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Isabelle Graw

DAS GEHÖRT MIR! Überlegungen zu Eigentum und Wert in künstlerischer Produktion

Theaster Gates, „Stony Island Arts Bank“, 2012

Theaster Gates, „Stony Island Arts Bank“, 2012

Mit dem englischen Begriff „Property“ werden im Deutschen sowohl Besitz als auch Eigentum bezeichnet. Zwischen Besitzer*innen und Eigentümer*innen kann sich auch in der künstlerischen Produktion eine Kluft auftun, da das „geistige Eigentum“ der Künstler*innen häufig in den Besitz von anderen übergeht. Isabelle Graw zeichnet Künstler*innen in puncto Besitz und Eigentum als gespaltene Figuren: Einerseits ähneln sie dem Privateigentümer, wie ihn Marx beschreibt. Andererseits sind sie im 20. Jahrhundert immer wieder als nicht über sich selbst verfügende, enteignete Subjekte aufgetreten. Für Praktiken, die um Fragen des Eigentums kreisen, bedeutet dies Graw zufolge, dass sie durchaus in die Besitzverhältnisse intervenieren und diese verändern können. Zugleich bleiben sie innerhalb einer Wertsphäre situiert, die ihre Kritik an der Eigentums- und Besitzlogik der Kunst zu integrieren versteht.

1. EIGENTUM VERSUS BESITZ

Werke der bildenden Kunst können in zweifacher Hinsicht „Eigentum“ sein: Entweder es sind ihre Urheber*innen – die Künstler*innen –, die wie Eigentümer*innen eine umfassende Sachherrschaft über sie beanspruchen, dies allerdings in der Regel nur für einen begrenzten Zeitraum. [1] Oder aber die Arbeiten der Künstler*innen sind in den Besitz von anderen, zumeist Privatsammler*innen oder Museen übergegangen, die sie ebenfalls zu ihrem Eigentum erklären. Wobei Besitz und Eigentum rechtlich gesehen nicht in eins fallen. Wer etwas besitzt, muss nicht notwendig dessen Eigentümerin sein, was der in diesem Zusammenhang oft zitierte Unterschied zwischen Mieter*innen und Eigentümer*innen illustriert. Die Mieter*in ist zeitlich begrenzt als Besitzer*in ihrer Wohnung anzusehen, als deren Eigentümer*in jedoch jemand anderer fungiert. Auch in der bildenden Kunst können Besitz und Eigentum auseinandertreten: So haben Künstler*innen zwar seit dem 18. Jahrhundert ein Recht auf „geistiges Eigentum“ an ihrem Arbeitsprodukt, letzteres geht jedoch häufig in den Besitz eines anderen über. Mehr noch: Für diese neue Besitzer*in ist es von zentraler Bedeutung, dass ihre Erwerbung auf eine (idealiter) namhafte Schöpfer*in zurückgeht. Ihr Eigentum setzt gewissermaßen das geistige Eigentum der Künstler*in voraus, weshalb Kunstwerke gleich doppelt als Eigentum markiert sein können. Sie verkörpern gewissermaßen die Zuspitzung der Eigentumslogik. Ihre Zuschreibbarkeit auf eine Urheber*in bildet dabei die Voraussetzung dafür, dass ihr Besitz überhaupt erstrebenswert erscheint. Als Wertdinge können Kunstwerke nur dann zirkulieren, wenn sie nachweislich auf eine singuläre Autorinstanz rückführbar sind. [2]

2. DUCHAMPS MONTE CARLO BOND ALS URSZENE KÜNSTLERISCHER EIGENTUMS- UND WERTKRITIK

Nun hat es im 20. Jahrhundert zahlreiche künstlerische Arbeiten gegeben, die um die besonderen Eigentums- und Wertverhältnisse in der bildenden Kunst kreisen. Als Urszene der Eigentums- und Wertreflexion wird in diesem Zusammenhang gern auf Duchamps Monte Carlo Bond (1924) verwiesen – eine Arbeit, die tatsächlich exemplarisch für den Versuch steht, die Eigentumsrechte des Künstlers dergestalt auszuweiten, dass dieser über den Marktwert seines Objekts auch dann noch verfügt, wenn es längst in Fremdbesitz übergegangen ist. Der Besitzer*in dieses Dokuments, das in ästhetischer Hinsicht zwischen Wertpapier und Duchamp-Porträt oszilliert, wurde ein Anteil von 20 Pozent am Gewinn in Aussicht gestellt, den Duchamp beim Roulettespiel in Monte Carlo mithilfe eines Systems erzielen wollte. [3] Duchamp trieb diesen Gewinn jedoch nicht ein, was den buchstäblich spielerischen Charakter seiner Arbeit unterstreicht. Wie sehr die Transaktionen des Kunstmarkts einem Glücksspiel gleichen, ist in diesem Bond ebenfalls sinnbildlich festgehalten. Vergleichbar der Aktie ist er zunächst einmal darin, dass sein Wertzuwachs in hohem Maße von den Spielzügen seines Ausgebers abhängt. Nur nimmt sich Duchamp die Freiheit – und dies im Unterschied zu einem DAX-Unternehmen –, die Spekulationslogik seines Papiers ad absurdum zu führen. Indem er den Gewinn gar nicht erst einspielte, nahm er für seinen Bond die seit dem 18. Jahrhundert für Kunstwerke reklamierte „Zweckfreiheit“ in Anspruch. Dass es Duchamp selbst ist, der für die zukünftigen Erträge seiner Aktie persönlich einsteht, ist auch visuell in ihm festgehalten, und zwar in Form des abgebildeten Duchamp-Porträts von Man Ray. Es zeigt Duchamp als rasierschaumverschmierten Minotaurus, ein Mischwesen, das für die Glaubwürdigkeit dieses Papiers symbolisch einstehen soll. In demselben Maße, wie uns dieses Dokument an das Wert bildende Potenzial einer namhaften Künstlerpersönlichkeit erinnert, wird letztere als wenig glaubwürdig, weil Eindeutigkeit verweigernd, dargestellt. Wer diesem Mann sein Geld anvertraut (respektive die 500 Francs, die die Anleihe kostete), geht ein beträchtliches Risiko ein, das in dem betont unseriös wirkenden Duchamp-Porträt anklingt. Zugleich sehen wir uns mit der Idee eines ausgesprochen handlungsmächtigen Künstlers konfrontiert: im Monte Carlo Bond ist er als jemand konzipiert, der in die Wertform seines Produkts zu intervenieren vermag. Denn es ist Duchamp, dessen Spielverweigerung die Spekulationslogik seines Papiers aushebelt.

