzentren hinausgehenden Perspektive geschrieben sind, hatten den Eindruck, dass es da eine Lücke gibt. Deshalb haben wir C& gegründet.
Wenn man sich die Kunstseiten der New York Times, Frieze, Artforum und so weiter ansieht, scheint eine wirklich globale Berichterstattung über die zeitgenössische Kunstproduktion dort nicht im Fokus zu stehen. Wenn man schon von globaler Kunst spricht, warum findet man dann keine regelmäßigen Besprechungen von Ausstellungen in Kairo, Bogotá oder Luanda? Es gibt dort eine umfangreiche künstlerische Produktion, von Künstler*innen geleitete Räume, Museen, Galerien – all das existiert, aber im Feuilleton liest man trotzdem noch polemische Fragen wie: „Gibt es in Afrika eigentlich Museen?“ Das ist offenkundig eine Form von Diskriminierung.
Wir haben seltsamerweise zu einer Zeit angefangen, als der Hype um Kunst aus Afrika etwas überhandnahm, und natürlich fühlt man sich manchmal wie in einer Alibirolle. Aber wir wissen solche Mechanismen zu nutzen, um unsere Projekte zu realisieren und unsere Netzwerke zu erweitern. Wir haben C& als nachhaltiges Projekt gegründet und konzentrieren uns auf Vorhaben, die aus unserer Sicht sonst nicht stattfinden würden.
LANG: Das hört sich so an, als könnte man die Zuschreibung der Alibifunktion – oder die marginale Position, wie Max es nannte – zum eigenen Vorteil nutzen. Das mag ja sein, aber was ist mit der problematischen Struktur von Gruppenbildungen? Anders gesagt, erzeugt man durch den Prozess der Diskriminierung eine Gruppe, die man dadurch gleichzeitig marginalisiert. Was ihr vorhin gesagt habt, Julia und Max, war sehr interessant. Denn es klingt so, als würde man, wenn man diese Antidiskriminierungskämpfe führt, am Ende in der Festlegung solcher Gruppenstrukturen stecken bleiben. So wie du es beschrieben hast, Suza, ist diese Gruppenfrage unproblematisch, weil ihr etwas tut, das immer im Fluss bleibt und deshalb nie zur Entstehung einer definierbaren Gruppe führt.
HUSSE: Es entsteht etwas, das nicht nur einem einzigen Label entspricht, weil diejenigen, die dazu beitragen, ganz unterschiedliche Hintergründe, Erfahrungen, Selbstverständnisse und den Wunsch nach Veränderung mitbringen – so würde ich es formulieren.
Ich habe auch über diese Frage des Schreibens und Publizierens und der Printmedien nachgedacht: Obwohl es ein wichtiger Bereich unserer Aktivitäten ist, fühle ich mich dabei manchmal unwohl, weil es sich immer ein bisschen danach anfühlt, etwas stillzustellen und unsere Arbeit auf eine von vielen möglichen Formen zu reduzieren. Wir haben ein Kollektiv, das sich The Many-Headed Hydra nennt und seit 2016 Teil von District ist. Es arbeitet mit dem Zeitschriftenformat als queeres, hydrofeministisches, dekoloniales und performatives Medium, das uns ermöglicht, Forschung, Mythenbildung, Opazität und Verwicklung zusammenzubringen. Publizieren ist für uns immer auch eine Möglichkeit, Dinge zugänglich zu machen und auf unvorhersehbaren Wegen Beziehungen herzustellen.
LANG: Würdest du also sagen, dass das Ziel der Prozess selbst ist und nicht unbedingt, letztlich eine Publikation in der Hand zu haben? Dass diese nur ein Teil des Ganzen ist?
HUSSE: Ich glaube, dass diese Bücher als Spur wichtig sein werden. Wir interessieren uns für Intersektionalität als Praxis und „Ästhetiken der Transformation“, um einen Begriff von Gloria Anzaldúa zu verwenden, und dafür, welche Formen sie annehmen könnten.
