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EINE SCHWERWIEGENDE, NACHLEBENDE ABWESENHEIT Elisabeth Bauer über „Explosions Near the Museum“ von Yarema Malashchuk und Roman Khimei

Yarema Malashchuk und Roman Khimei, „Explosions Near the Museum“, 2023

Yarema Malashchuk und Roman Khimei, „Explosions Near the Museum“, 2023

Während sich unsere aktuelle Ausgabe zum Thema Restitution vor allem mit Rückgaben von Kulturgütern befasst, die in historischen kolonialen Kontexten geraubt wurden, gehören Plünderungen und Zerstörungen kultureller Stätten auch in aktuellen Kriegen zum Alltag. Die ukrainischen Filmemacher und Künstler Yarema Malashchuk und Roman Khimei haben die Folgen der russischen Angriffe auf das Heimatmuseum der Region Cherson festgehalten, die als Teil der andauernden Kämpfe eine klare Strategie verfolgen, wie Elisabeth Bauer in ihrer Rezension des Kurzfilms argumentiert. Letzterer ist im Rahmen der Kyiv Perenniale derzeit bei Between Bridges in Berlin zu sehen.

Langsam tastet sich der Kamerablick an leeren Podesten und verwaisten Vitrinen entlang, gleitet durch verwüstete Räume, über kahle Wände. Der Raketendonner der nahe liegenden Frontlinie dringt von außen in die verlassenen Ausstellungsräume. Eine ruhige Stimme beschreibt, was an all den Leerstellen wieder aufgestellt werden soll: eine Marmorstatue aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., die vor 128 Jahren im Dorf Parutyne gefunden wurde, zum Beispiel; ein griechischer Bronzehelm, der für die Bedürfnisse des skythischen Kriegers umgestaltet wurde; vier Stuckgefäße aus der spätbronzezeitlichen Srubna-Kultur. Die Liste abwesender Artefakte, die ein monotones Voiceover vorträgt, scheint kein Ende zu nehmen. Sie bildet eine wesentliche Komponente des dramaturgischen Konzepts, auf dem der 14-minütige Kurzfilm Explosions Near the Museum (2023) beruht, der das Heimatmuseum der Region Cherson kurz nach seiner Plünderung durch die russischen Besatzer im Zuge des andauernden Angriffskriegs porträtiert. Die Stärke der Videoarbeit des aus Kyjiw stammenden Duos Yarema Malashchuk und Roman Khimei liegt in der Kombination der nüchternen Auflistung geplünderter Objekte und dem exerzierenden Kamerablick: Gezeigt werden die „entleerten“ Innenräume des Museumsgebäudes im Zustand der Zerstörung. Die Kamera fokussiert das schmerzhafte Fehlen wertvoller, identitätsstiftender Kulturgüter, von denen auf Podesten, an Wänden und in Vitrinen nur noch dunkle Flecken, Schemen oder Schatten zeugen – vom Voiceover, das von der erhofften Wiederaufstellung berichtet, werden die Objekte derweil rhetorisch re-evoziert, heraufbeschworen, re-installiert.

Malashchuk und Khimei drehten ihren Film, den sie selbst an der Schwelle zwischen Kunst und Dokumentarfilm verorten und der aktuell im Rahmen der im Berliner Exil stattfindenden Kyiv Perenniale [1] bei Between Bridges gezeigt wird, mit einem kleinen Filmteam im Dezember 2022 – einen Monat nachdem die südukrainische Seehafenstadt Cherson befreit worden war. Das 1890 gegründete Museum der Region war während der Besatzung durch die russischen Truppen systematisch geplündert worden. Bis dato enthielt es eine der größten Sammlungen materieller Zeugnisse der ukrainischen Kulturgeschichte, vor allem Artefakte der Frühzeit. Skythische und sarmatische Grabbeigaben, seltene Keramiken, Artefakte aus Gold und Silber, Waffen sowie die gesamte Münzensammlung wurden gewaltsam entwendet, die Museumsräume chaotisch hinterlassen, die gestohlenen Objekte – rund 80 Prozent der Sammlungsbestände – in das Kunstmuseum von Simferopol an der Südwestküste der 2014 von Russland rechtswidrig annektierten Krim-Halbinsel überführt. [2]