Indessen ist dieses Dokument alles andere als ein wertloses Papier. Im Gegenteil: Eben weil diese Arbeit auf einen damals schon legendären Künstler namens Duchamp zurückgeht, ist sie inzwischen, auch im Zuge der gestiegenen Reputation Duchamps, zu einer Ikone der Wertreflexion aufgestiegen, die im Jahre 2013 bei Christie’s entsprechend für eine hohe Summe versteigert wurde. [4]

Marcel Duchamp, Man Ray, „Monte Carlo Bond“, 1924

Marcel Duchamp, Man Ray, „Monte Carlo Bond“, 1924

3. EIGENTUM ALS DIEBSTAHL?

Zu einem Wertding steigen künstlerische Arbeiten unter der Bedingung auf, dass sie als das originäre Produkt einer singulären Schöpfer*in innerhalb einer Wertsphäre (dem Kunstmarkt) zirkulieren. Als Autorschaftsnachweis in diesem Rahmen fungiert die Signatur; sie verweist nicht nur auf die Person der Autor*in, sondern bindet Werk und Autorin zugleich eng aneinander. [5]

In den Kategorien des Eigentums formuliert, kommt die Signatur der Erhebung eines Anspruchs gleich, der mir für Eigentumsbehauptungen generell charakteristisch zu sein scheint. Denn damit Eigentum entstehen kann, muss es als solches auch markiert und deklariert worden sein. [6] Wobei die Deklaration dieses Anspruchs strukturell gesehen auf Kosten all derer geht, die ihn nun nicht mehr erheben können. Hinter jeder anerkannten Autor*in stehen somit all jene, die ihre Stimmen an dieser Stelle nicht erheben konnten oder deren Stimmen überhört, ausgegrenzt und ignoriert wurden. Autorschaft setzt eine Freiheit voraus, über die nicht jede*r verfügt. [7]

Die Signatur ist deshalb nicht nur ein rhetorisches Signal, mit dem Künstler*innen ihre Urheber- und Autorschaft bekanntgeben. Mit ihrer Hilfe werden die Produkte ihrer Arbeit auch zu etwas ursprünglich ihnen Gehörendem erklärt – eine Anmaßung, die einerseits notwendig erscheint, weil es ohne sie kein Copyright gäbe. Andererseits geht der legitime Besitzanspruch, den wir auf die Früchte unserer Arbeit erheben, strukturell gesehen auf Kosten all jener, denen die sozialen Voraussetzungen für das Reklamieren eines solchen Besitzanspruchs fehlen. Schon der im geistigen Eigentum angezeigte Besitz würde demnach eine latente Form jenes „Diebstahls“ umfassen, den Pierre-Joseph Proud­hon mit seiner berühmt gewordenen Formel „Eigentum ist Diebstahl“ anprangerte. [8] Obwohl Proudhons schlichte Gleichsetzung aus heutiger Sicht wenig differenziert anmutet, lässt sie uns doch aufmerksamer dafür werden, dass auch im Zuge von künstlerischen Aneignungen etwas weggenommen werden kann. [9] Dass geistiges Eigentum nicht unschuldig ist, bedeutet jedoch meines Erachtens nicht, dass Künstler*innen die Besitzansprüche an ihren Produkten oder Ideen gänzlich fallen lassen sollten. Denn erstens zeigt die Erfahrung, dass Besitz-und Wertproduktion in der Kunst so funktionieren, dass noch jene Versuche, sie zu untergraben, von ihnen eingeholt werden. Zweitens ginge man mit dem Verzicht auf den in der Autorschaft eingelassenen Besitzanspruch in einem kapitalistischen System das Risiko ein, dass die eigene Arbeit als solche verkannt und unbezahlt bleibe – der Selbstausbeutung wären also keine Grenzen mehr gesetzt. Und drittens verbleibt auch ein verbalradikalistisch verkündeter Ausstieg aus der Wertsphäre innerhalb von ihr, jedenfalls solange, wie Künstler*innen im Rahmen eines kapitalistischen Wertesystems operieren.