Für mich ist das Nachdenken über den Begriff und die Position der Kritik im Hinblick auf diesen Raum der Ränder oder des Marginalen auch immer mit der Frage verbunden: Wie viel trage ich zur Fortschrittslogik der kapitalistischen Demokratie bei, die auf dem Schema Kritik – Verbesserung – Kritik – Verbesserung – Kritik – Verbesserung beruht? Zusammen mit Elske Rosenfeld haben wir eine Gruppe von Künstler*innen und Autor*innen zusammengebracht, um mit dem Berliner Archiv der verschiedenen oppositionellen Bewegungen in der DDR zu arbeiten. In diesem Archiv gibt es das Archiv Grauzone, das von der Feministin Samirah Kenawi zusammengetragen wurde. Sie war in den verschiedenen Frauen*-, Lesben- und Transgruppen in der DDR aktiv und erzählt 1999 in einem Interview, was in dieser Zeit nach 1989 passiert ist. Die Leute waren überzeugt, dass die alternativen politischen Konzepte, die sie in Opposition zum patriarchalen Totalitarismus der DDR entwickelt hatten, jetzt neue politische Strukturen mitformen würden. Kenawi merkte dann aber zunehmend, dass politisches Organisieren im Kapitalismus von Separatismus, Projektlogik und Bürokratisierung geprägt war, was sie als Dynamiken beschreibt, die Dissidenz und politisches Potenzial marginalisieren. Sie spricht von Marginalisierung im demokratischen Kapitalismus als einem festen Raum der Alterität, der Leuten und Gruppen zugeteilt wird und in dem sie sich isolieren und erschöpfen. Sie hat das so frustriert, dass sie sich aus dem Politischen zurückgezogen hat. Ich denke, es gibt einiges, was für Nicht-Teilnehmen spricht, auch als eine Art, den Mythos politischer Emanzipation zu dekolonisieren. Vor einer Weile habe ich Alanna Lockward über die Künstlerin Teresa María Díaz Nerio sprechen hören, die ihre Praxis dem Bilden einer maroon enclave in Amsterdam widmet. Diese Enklave der Nicht-Partizipation, eine geheime Heilpraxis für dekoloniales Leben und für die Entwurzelung von Gender, scheint ein Weg, um die demokratische Doktrin soziopolitischen Fortschritts aufzugeben.
CZOLLEK: Ich möchte zuerst auf die Print-Frage eingehen. Ich glaube an ein Mixed-Methods-Design. Jede Kunstform hat andere Reichweiten und entfaltet andere Wirkungen auf Menschen. Das Theater kann beispielsweise für den Moment extrem intensiv wirken, aber diese Wirkung ist nicht besonders anhaltend. Wenn derselbe künstlerisch-kritische Impuls jedoch beispielsweise in ein Sachbuch übersetzt wird, kann sie im deutschen Feuilleton einschlagen wie eine Abrissbirne. Ich habe also kein Problem damit, Formen zu verwenden, die manchen überholt erscheinen mögen – wenn man sie mit anderen, aktuelleren Formen kombiniert und wenn sie bewusst eingesetzt werden, um die Ziele zu erreichen, die man erreichen will.
Was ich damit sagen möchte ist, dass Diskriminierung als Gruppenproblem in sehr spezifische Interventionen gegen die Konstruktion des Anderen übersetzt werden muss. Und diese Interventionen finden gleichzeitig auf einer ästhetischen und einer intellektuellen Ebene statt – gleichzeitige Dekonstruktion und Aufrechterhaltung der Differenz. Anstatt also von Postidentitätspolitik oder Postidentitätsästhetik zu sprechen, bin ich dazu übergegangen, diese Strategie als Desintegration zu bezeichnen.
Desintegration bezeichnet das Bestreben, sich von der funktionalen Rolle, die einem als marginalisierte Position und ungeachtet der eigenen Intentionen oder Handlungen zugewiesen wird, zu entkoppeln, sie auszusetzen. Wenn man jüdisch ist und in Deutschland lebt, hat allein die Tatsache, dass man lebendig ist, eine bestimmte ideologische Wirkung auf das deutsche Selbstbild, beispielsweise: Die Deutschen können keine Nazis mehr sein, denn in der NS-Zeit gab es keine lebenden Juden. Nur versteckte Juden, die weder tot noch lebendig sind. Schrödingers Juden. Vor diesem Hintergrund erzeugt deine bloße lebendige Präsenz als Jude/Jüdin einen Raum, der die Aufwertung des deutschen Selbstbildes ermöglicht.