Yarema Malashchuk und Roman Khimei, „Explosions Near the Museum“, 2023

Yarema Malashchuk und Roman Khimei, „Explosions Near the Museum“, 2023

Die Taktik, der Ukraine mittels physischer Zerstörung und Plünderung ihre Geschichte und Kultur zu entziehen, ist nicht neu, sondern fester Bestandteil der russischen Kriegsstrategie, und kann als Manifestation kultureller Auslöschung gelesen werden. [3] Raphael Lemkin, Co-Autor des Resolutionstextes der „UN-Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ von 1948 und Mitbegründer des juristischen Genozid-Begriffs, beschrieb die Plünderung von Kulturgütern als maßgeblichen Bestandteil genozidaler Intentionen. [4] In seinem Buch Axis Role of Occupied Europe (1944), in dem der Jurist eine umfassende Analyse der NS-Verbrechen präsentierte und den Neologismus Genozid einführte, betont er, dass sich Völkermord nicht auf die unmittelbare physische Zerstörung einer Nation oder ethnischen Gruppe beschränke. „Vielmehr soll er“, laut Lemkin, „einen koordinierten Plan verschiedener Aktionen bezeichnen, die auf die Zerstörung wesentlicher Lebensgrundlagen nationaler Gruppen abzielen, mit dem Ziel, die Gruppen selbst zu vernichten. Die Ziele eines solchen Plans wären die Zersetzung der politischen und sozialen Institutionen, der Kultur, der Sprache [Hervorh. E.B.] des Nationalgefühls, der Religion und der wirtschaftlichen Existenz nationaler Gruppen sowie die Zerstörung der persönlichen Sicherheit, der Freiheit, der Gesundheit, der Würde und sogar des Lebens der Individuen, die solchen Gruppen angehören.“ [5] einer solch destruktiven Agenda rechnete Lemkin auch die Zerstörung identitätsbestimmender Geschichts- und Kulturgüter zu.

Seit dem 24. Februar 2022, als der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine begann, wurden laut ukrainischem Kultur- und Informationsministerium 945 Objekte des kulturellen Erbes bzw. 1946 kulturelle Infrastrukturobjekte beschädigt oder zerstört. [6] Damit sind nicht nur einzelne Exponate gemeint, sondern auch „unbewegliches“ Kulturgut im Sinne der Haager Konvention von 1954 – also architektonische, städtebauliche und archäologische Objekte, Parkarchitekturen oder Monumentalkunst. [7] Demgegenüber spricht die UNESCO von 346 zerstörten Kulturstätten, was allerdings unter anderem damit zu erklären ist, dass die international agierende Organisation die dokumentierten Fälle von Zerstörung und brutalem Vandalismus einer umfassenden, unabhängigen Auswertung diverser Quellen sowie von Satellitenbildern unterzieht – und angesichts der täglich fortschreitenden Zerstörung wohl kaum mit der Dokumentation hinterherkommt. [8] während sich die russische Aggression seit dem 24. Februar auf die gesamte Ukraine auswirkt, ist der ukrainische Südosten – Teil des eurasischen Steppengürtels, wo sich Fundstätten nomadischer Kulturen wie skythische Grabhügel oder Überreste taurischer Siedlungen häufen – zum Teil bereits seit über zehn Jahren von der Zerstörung betroffen. [9]

Es ist eine Gründungsidee des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), kulturelles Erbe weltweit zu schützen und dafür einzustehen. [10] Auch wenn der kulturelle Aspekt in der Völkermordkonvention ausgespart blieb, ziehen viele Jurist*innen die systematische Zerstörung des kulturellen ukrainischen Erbes in Verbindung mit den dokumentierten Akten zielgerichteter Tötung, von Folter, Vergewaltigung und Verschleppung als Belege dafür heran, dass es sich im Falle der russischen Aggression gegen die ukrainische Nation um einen Genozid nach der UN-Konvention handelt. [11] So haben zahlreiche Rechtsexpert*innen darauf hingewiesen, dass selbst die „enge“ Auslegung der UN-Konvention Raum bietet, die Angriffe auf kulturelles ukrainisches Erbe als integralen Bestandteil der genozidalen Intention Russlands aufzufassen. [12] Zerstörung und Beschädigung kultureller Werte können auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord hinweisen“, zitiert das Institute for War and Peace Reporting (IWPR) Tymur Korotkyj, Vizepräsident der Ukrainischen Assoziation für internationales Recht. [13] Die Politik der Unterdrückung der ukrainischen Kultur in den besetzten Gebieten zeugt von genozidalen Absichten sowie von rechtswidrigen Angriffen auf kulturelle Einrichtungen“, ist auch im Journal of International Criminal Justice zu lesen. [14]