4. EIGENTUMSLOGIK HOLT AUTORKRITIK EIN

Tatsächlich haben die autorkritischen künstlerischen Strategien des 20. und 21. Jahrhunderts das im Autorprinzip tief eingelassene Besitzdenken nicht auszuhebeln vermocht. Man denke in diesem Zusammenhang etwa an Strategien der Anonymität, wie sie z. B. bei Banksy zu finden sind, die das Besitzverhältnis zwischen Autor und Werk keineswegs gefährden. Im Gegenteil sind es die Spekulationen über die wahre Identität dieses Künstlers, die das mediale Interesse an seinem Produkt noch beflügelt haben. Der Name „Banksy“ sorgt außerdem dafür, dass das darunter firmierende Produkt an einen Autor gekoppelt bleibt. Es gehört ihm – auch wenn wir nicht wissen, wer sich hinter „Banksy“ verbirgt. Für die zahlreichen Künstlerkollektive, die in den 1980er, 1990er und 2000er Jahren entstanden sind, von General Idea über Clegg & Guttmann bis hin zu Reena Spaulings und Claire Fontaine, gilt ebenfalls, dass sie den der Autorschaft impliziten Besitzanspruch nicht außer Kraft zu setzen vermochten. Es ließe sich vielmehr die These aufstellen, dass Kollektive und Kooperationen das Autorprinzip noch potenzieren, da sie wie Metasubjekte wahrgenommen werden, die ein „Mehr“ an Austausch und lebendiger Arbeit verheißen, was ihre Attraktivität steigert. [10] Rückblickend muss auch für die vielfältigen Formen autorkritischer Verfahren seit der Nachkriegszeit festgestellt werden, dass sie den Besitzanspruch der Künstler*innen an ihrem Produkt letztlich nur erweitert und re-formatiert haben. Wenn etwa das auktoriale Künstlersubjekt durch aleatorische und später algorithmische Systeme ersetzt wurde, wie in den Arbeiten von Ellsworth Kelly und später bei Cheyney Thompson, dann kam dies einer Verschiebung der Autorschaft auf ein System gleich, die stets ihren Urheber*innen gutgeschrieben wurden. Sich einer externen Instanz zu überlassen, weist die Künstler*in als ein besonders potentes Autorsubjekt aus. Dies gilt auch für das Delegieren des Malprozesses an Assistent*innen oder Mitarbeiter*innen – ein Verfahren, das heute weit davon entfernt ist, das Prinzip „Autorschaft“ samt seiner Eigentumsbehauptung zu gefährden. Während sich Andy Warhol in den 1960er Jahren noch genötigt sah, den Käufern seiner Siebdruckpor­träts zu versichern, dass er (und nicht Brigid Polk) sie eigenhändig gemalt habe [11] , können Künstler*innen wie Sarah Morris oder Eliza Douglas inzwischen dank des Conceptual Turn ihre Bilder von anderen malen lassen, ohne dass dies deren Glaubwürdigkeit gefährden würde. Wer heute das Modell des Artist as Entrepreneur für sich in Anspruch nimmt, sieht sich allerdings mit dessen Fallstricken wie Ausbeutung oder schlechte Bezahlung der Mitarbeiter*innen konfrontiert. Der Preis für den Abschied vom romantischen Künstlerideal ist hier in der mimetischen Angleichung der Künstler*in an einen kapitalistischen Unternehmer zu sehen.

5. KÜNSTLER*INNEN ALS PRIVATEIGENTÜMER*INNEN

Der aus der Autorschaft resultierende Besitzanspruch ist also Segen und Fluch zugleich. Dass Künstler*innen für die aus ihrer Arbeit resultierenden materiellen und immateriellen Erzeugnisse einen Eigentumsanspruch erheben, erscheint so legitim wie problematisch. Denn dieser Anspruch bedeutet letztlich auch, dass Künstler*innen dem Typus des Privateigentümers im Sinne von Karl Marx gleichen. [12] So wie die Privateigentümer*in ließen sich auch Künstler*innen als Personen beschreiben, die über die äußeren Bedingungen ihrer Arbeit weitgehend verfügen. Der Zusatz weitgehend ist hier allerdings entscheidend. Anders als Lohnarbeiter*innen und auch im Unterschied zur Kreativarbeiter*in heutiger Prägung können Künstler*innen zwar über das aus ihrer Arbeit resultierende Produkt verfügen – mehr noch: es gehört ihnen – , aber eben nur bis zu dem Moment, wo es entweder einer Galerie in Kommission gegeben oder verkauft wird. Und ab diesem Zeitpunkt löst sich das Kunstwerk von ihnen ab ,um zugleich auf sie verwiesen zu bleiben. Sie sind also Privateigentümer*innen der besonderen Art. Aber insofern als Privateigentum nach Marx Herrschaftsverhältnisse impliziert, wären bildende Künstler*innen aus dieser Sicht strukturell gesehen eher auf der Seite der Herrschenden anzusiedeln. Zugleich muss aber auch in gegenwartsdiagnostischer Hinsicht eingeräumt werden, dass die äußeren Bedingungen künstlerischer Produktion seit den 1960er Jahren zunehmend vom Markt bestimmt werden. Man denke in diesem Zusammenhang nur an den gestiegenen Konkurrenzdruck in einer globalen Ökonomie, an die normative Kraft des Markterfolgs in einer Wettbewerbsgesellschaft oder an die Präsenzpflicht in den sozialen Medien, wo alles und jedes auf eine ausgesprochen personalisierte Weise vermarktet wird.