Wie kann man dem entkommen? Man kann das Land verlassen; viele Leute tun das. Oder man beschließt, nicht aus einer jüdischen Position heraus zu sprechen; man zieht sich in ein Versteck zurück, wird unsichtbar, was für Jüdinnen und Juden leichter ist als beispielsweise für eine Person of color. Eine dritte Position hat Hannah Arendt beschrieben, die einmal sagte: „Wenn man als Jude angegriffen wird, muss man sich auch als Jude wehren.“ Das ist der Punkt, an dem man die Dinge, die einem gegeben wurden, annimmt und dadurch anfängt, sie durchzuarbeiten. Das ist natürlich die schwierigste Lösung von allen, denn es bedeutet, dass man sich in den Raum der Ausnutzung durch den Anderen hineinbegeben muss, in dem sein Begehren zunächst dominiert.
Damit möchte ich auf die Frage der kapitalistischen Aneignung und Kompliz*innenschaft zurückkommen. Sicherlich ist die Erzeugung von Unterschieden Teil der kapitalistischen Logik. Aber die Aufrechterhaltung der eigenen Position der Differenz ist gleichzeitig auch oft der erste Schritt, die Logik der Diskriminierung zu bekämpfen. Beide Aussagen sind richtig, und für meine Arbeit ist es zentral, von beiden gleichzeitig auszugehen – nicht nur von der Position des Marginalisierten, sondern auch von der Position des Privilegs, davon, dass ich Ressourcen habe, die ich nutzen kann. Das kann eine Cisgender-Position, eine gute Ausbildung, eine Klassenposition oder ein deutscher Pass sein. Mag sein, dass einem für diese Bereitschaft bereits das Label liberal zugewiesen wird.
Wenn links zu sein allerdings bedeutet, frei von Schuld zu sein, bin ich nicht interessiert. Desintegration verspricht nicht, im moralischen Sinne gut zu werden. Sie bietet weder einem Deutschen noch irgendeinem anderen Subjekt Befreiung von Schuld. Sie strebt vielmehr eine wirksame Intervention an. Und das Feld, auf dem einem die Position des Juden zugeschrieben wird, ist zugleich ein sehr wirksamer Angriffspunkt für eine Gegenintervention – weil man dort die Wünsche aufgreifen kann, die auf einen projiziert werden, und sie in etwas anderes umwandeln kann. Wenn ich zur Desintegration aufrufe, ist damit nicht das Versprechen verbunden, von Schuld befreit zu werden, sondern wirkungsvoll in die Art und Weise zu intervenieren, wie Gesellschaften einen Teil ihrer Mitglieder diskriminieren.
GROSSE: Was das betrifft, machen wir in Gesprächen oder Debatten, beispielsweise bei Jurysitzungen, oft die gleiche Erfahrung. Wenn sich etwa eine junge Künstlerin aus einem afrikanischen Land mit einem Konzept zum Bauhaus bewirbt, das nichts mit Identitätspolitik zu tun hat, sind die Leute ganz enttäuscht.
LANG: Unabhängig davon, welches Modell einem kritischen Projekt im Hinblick auf Strukturen der Differenz, Strukturen sexueller Gewalt oder Marginalisierung zugrunde liegt, braucht man irgendeinen Maßstab. Wie bemesst ihr das, was man als Erfolg oder Produktivität oder Wirksamkeit oder Solidarität bezeichnen könnte? Woher nehmt ihr eure Maßstäbe?
GROSSE: Wir haben angefangen, mit jungen Kritiker*innen aus mehreren afrikanischen Städten zu arbeiten, um sie mit erfahrenen Kritiker*innen zusammenzubringen. Aber wir wollten natürlich nicht internationale Autor*innen von Le Monde oder der Süddeutschen Zeitung einfliegen, damit sie den Youngstern den perfekten „Feuilletonstil“ beibringen. Deshalb arbeiten wir mit versierten lokalen Kritiker*innen aus allen Regionen, um ihnen zuzusehen, zuzuhören und von ihren Sichtweisen zu lernen. Wenn die jungen Kritiker*innen, mit denen wir arbeiten, nicht anstreben, eines Tages im perfekten Stil „westlicher“ Kunstkritik zu schreiben, sondern selbstverständlich ihre ganz eigene Sprache finden wollen, ist das in einem kleinen Maßstab ein Erfolg für uns – diese Konzentration auf die eigene Perspektive.