Yarema Malashchuk und Roman Khimei, „Explosions Near the Museum“, 2023

Yarema Malashchuk und Roman Khimei, „Explosions Near the Museum“, 2023

Der Videoarbeit von Malashchuk und Khimei ist deutlich anzusehen, dass sie inmitten einer von Krieg und Zerstörung gezeichneten Realität entstanden ist, deren verlorene Geschichten und Leerstellen die Künstler und Filmemacher gezielt ins Zentrum gerückt haben.

„Man kann über Kriegsverbrechen nicht metaphorisch oder ‚künstlerisch‘ nachdenken, vor allem dann nicht, wenn man sich selbst am Ort des Verbrechens befindet – für eine solche Reflexion ist der Abstand zur tatsächlichen Bedrohung zu gering. Wir beschlossen, die bekannte Rhetorik der Abwesenheit in der zeitgenössischen Kunst zu nutzen, um (Ersatz-)Werte zu schaffen – nicht, weil wir können, sondern weil wir müssen“, schreibt Malashchuk auf meine Anfrage.

Auch der zeitliche Entstehungskontext des Kurzfilms ist von großer Bedeutung: Die beiden Künstler befanden sich in Cherson nur wenige Wochen, nachdem die südliche Hafenstadt nach monatelanger Besatzung befreit worden war und das volle Ausmaß von Zerstörung und Kriegsverbrechen an Zivilist*innen erkenntlich wurde. [15] Auch die Plünderungen im regionalen Heimatmuseum.

Während frühere Arbeiten von Malashchuk und Khimei Menschen oder Objekte porträtieren, letztere darin also dezidiert anwesend sind, scheint seit Beginn der russischen Großinvasion eine bedeutungs- und spannungsgeladene Abwesenheit ihre Bildrhetorik auszuzeichnen: Im ersten Kriegsjahr filmte sich das Duo für die Arbeit The Wanderer (2022) [16] selbst; in Cherson richtete es die Kamera auf jenes leere Museum. Kurz zuvor hatte es für ein weiteres Filmprojekt ein statisches Landschaftsbild der besetzten linken Uferseite des Flusses Dnipro im Stil einer Komposition des Malers Fedor Aleksejew in Szene gesetzt, das zu den geplünderten Werken aus dem Heimatmuseum zählt. [17]

Yarema Malashchuk und Roman Khimei, „Explosions Near the Museum“, 2023

Yarema Malashchuk und Roman Khimei, „Explosions Near the Museum“, 2023

Auch die minimalistische Dramaturgie von Explosions Near the Museum fokussiert „entleerte“ Räume, denen ihre institutionelle Funktion abhandengekommen ist. Als Vorbilder für die Machart des Films nennt Malashchuk u.a. Arbeiten von Candida Höfer oder Louise Lawler – also zweier Künstlerinnen, die sich in institutionskritischen Projekten nicht nur dokumentarischer Praktiken oder Medien bedienen, sondern auch des Kunstgriffs der „ausgestellten Abwesenheit“. Der entscheidende Unterschied zu diesen Referenzen liegt in der Gewalt des Kontextes: darin, dass das Museum nicht im Zuge einer subversiven künstlerischen Geste „entleert“, sondern „im Auftrag der russischen Behörden und des russischen Geheimdienstes FSB“ geplündert wurde. Bei Malashchuk und Khimei scheint es, als würde die Betrachterin tatsächlich dem „denkenden Auge“ [18] oder dem sehenden Tasten) des Kamerablicks beim Aufzeichnen, Fixieren, Dokumentieren der russischen Verbrechen zusehen – eben weil die Filmemacher (im Gegensatz zu den Objekten der Institution) am Ort des Verbrechens anwesend sind. [19]