Künstlerische Praxis unterliegt folglich in zunehmendem Maße der Fremdbestimmung, und dies, obwohl sie im Vergleich zur allgemeinen Arbeit immer noch verhältnismäßig selbstbestimmt erscheint. [13] In den letzten Jahren ist auf diese Angleichung von künstlerischer und allgemeiner Arbeit vor allem in den Sozialwissenschaften, aber auch in der Kunsttheorie aufmerksam gemacht worden. [14] Der Befund lautet hier, dass die Kreativsubjekte inzwischen in den Unternehmen sitzen und dass umgekehrt ökonomisches oder genauer: spekulatives Denken längst die Künstlerateliers regiert. [15] So wichtig es auch erscheint, diesen Überlagerungen zwischen künstlerischer und allgemeiner Arbeit nachzugehen, ist m. E. doch mindestens ebenso wichtig, die nach wie vor existierenden Differenzen zwischen ihnen festzuhalten. Schließlich können Künstler*innen, und zwar anders als Kreativarbeiter*innen, einen, wenn auch zeitlich begrenzten, Besitzanspruch an ihrem Produkt erheben. Und selbst wenn dieses Produkt in andere Hände übergeht, bleibt es doch auf seine Urheber*in verwiesen, der diese Enteignung zudem in der Regel mit Geld versüßt wird. Von derartigen Privilegien kann die Kreativarbeiter*in nur träumen, da sie sich von dem aus ihrer Arbeit resultierenden Produkt gänzlich abgetrennt sieht.

6. BESITZVERLUST UND KONTROLLFANTASIEN

In demselben Maße, wie Künstler*innen als Privateigentümer*innen über ihr Arbeitsprodukt verfügen, verlieren sie aber auch die Kontrolle darüber. So können z. B. Sammler*innen es im Prinzip handhaben, wie sie wollen, sobald es in ihrem Besitz ist. Sie können es im schlimmsten Fall „flippen“, also sogleich mit Gewinn weiterverkaufen, auf Auktionen geben, es in Ausstellungen ungefragt präsentieren oder es nach Belieben in einem feuchten Keller lagern. Wobei die Galerist*innen natürlich in der Regel darauf achten, dass ihre Käufer*innen in dem Ruf stehen, verantwortlich mit ihren Akquisitionen umzugehen. In jedem Fall tritt zum Zeitpunkt des Erstverkaufs ein weitgehender Kontrollverlust aufseiten der Künstler*innen über ihr Arbeitsprodukt ein, gegen den sich vor allem in den 1970er Jahren in den USA massiv Widerstand regte. Den wohl bekanntesten Versuch, die verlorene Kontrolle über das verkaufte Kunstwerk wiederzuerlangen, stellt Seth Siegelaubs „The Artist’s Reserved Rights Transfer and Sale Agreement“ dar, ein 1971 aufgesetztes Vertragswerk, dass jede Künstler*in beim Erstverkauf ihrer Arbeit von ihrem Galeristen und Sammler unterschreiben lassen sollte. Zentral an dieser Vereinbarung war die Teilhabe der Künstler*in an jeder der aus Weiterverkäufen resultierenden Wertsteigerungen: Laut Vertrag sollten die Künstler*innen jedes Mal 15 Prozent der Wertsteigerung erhalten. Die unterschreibende Sammler*in oder Galerist*in verpflichtet sich zudem, die Künstler*in von jeder Ausstellung ihres Werkes zu unterrichten, während letzterer umgekehrt das Recht zugestanden wurde, ihr Werk bei Bedarf auszuleihen. Um den Galerist*innen die Sache schmackhaft zu machen, wurde den Künstler*innen geraten, sie an der 15-prozentigen Wertsteigerung prozentual zu beteiligen. Nicht nur Verkäufe, auch Geschenke oder die zwischen Künstler*innen häufig getauschten Kunstobjekte waren in dieser Regelung einbegriffen, was einmal mehr beweist, dass sich die Gabe der Sphäre der Ökonomie und des Tauschs nicht so einfach entziehen lässt. [16] Gaben verändern die Wertsphäre zwar durch ihre Überbietungslogik, die manche in den kompletten Ruin getrieben hat; die der Gabe innewohnende Akzentverschiebung vom materiellen zum spirituellen Reichtum führt jedoch schon deshalb nicht aus dem Wertesystem heraus, weil sie Reziprozität verlangt und in einen wechselseitigen Austausch eingebunden bleibt, wie Marcel Mauss in seiner Untersuchung außereuropäischer Gesellschaften gezeigt hat. [17]

John Baldessari, „Cremation Project“, 1970

John Baldessari, „Cremation Project“, 1970

In der Praxis ist Siegelaubs Versuch, die informelle Ökonomie der Kunstwelt auf eine vertragliche Basis zu stellen und zu regulieren, jedoch gescheitert. Die geringe Resonanz auf diesen Vertrag lässt sich mit der notorischen Abwehr der Akteur*innen des Kunstmarkts gegen jeden Regulierungsversuch erklären. Eine Kunst, die „frei“ sein soll, darf keiner Regulierung unterliegen. Wohl kaum eine Sammler*in möchte ihre Rechte an dem jüngst erworbenen Kunstwerk derart eingeschränkt wissen. Auch unter Künstler*innen hat sich dieser Vertrag nicht durchzusetzen vermocht, meines Wissens nutzt ihn heute nur noch Hans Haacke. Dass Galerist*innen sich auf diesen Vertrag nicht eingelassen haben, erklärt sich von selbst: Mit ihm liefen sie Gefahr, den ohnehin prekären Deal sofort zum Platzen zu bringen. Zuletzt sind es auch die seinen Unterzeichner*innen auferlegten administrativen Verpflichtungen, die aufgrund ihres zeit- und kostenintensiven Charakters sicherlich abschreckend gewirkt haben.