Ich wollte euch, Suza und Max, fragen, wie wichtig es euch ist, welches Publikum ihr habt. Wir haben höchst zufrieden festgestellt, dass von den Top-Ten-Ländern, in denen C& gelesen wird, mehr als die Hälfte in Afrika sind. Wir haben in Luanda einen sehr bekannten Künstler besucht, der mit Straßenkindern arbeitet, und eines dieser Kinder zeigte ihm ein Bild des Covers unserer Zeitschrift. Das heißt, dass ein achtjähriges Kind seinen ganz eigenen Zugang zu C& und ebenso eine Beziehung dazu hat wie ein 55-jähriger Kurator aus London. Deshalb möchte ich euch fragen, wer eure Leserschaften sind.
CZOLLEK: Es ist wahrscheinlich interessanter, auf diese Frage aus der Position des Künstlers einzugehen. Ich frage die Institutionen, mit denen ich zusammenarbeite, immer danach, was ihr Standardpublikum ist. Es ist entscheidend für mich, das zu wissen. Würde ich für das Deutsche Theater arbeiten, müsste es eine völlig andere Intervention sein, als wenn ich für das Maxim Gorki Theater arbeite. Und sei es nur, weil unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Erwartungen diese Häuser besuchen.
Jemand vom Gorki Theater hat einmal in einem Interview gesagt: „Unser Theater ist nur erfolgreich, wenn wir es schaffen, allen Leuten ans Bein zu pinkeln.“ Etwas, das mich in meiner Arbeit am Theater seit einiger Zeit zunehmend beschäftigt, ist die Frage nach dosierter Verletzung. Gute Kunst bedeutet für mich fast zwangsläufig, auch das Selbstbild der Menschen zu erschüttern, die dort hingehen und meinen, dass sie schon auf der richtigen Seite stehen. Die Art und Weise, wie ich mein Publikum behandeln möchte, ist deshalb nicht die Art und Weise, wie ich es in der Politik behandeln möchte. In der Politik würde ich immer versuchen, Gewalt zu reduzieren. In der Kunst bin ich mir da nicht so sicher. Die Kunst ist ein kontrollierter Raum, in dem man durch die Dosierung der Verletzung, der Gewalt, etwas aufbrechen kann. Und ich glaube, dass es in der Kunst etwas gibt, das auf eine Weise inkorrekt ist, wie es das in der Politik nicht sein kann oder nicht sein sollte. Es ist also sehr wichtig, diese beiden Felder auseinanderzuhalten, weil sie ganz verschiedene Parameter haben und sehr unterschiedlichen ethischen und ästhetischen Regeln unterworfen sind.
LANG: Was passiert denn, wenn es nicht möglich ist, zwischen beidem – dem Ästhetischen und dem Politischen – zu unterscheiden? Das, was du als „dosierte Verletzung“ bezeichnest, beschreibt doch irgendwie auch die derzeitige US-amerikanische Politik.
CZOLLEK: Die wirkt aber nicht besonders gut dosiert! (Lachen)
LANG: Vielleicht ist das ja die Dosierung für Suchtkranke, nicht für Erstkonsument*innen. (Lachen) Ich frage das, weil euer Argument ja gewissermaßen lautet, dass es Räume gibt, in denen bestimmte Dinge möglich sind oder erlaubt sein müssen. Ich frage mich allerdings, welche Langzeitwirkung solche Strategien haben. Der Elefant im Raum ist hier die Entwicklung hin zu einer rechtsgerichteten Politik. Denkt ihr in euren jeweiligen Räumen darüber nach?
GROSSE: Trotz der aktuellen Lage glauben wir doch immer noch an einen positiven Fortschritt, oder? Manchmal sagen wir, dass wir C& in fünf oder zehn Jahren idealerweise nicht mehr brauchen. Das wäre für uns das Szenario einer Erfolgsgeschichte. Wir sind in einer Situation, in der wir versuchen, über etwas hinauszukommen, aber noch mittendrin stecken. In fünf Jahren wird man uns idealerweise nicht mehr brauchen, weil es einfach normal sein wird, dass es eine Gruppenausstellung gibt, bei der man nicht mehr auf Namen und Nationalitäten schaut. In oder außerhalb von Kunstzentren zu sein, wird nicht mehr die Frage sein.
LANG: Ist Kritik ohne einen Raum und ohne Abstand von den aktuellen Krisen möglich? Man kann nicht mitten in einer Notsituation schreiben.
HUSSE: Das muss man aber, glaube ich.
LANG: Und wie macht man das?