Explosions Near the Museum gelingt ein fragiler Balanceakt: Weder rein dokumentarisch noch auf inadäquate Weise ästhetisierend, spiegelt die Arbeit die brutale Kriegsrealität anhand der schmerzhaften Leerstellen, die sie hinterlässt, und vollzieht dabei einen so einfachen wie wirksamen dramaturgischen Coup: Die karge dokumentarische Bildebene wird vom spekulativen Voiceover durchbrochen, das vom US-amerikanischen, seit 2018 in der Ukraine lebenden und im dortigen Kunstbetrieb aktiven Künstler-Kurator Clemens Poole eingesprochen wurde. Gefilmte und erzählte Zeit divergieren, rhetorisch heraufbeschworen werden materielle Zeitzeugen ukrainischer (Vor-)Geschichte, die als historische Erinnerungszeichen oder ein magisch wirksames „Nachleben“ angesehen werden können. Während die Abwesenheit materieller Kunst- und Kulturschätze in Form von nachlebenden, ins Bildzentrum gerückten Schatten und Schemen sichtbar wird, antizipiert Pooles monotone Stimme eine Zukunft, in der das gestohlene Kulturgut rückgeführt und re-installiert werden kann. Indem Explosions Near the Museum konkret-dokumentarisch und zugleich parabolisch die brutale kulturelle Enteignung der Ukraine durch die russische Armee verhandelt, schafft es der Film, der schwerwiegenden Abwesenheit eine dringliche Stimme zu verleihen – geht er doch als schmerzhafte Folge des fortdauernden russischen Großangriffs aus ebenjener fragilen Kriegsrealität hervor.

Yarema Malashchuk und Roman Khimei, Explosions Near the Museum, 2023, 14 Minuten.

Elisabeth Bauer hat Slawistik und Kunst- und Bildgeschichte u.a. in Berlin, Moskau und Kyjiw studiert. Ab August 2021 lebte sie einige Monate in der ukrainischen Hauptstadt und knüpfte enge Verbindungen zur ukrainischen Kunst- und Kulturszene, bevor Russland im Februar 2022 die Ukraine überfiel. Seit 2013 schreibt sie als freie Autorin für diverse Zeitungen und Zeitschriften, wie taz, Zeit Online, FAZ, Theater der Zeit, Various Artists, dekoder oder Ukraine verstehen.

Image credit: 1. + 3. Courtesy of Yarema Malashchuk und Roman Khimei; 2. + 4. Courtesy of Between Bridges