Darüber hinaus besteht ein grundlegenderes, gleichsam subjekttheoretisches Problem dieses Agreements meiner Meinung nach darin, dass es das Ideal eines über sich selbst und über die Zirkulation seiner Arbeit verfügenden Künstlersubjekts anstrebt. In Wahrheit ist ein solches Subjekt, das „in control“ ist, schon aus psychoanalytischer Sicht eine Fiktion. Das Subjekt ist schließlich Freud zufolge gerade nicht Herr (oder Frau) im eigenen Haus, weil es sein Unbewusstes nicht zu kontrollieren vermag. Zwar kann natürlich auch eine nicht über sich selbst verfügende Künstler*in in die Marktlogik eingreifen. Aber das Marktgeschehen wird ihr zugleich immer auch entgleiten, vergleichbar ihren „Ichgrenzen“, die nach Freud ebenfalls unbeständig sind. [18]

Aus dieser Sicht stellt das ­Agreement eine Kontrollfantasie dar, die die Handlungs­möglichkeiten der einzelnen Künstlerin grenzenlos über- und die Macht der Marktstrukturen unterschätzt. Die Einzelne vermag diese Strukturen nicht gänzlich auszuhebeln, auch nicht mithilfe eines Vertrags. Womöglich wäre es sinnvoller gewesen, auf eine Veränderung der Strukturen abzuzielen, statt eine Kontrolle von Vertrieb und Zirkulation in Aussicht zu stellen, die nicht zuletzt deshalb Wunschdenken bleiben muss, weil sie ein voluntaristisches Subjekt voraussetzt.

7. KÜNSTLER*INNEN ALS ENTEIGNETE BESITZINDIVIDUALIST*INNEN

Insofern Künstler*innen keine vollständige Kontrolle über sich oder den Verbleib ihres Werkes haben, könnte man sie als „enteignete Besitzindividualist*innen“ charakterisieren. Mit Besitzindividualismus ist jener stark auf Besitz ausgerichtete Individualismus gemeint, dessen Entstehung C. B. Macpherson zufolge auf das 17. Jahrhundert zurückgeht. [19] Mit dem Glauben an den Wert und die Rechte des Individuums wäre in den damaligen liberalen politischen Theorien die Annahme einhergegangen, dass dieses Individuum die Eigentümer*in ihrer Person sei. Macpherson beschreibt, wie der Besitz in die Natur des Individuums zurückverlegt und dadurch naturalisiert und legitimiert wurde. Wenn nämlich Individuen als über sich selbst verfügend definiert werden, dann erscheinen sowohl das Phänomen des Besitzes als auch der Drang, etwas besitzen zu wollen, als etwas ganz Natürliches, etwas, das sich aus ihrem Individuum-Sein notwendig ergibt.

Theaster Gates, „Dorchester Projects, Chicago“, 2012

Theaster Gates, „Dorchester Projects, Chicago“, 2012

Nun haben Künstler*innen mit diesem besitz­individualistischen Subjekt, wie bereits angedeutet, gemein, dass sie im Vergleich zur Lohn-und Kreativarbeiter*in mehr Verfügungsmacht über ihre Arbeit und damit auch über sich selbst haben. Doch in demselben Maße, wie Künstlersubjekte den Prototyp eines liberalen Subjekts darstellen, sind sie vor allem im 20. Jahrhundert auch als massiv entfremdete Subjekte aufgetreten, deren Arbeitsbedingungen zudem von äußeren ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen zunehmend durchquert wurden. Als Beispiel könnte man hier auf die historischen Avantgarden verweisen, etwa auf den Surrealismus, der sich auf Fremdbestimmtheits- und Entfremdungserfahrungen berief, etwa im Modell der Écriture automatique. Mit diesem Verfahren zielten zumeist männliche Künstler wie Breton oder Éluard darauf, sich programmatisch einer externen Instanz zu überantworten, also eine Form der Selbst-Enteignung zu betreiben. Als Projektionsfläche dieses neuen Bewusstseins diente allerdings häufig die Frau, so etwa in Bretons Nadja (1928). Der Selbstverlust des Künstlers hatte hier ein Frauenopfer zur Voraussetzung; denn Nadja litt stellvertretend für den Verfasser an Ich-Verlust und Desorientierung. Insofern es der Strom des Unbewussten sein sollte, der dem Praktizierenden einer Écriture automatique die Sätze diktierte, verfügte dieser zwar nicht mehr vollständig über sich, sondern lieferte sich gezielt einem Anderen aus. Doch dieses Andere musste für die Selbstüberschreitung eben auch herhalten.

Die zahlreichen Versuche von Maler*innen der Zeit, die Kontrolle über die Entstehung ihres Bildes abzugeben, indem sie andere signieren und die Leinwand füllen ließen, wie exemplarisch in Picabias L’Oeil Cacodylate (1921) geschehen, zeugen ebenfalls von einer solchen Versuchsanordnung, bei der die Künstler*in die Kontrolle gezielt aufgibt und sich anderen überlässt – allerdings zu ihren Bedingungen. Es bleiben nämlich in all diesen Fällen die Künstlersubjekte, die die Parameter (und Grenzen) ihrer Enteignung festgelegt haben. Noch jede der genannten Versuchsanordnungen geht einmal mehr auf die Initiative einer Urheber*in zurück und wird ihnen entsprechend verbucht. Die Besitzlogik greift also auch hier. Bedeutet dies, dass sich der Eigentumslogik in der bildenden Kunst letztlich nicht entkommen lässt? Und wie ließen sich die Eigentumsverhältnisse unter dieser Voraussetzung anders gestalten?