HUSSE: Ich halte das für eine vielschichtige Angelegenheit, aber ich bin einigermaßen kritisch, was diese irgendwie ziemlich privilegierte Weltuntergangsperspektive betrifft. Ja, wir befinden uns mitten im Schlamassel, und trotzdem müssen wir was tun. Wenn wir etwas tun, das queer, feministisch, intersektional, künstlerisch oder aktivistisch ist, wird das ständig abgetan. Ich werde darum nicht ausgerechnet heute zulassen, dass es abgetan wird. Im Gegenteil: Ich glaube, dass wir uns gerade jetzt gegenseitig unterstützen und wissen müssen, was an anderen Orten passiert.
Wir haben 2016 mit der Künstlerin Frida Klingberg das Projekt Sauna für Arbeitslose“ realisiert, das im Rahmen des größeren Projekts Undisciplinary Learning. Remapping the Aesthetics of Resistance“ stattfand. Frida fing bei der Frage an, warum es keine Gewerkschaft für Arbeitslose gibt. Warum organisieren sich Menschen mit einem Arbeitslosenstatus nicht als politische Gruppe, die potenziell wirklich groß und vielfältig wäre? Für unser Projekt hat Frida eine sehr heterogene Gruppe von Menschen zusammengebracht, die einander erzählt haben, was sie von unten über die Gesellschaft wissen. So kamen beispielsweise zwei Personen – eine Akademikerin aus Mauritius, die es geschafft hatte, ihr Studium hier selbst zu finanzieren, und dann auf ihrem Gebiet keine Arbeit finden konnte, und ein weißer Mann, der sich in der Gastro-Industrie aufgerieben hatte – gemeinsam zu der Erkenntnis, dass sie fälschlich als depressiv diagnostiziert wurden, als sie noch Arbeit hatten. Aber beide litten an einer ganz anderen Krankheit, für die die deutsche Krankenversicherung keine Behandlungskosten übernimmt, wenn sie nicht bereits diagnostiziert wurde. Beide wurden falsch behandelt, was ihren Zustand verschlechterte und tatsächlich eine Depression auslöste. Plötzlich gab es diesen Moment der Erkenntnis, was eigentlich los war, und dass sie nach einem bestimmten Schema in die Prekarität gedrängt wurden und im Arbeitslosenregime lebten.
CZOLLEK: Ich glaube, dass diese letzten Punkte unsere Diskussion gut auf den Punkt bringen. Was wir tun, geht nicht nur aus von einem Kontext, was extrem wichtig ist, sondern beruht auch auf unserer Fähigkeit, diesen Kontext zu analysieren. Die Analyse ist der Punkt, der es uns ermöglicht, nicht nur die Aspekte erkennen zu können, die problematisch sind, sondern auch die Orte und Strategien zu identifizieren, an denen eine Intervention ansetzen muss. Das ist der Grund, weshalb wir auf Theorien und Recherchen angewiesen sind. Weshalb wir so viel Energie in die Analyse stecken. Weil diese Analyse ausschlaggebend sein wird für die Qualität unserer künstlerischen Interventionen.
Der Begriff der „Solidarität“ erlebt gerade eine Renaissance. In der aktuellen Ausgabe von Jalta zum Thema „Gegenwartsbewältigung“ haben wir dazu auch einen Artikel von Deniz Utlu veröffentlicht. Der Autor schlägt die Idee einer empathischen Solidarität vor, die nicht nur strategisch in dem Sinne ist, dass beide Seiten von der Solidarität profitieren. Die Beschneidungsdebatte in Deutschland vor ein paar Jahren wäre ein gutes Beispiel dafür: Sie betrifft die muslimische und die jüdische Seite gleichermaßen, deshalb kämpfen beide gegen ein Gesetz, das die Beschneidung verbietet. Deniz fordert, dass die jüdische und die muslimische Seite darüber hinaus auch ein Gefühl der empathischen Solidarität entwickeln, ein Verständnis der Notwendigkeit gegenseitiger Unterstützung, um so die eigene dauerhafte Präsenz in diesem Land zu ermöglichen.
Und zu deiner letzten Frage, in welcher Situation wir uns gerade befinden: Ich würde sagen, dass der Kampf noch nicht verloren ist. Und weil er noch nicht verloren ist, halte ich weiter an meinen ästhetisch-intellektuell-politischen Strategien fest. Ich weiß allerdings nicht, ob wir diesen Kampf gewinnen werden. Ich sage nur, dass wir ihn noch nicht verloren haben.
LANG: Ich glaube, das ist ein großartiger Schlusssatz. Danke euch, Suza, Julia und Max.
Übersetzung: Barbara Hess