Anmerkungen

[1]Eine Kooperation des Visual Culture Research Centers, der nGbK und der Kulturstiftung des Bundes, in Zusammenarbeit mit Between Bridges und der kommunalen Prater Galerie, die noch bis zum 9. Juni läuft.
[2]Vgl. Tetyana Kurmanova, Ukraine: War Crimes Against Cultural Heritage, IWPR, 3.1.23, .
[3]Ähnliches wie aus Cherson wurde etwa aus dem Geschichtsmuseum der besetzten Stadt Melitopol (Saporischschja Oblast) berichtet, wo die russischen Besatzer ebenfalls Goldartefakte der Skythen, Hunnen und Sarmaten sowie Silbermünzen plünderten. Das Beispiel des im März 2022 gezielt bombardierten Drama-Theaters von Mariupol ging medienwirksam um die Welt.
[4]Lemkin betrachtete Völkermord als „ein[en] systematische[n] Angriff auf eine Gruppe von Menschen und ihre kulturelle Identität; ein Verbrechen, das sich gegen die Differenz selbst richtet“; Leora Bilsky/Rachel Klagsbrun, „The Return of Cultural Genocide?“, in: European Journal of International Law, Vol. 29, 2, 2018.
[5]United States Holocaust Memorial Museum, Washington, DC, „Coining A Word And Championing A Case. The Story of Raphael Lemkin“ , in: Holocaust Encyclopedia, 2. Mai 2023 (letzter Zugriff am 22.5.24); International Criminal Court, Office of the Prosecutor, Policy on Cultural Heritage, Juni 2021, S. 30 ff..
[6]Ministry of Culture and Information Policy of Ukraine, „Due to russian aggression in Ukraine, 945 cultural heritage sites have been affected“, 5.3.24; 1946 cultural infrastructure objects have suffered damage or destruction due to russian aggression, 7.3.24.
[7]Der Konventionstext der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954 ist hier zu finden.
[8]Die UNESCO veröffentlicht eine Liste, die kontinuierlich aktualisiert wird: Damaged cultural sites in Ukraine verified by UNESCO, 7.2.24 (letzte Aktualisierung: 18.3.24).
[9]Ende 2022 waren bereits etwa 80 Prozent der kulturellen Infrastruktur des Donezker Gebiets beschädigt. Vgl. Tetyana Kurmanova, Ukraine, „War Crimes Against Cultural Heritage“, in: IWPR, 3.1.23.
[10]Laut Büro des Chefanklägers des ICC kann die gezielte Zerstörung des kulturellen Erbes als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord oder Verbrechen der Aggression verfolgt werden. Vgl. International Criminal Court, Office of the Prosecutor, Policy on Cultural Heritage, Juni 2021, S. 13.
[11]Auch die imperialistische Rhetorik des Kremls, der Ukraine ihr Recht auf die schiere Existenz sowie ihre eigene (Kultur-)Geschichte abzusprechen und den Angriffskrieg mit Begriffen wie „Denazifizierung“ und „Demilitarisierung“ zu legitimieren, beweise „das Vorhandensein des Motivs, des Ziels und der Absicht, die ukrainische Nation zumindest teilweise zu zerstören“ und bestätigte den Bestand der genozidalen Intention. So Denys Azarov/Dmytro Koval/Gaiane Nuridzhanian/Volodymyr Venher, „Understanding Russia’s Actions in Ukraine as the Crime of Genocide“, in: Journal of International Criminal Justice, Vol. 21, 2. Mai 2023, S. 233–264; Kristina Hook, „Why Russia’s War in Ukraine Is a Genocide“, in: Foreign Affairs/Lemkin Institute, 28.7.24.
[12]International criminal courts and their statutes mostly followed the restrictive, Convention-based reading of the term ,genocide‘. However, even accepting that paradigm, the international courts found space for considering attacks on cultural heritage, though not as acts of genocide per se.“ Siehe Azarov/Koval/Nuridzhanian/Venher, C. Destruction of Cultural Heritage as Evidence of Intent to Destroy the Nation, in: Understanding Russia’s Actions in Ukraine as the Crime of Genocide, in: Journal of International Criminal Justice, Vol. 21, Mai 2023.
[13]Zit. aus: Tetyana Kurmanova, „Ukraine: War Crimes Against Cultural Heritage“, in: WPR, 3.1.23.
[14]Azarov/Koval/Nuridzhanian/Venher 2023.
[15]Human Rights Watch hat die in Cherson dokumentierte Folter und sexuelle Gewalt durch die russische Armee als Kriegsverbrechen bezeichnet; Hunderte Menschen galten nach der Befreiung von Cherson als vermisst, Dutzende Leichen wurden gefunden. Vgl. „Ukraine: Russian Torture Center in Kherson“, in: Human Rights Watch, 13.4.24; James Waterhouse, „Ukraine war: Bodies found amid reports of Russian atrocities in Kherson“, BBC, 17.11.22.
[16]Hier arbeiten Malashchuk und Khimei mit inszenierten Bildern, in denen sie selbst, gekleidet in Militäruniformen, verschiedene unnatürliche Körperstellungen einnehmen und mit von der Betrachterin abgewandten Gesichtern auf Felsen liegen. Einerseits spielen sie damit indirekt auf Bilder russischer Soldaten an, wie in der zeitgenössischen Kriegsfotografie zu sehen. Anderseits arbeiten sie mit einem noch stärkeren künstlerischen bzw. historischen Verweis auf eine Arbeit der Fast Reaction Group aus Charkiw, die in ihrer Fotoserie If I were a German (1994) eine Performance dokumentierte, in der Künstler deutsche Soldaten während der Okkupation der Ukraine im Zweiten Weltkrieg nachahmten. Mit diesen Referenzen werfen Malashchuk und Khimei die schwierige Frage nach der Vergleichbarkeit der russischen Großinvasion und der deutschen Besatzung der Ukraine in den 1940er Jahren auf.
[17]Das Video View of the Temporarily Occupied Left Bank of the Kherson Region (2022) nimmt Bezug auf Fedor Alekseyevs Gemälde The View of Kherson, zeigt anstatt der friedlichen Naturansicht jedoch eine Landschaft im Krieg. Der Blick auf den Dnipro geht in Richtung der Stadt Oleschky, wohin sich die russischen Soldaten, die weiterhin Cherson bombardieren, nach ihrem Rückzug aus der Stadt zurückgezogen haben.
[18]Vgl. Roland Barthes, Die helle Kammer, Frankfurt/M. 2016 (1989), S. 55.
[19]Vgl. ebd., S. 57. („Das ‚Zweite Gesicht‘ des Photographen beruht nicht darauf, daß er «sieht», sondern daß er sich an einem bestimmten Ort befindet.“).