8. ZWISCHEN EIGENTUMSVERNICHTUNG UND WERTVERSCHIEBUNG: BALDESSARI UND FRASER

Zuletzt möchte ich exemplarisch vier künstlerische Strategien umreißen, die auf eine Veränderung der Eigentums-und Wertverhältnisse zielen, ohne dabei jedoch ein imaginäres Jenseits der Wertsphäre anzustreben. Als Beispiel für den Versuch einer letztlich auf Wertsteigerung hinauslaufenden Form der Eigentumsvernichtung wäre Baldessaris Cremation Project (1970) zu nennen: Die Verbrennung seiner zwischen 1953 und 1966 erfolgten Bildproduktion wurde hier in der Ästhetik der frühen Conceptual Art als ein Ritual inszeniert. [20] Trotz der faktischen Vernichtung geistigen Eigentums sorgten fotografische Dokumentation und Relikte der Aktion (eine grabsteinartige Plakette sowie die in der Ausstellung „Software“ [1970] gezeigte Urne mit der Asche der verbrannten Bilder) dafür, dass sich der Wert an diesen materiellen Objekten nach wie vor festmachen konnte. Die Verbrennungsaktion wurde zudem in Form einer Todesanzeige in einer Zeitung (der San Diego Union) bekannt gegeben, wobei der symbolische Tod des „alten“ Baldessari die Voraussetzung für seine Wiedergeburt als ein geläuterter Conceptual Artist war. Er wechselte gewissermaßen von einem Typus des Eigentümers zum anderen. Mithilfe der Eigentumsvernichtung behauptete der Künstler somit ein neues Selbstverständnis, das alles Vorherige hinter sich zu lassen vorgab. Mit der Radikalität dieser Vernichtungsgeste hat Baldessari seine alte Identität buchstäblich auszulöschen versucht, so als könne man seiner Geschichte entkommen. Der inszenierte Bruch ließ die zukünftige Produktion glaubwürdiger und damit eben auch potenziell Wert generierend erscheinen.

Andrea Fraser, „Official Welcome“, San Francisco Museum of Art, 2012, Performance

Andrea Fraser, „Official Welcome“, San Francisco Museum of Art, 2012, Performance

Mit einem weitgehenden Verzicht auf Wert generierende Produkte wird gewöhnlich die Performance Art assoziiert, wobei künstlerische Performances bei näherer Betrachtung (siehe Baldessari) trotz ihres ephemeren Charakters zumeist für Relikte oder fotographisch/filmische Dokumentationen, also „Wertdinge“ sorgen. Dies gilt auch für Andrea Fraser, nur dass in ihrem Fall jenseits der Videodokumentationen ihrer Performances kaum materielle Arbeiten unter ihrem Namen auf dem Markt zirkulieren. Ihre Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Galerien hat sie angeblich seit dem Jahr 2011 eingestellt, was ihr Desinteresse an dieser Form der kommerziellen Distribution belegt. [21] Ihre Arbeit situiert sich in einer anderen ­Wertsphäre, der der Wissensproduktion, die zwischen Museen, Symposien, Ausstellungen und Verlagen und nicht in der Auktionssphäre oder auf den Kunstmessen angesiedelt ist. An die Stelle eines Wert bildenden Produkts, sind in ihren Performances ihre Persona, aber auch ihr Körper getreten. Entsprechend ist eine gewisse Fixierung der Rezeption auf ihre körperliche Erscheinung zu konstatieren; symptomatisch hierfür war zuletzt ein Feature des New York Times Style Magazine, in dem anerkennend festgestellt wurde, dass Frasers Gesicht beinahe faltenfrei sei. [22] Entscheidend ist jedoch, dass Frasers Körper nicht als eine stumme Kreatur in Erscheinung tritt, wie etwa bei Anne Imhofs Performer*innen der Fall. Fraser hat ihre Persona von Anfang an als eine Diskurs produzierende Intellektuelle, als eine institutionskritisch geschulte Sozialkritikerin inszeniert. Indem sie eine Brücke zwischen Körper und Geist schlug und ihre Performances in der Museumswelt situierte, sorgte sie zudem dafür, dass ihre Kritik am Glaubens- und Wertesystem des Kunstbetriebs dort deponiert wurde, wo sie hingehört. Dass ihr Körper in ihren Performances als eine Wert generierende Ressource fungiert, wird in ihnen selbst sichtbar, am eindrücklichsten wohl in der Performance Official Welcome (2001/2003), bei der Fraser nicht nur die Sprachspiele der Kunstweltakteur*innen buchstäblich auf sich nahm, sondern am Ende strippte und im knappen Gucci-Bikini auftrat. Dieser Striptease ließ keinen Zweifel daran, dass es in Performances, zumal von Künstler*inen*, traditionell der weibliche Körper ist, der zu Markte getragen wird und die Rolle eines Wertobjekts spielt. Der weitgehende Verzicht auf Wert generierende Produkte läuft bei Fraser also keineswegs auf eine Negation der Wertform der Kunst, sondern auf deren Verschiebung auf den Körper der Künstlerin hinaus. Da dieser Körper jedoch auch wertkritische Überlegungen in die Wertsphäre einschleust, lässt er sich nicht auf seine bloße Körperlichkeit reduzieren. Speziell mit ihrem jüngsten Buch 2016 in Museums, Money, and Politics (2018) intervenierte Fraser zudem unmittelbar in die Wertsphäre US-amerikanischer Museen. Mithilfe von Statistiken wurde hier nämlich nachgewiesen, dass ein hoher Prozentsatz an Trump-Unterstützer*innen in den Boards US-amerikanischer Museen sitzt. Fraser forderte dazu auf, diese Boards in Zukunft nicht mehr nur nach den Kriterien des Geldes zu besetzen, was tatsächlich auf eine Veränderung der Wertmaßstäbe und Wertzuschreibungen in den Kunstinstitutionen hinauslaufen würde.

9. FAUTRIERS ANGRIFF AUF DAS UNIKAT, GATES MIMESIS DES EIGENTÜMERS

Als eine Art Vorläufer der Appropriation Art könnte man Jean Fautriers Originaux Multiples beschreiben, Hybride aus Drucken und Gemälden, die seine Bildmotive variierten und per Hand mit Pastell, Gouache und seiner Trademark „enduit“-Paste bearbeitet wurden. Obgleich Fautrier diese Druck-Gemälde zehn Jahre lang zwischen 1945 und 1955 auch als Reaktion auf den kommerziellen Erfolg seiner Otages-Bilder produzierte, haben sie in der Kunstgeschichte bislang kaum Beachtung gefunden. [23] Seiner Lebensgefährtin Aeply zufolge zielte er mit diesen malerischen Drucken darauf, den Unikatcharakter des Kunstwerks samt seiner Preisstruktur zu zerstören. [24] Auch die zeitgleich entstandenen Reproductions Aeply suchten den Wert des Originals auszuhebeln, indem sie die Bilder seiner erfolgreichen Malerkollegen wie Dufy, Derain oder Renoir derart malerisch reproduzierten, dass Braque einen solchen Print seiner Arbeit angeblich mit dem Original verwechselte. [25] Fautrier vervielfältigte die Bilder seiner auf den personal touch setzenden Kollegen, die ihrem Original zum Verwechseln ähnlich sahen. Man könnte sagen, dass Fautriers Bild-Drucke die Strategien von Künstler*innen wie Sherrie Levine oder Wade Guyton vorweggenommen haben. Mit Levines Schiele-Arbeiten teilen sie das Interesse an einer möglichst mimetischen Reproduktion des Originals. Und auch Guyton praktiziert wie zuvor Fautrier eine Form des Druckens, die die singulären Interventionen des Künstlers nicht ausschließt. Doch anders als Levines und Guytons Arbeiten, sind Fautriers Drucke auf eine Fußnote innerhalb seines Werks reduziert worden. [26] In kommerzieller Hinsicht waren sie ebenfalls ein Flop, was womöglich da­ran lag, dass Fautrier vorher und nachher weitaus begehrtere Gemälde-Unikate produziert hat, die das Interesse auf sich zogen. Sein Versuch, aus der Unikatlogik auszusteigen, wurde gewissermaßen von den eigenen Unikaten überstrahlt. Womöglich verzieh man ihm auch nicht, dass er die Originalwerke seiner Kollegen am Fließband herstellte und sie dabei auch noch ausgesprochen malerisch wirken ließ.

So wie Fautrier das geistige Eigentum anderer für sich reklamierte, hat auch Theaster Gates in einem ganz anderen Kontext die Rolle eines Eigentümers gespielt, der sein Eigentum allerdings anderen zur Verfügung stellt. Er kaufte leer stehende Gebäude, wie zuletzt die Stony Island Arts Bank (2014), setzte sie instand und ließ dort Ausstellungen von zeitgenössischen Schwarzen Künstler*innen stattfinden. Oder er nutzte die Gebäude für die Veröffentlichung der von ihm gekauften Sammlungen und Archive. Interessant ist dabei, dass er derartige Interventionen in den Stadtraum mit seiner Kunstproduktion finanziert. In einem Interview erklärte er, dass zehn Prozent der Zeit in seinem Atelier für die Kunstproduktion aufgewendet würde, mit der er seine kommunalen Aktivitäten finanziert. Letztere hingegen würden 90 Prozent seiner Zeit in Anspruch nehmen. Der Verkauf seiner Kunstwerke – etwa seiner Bilder mit Teer-oder Dachpappeoberflächen – wird also für Projekte genutzt, die anderen zugutekommen sollen. Und es ist der Preis für diese Redistribution seiner Erträge aus Kunstverkäufen, dass Gates als Künstler den Hut eines Investors/Entwicklers/Projektmanagers aufsetzen muss. Nur in dem er selbst zum Eigentümer und Fundraiser mutiert, kann er sein Eigentum in seinem Sinne, also gemeinschaftsorientiert nutzen. Man muss offenkundig Kapital auftreiben und tief in die Wertsphäre (in diesem Fall die Welt der Immobilien) eintauchen, um andere als ökonomische Kriterien für die Nutzung eines Gebäudes durchsetzen zu können. Erst durch diese Mimesis des Investors gelingt es Gates, sein Projekt im Sinne eines Strukturwandels des öffentlichen Raums zu gestalten. Der Übergang zwischen seinen städtischen Projekten und der Kunstwelt ist dabei fließend, wie sein 2012 in einer kommerziellen Galerie (White Cube) gezeigtes Archiv afroamerikanischer Magazine wie Jet oder Ebony beweist. Dass es Gates zufolge nicht verkauft werden durfte, bedeutet allerdings nicht, dass es aus dem Prozess der Wertbildung gänzlich herausfällt. [27] Im Gegenteil sorgt die verhindernde Geste der Wertgenerierung an dieser Stelle dafür, dass die anderen Werke von Gates aus ihr mehr Glaubwürdigkeit und damit eben auch Symbol- und Marktwert beziehen.

Mit Blick auf die unterschiedlichen Eigentumsstrategien von Gates, Fautrier, Fraser und Baldessari kann abschließend festgestellt werden, dass in der bildenden Kunst noch die Veränderung der Besitzverhältnisse innerhalb der Logik des geistigen Eigentums verbleibt. Dies bedeutet letztlich auch, dass Künstler*innen die Wertform ihres Produkts nur verändern, nicht aber vollständig aufheben können.

Titelbild: Theaster Gates, „Stony Island Arts Bank“, 2012

Anmerkungen

[1]Den Fall, dass das Werk unentdeckt oder unverkauft bleibt, also ein Leben lang im Besitz der Künstler*in verbleibt, gibt es natürlich auch. Eigenbesitz geht in Fremdbesitz nur unter der Bedingung über, dass markttechnisch gesehen alles gut läuft.
[2]Diese singuläre Autorinstanz kann allerdings auch ein Kollektiv sein. Vgl. zum Zusammenhang zwischen dem Unikatcharakter des Kunstwerks und seiner spezifischen Wertform auch Isabelle Graw: „Die Ökonomie der Malerei. Überlegungen zur besonderen Wertform des Leinwandbildes“, in: Dies., Die Liebe zur Malerei. Genealogaie einer Sonderstellung, Zürich 2017, S. 325–342.
[3]Vgl. hierzu Tobias Vogts Beitrag „Aktien zeichnen“ in dieser Ausgabe.
[4]Vgl. ebd.
[5]Zur Signatur als jener Instanz, die Autor*in und Werk miteinander kurzschließt vgl auch: Karin Gludovatz, Fährten Legen, Spuren lesen. Die Künstlersignatur als poietische Referenz, München, 2011.
[6]Zu diesem Zusammenhang zwischen Eigentum und verbal formulierten Ansprüchen, die deutlich kommuniziert werden müssen, vgl. auch M. Rose, Property and Persuasion. Essays on the History, Theory, and Rhetoric of Ownership, Oxford 1994, hier: S. 15–18.
[7]Und Freiheit ist heute umgekehrt mehr und mehr durch Eigentum definiert, woran Etienne Balibar erinnert. Vgl. hierzu: Etienne Balibar, Gleichfreiheit, Berlin 2012, hier: S. 134.
[8]Vgl. Pierre-Joseph Proudhon, Was ist Eigentum, Münster 2018, hier: S. 7.
[9]Aus einer postkolonialen Perspektive hat Brenna Bhandar den Zusammenhang zwischen Eigentum und kolonialer Ausbeutung aufgezeigt. Vgl. auch das Interview mit ihr von Daniel Loick in dieser Ausgabe.
[10]Vgl. Über das Künstlerkollektiv als Metasubjekt und „Surplus Author“ vgl. auch: Isabelle Graw, „Still Lives. Expanded Authorship, Living Labor, and the Generation of Value“, in: Peter Fischli/David Weiss, How to work better, New York 2016, S. 349–355.
[11]Vgl. Andy Warhol/Pat Hackett, POPism: The Warhol Sixties, New York 1980, S. 240.
[12]Karl Marx, „Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation“, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Band 23, „Das Kapital“, Bd. 1, Siebenter Abschnitt, Berlin 1968, S. 741–791.
[13]Zur Heteronomie künstlerischer Arbeit vgl. auch Sabeth Buchmann, „(Un-)Doing the Capitalist Self. Some thoughts on the meaning of rehearsal and learning exercise in Melanie Gilligan’s Video series Self Capital“; Isabelle Graw, „Working hard for what? The Value of Artistic Labor and the Products that result from it“, beide in: Isabelle Graw/Christoph Menke, The Value of Critique. Exploring the interrelations between Value, Critique and Artistic Labor, Frankfurt/M. 2019, S. 145–154 bzw. S. 155–161.
[14]Vgl Pierre-Michel Menger, Kunst und Brot. Die Metamorphosen des Arbeitnehmers, Paris 2002; sowie Ulrich Bröckling, Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt/M. 2007.
[15]Zur Assoziation von künstlerischer und allgemeiner Arbeit auch auf der Ebene von finanzieller und künstlerischer Spekulation vgl. auch Marina Vishmidt, „Speculation as a Mode of Production. Forms of Value Subjectivity“, in: Art and Capital, Leiden 2019.
[16]Vgl. Kathrin Busch, Geschicktes Geben. Aporien der Gabe bei Jacques Derrida, 2004 München.
[17]Vgl. Marcel Mauss, Die Gabe. Form und Funktion des Austausches in archaischen Gesellschaften, Frankfurt/M. 1990.
[18]Vgl. Sigmund Freud, „Das Unbehagen in der Kultur“, in: Ders., Gesammelte Werke. Werke aus den Jahren 1925–1931, Frankfurt/M. 1999, S. 421–505, hier: S. 424.
[19]Vgl. C. B. Macpherson, Die politische Theorie des Besitzindividualismus, Frankfurt/M. 1962.
[20]Vgl. Coosje van Bruggen, „Interlude. Between Questions and Answers“, in: John Baldessari, Los Angeles 1990, S. 11–68.
[21]Vgl. Zoë Lescaze, „With Friends like These …, in: The New York Times Style Magazine, International Edition, Holiday, December 7, 2019, S. 58–63, hier: S. 62.
[22]Vgl. ebd., S. 58.
[23]Vgl. Rachel E. Perry, „The Originaux Multiples“, in: Jean Fautrier 1898–1964, Yale University Press 2002, S. 71–85.
[24]Vgl. ebd., S. 76.
[25]Vgl. ebd., S. 80.
[26]Vgl. ebd., S. 72.
[27]Vgl. ebd., S. 31.