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Vorwort

Mit diesem Heft zum Thema „Property/Eigentum“ gehen wir von der Überlegung aus, dass dem liberalen Subjektbegriff Eigentum inhärent ist. Uns interessiert dabei, wie sich diese besitzindividualistischen Vorstellungen durchbrechen lassen, wenn diese Subjekte von ihrer Enteignung her gedacht werden. Diese Frage ist umso wichtiger, als dass gelebte Alternativen zu den herrschenden Besitzverhältnissen rar geworden sind. Eingespannt in den Kapitalismus und das Prinzip der „sogenannten ursprünglichen Akkumulation“ scheinen uns Modelle gemeinschaftlicher Besitzlosigkeit und damit auch die Vorstellung anderer sozialer Verhältnisse entfernter als je zuvor zu sein. Wir gehen deshalb in dem Heft den kleinen Öffnungen nach, wo sich möglicherweise dennoch Alternativen abzeichnen – sei es im Modus der Kritik an herrschenden Eigentums- und Selbstverhältnissen oder sei es im Nachdenken über die Möglichkeit anderer Eigentumsverhältnisse wie in der Diskussion um die Commons.

Diese Überlegungen heute im Kontext eines Kunstmagazins anzustellen, bedeutet also nicht, dass die Ausgabe primär um Fragen von Sammlertum oder der Warenförmigkeit der Kunst kreist. Vielmehr scheint uns die Kunst jener privilegierte Ort zu sein, an dem Vorstellungen von Avant­gardesubjekten zusammenlaufen, die sich selbst oder ihr Produkt haben oder die gerade nicht darüber verfügen. Diese Gegenläufigkeit macht aber auch die Widersprüche und Konflikte in den Besitzverhältnissen der Kunst selbst sichtbar. So kann man einerseits feststellen, dass die liberale Tradition des sich selbst besitzenden Individuums von anderen Selbstbezügen in der Kunst – wie Überschreitung, Auflösung, Nichtwissen, Unverfügbarkeit – gerade nicht ausgehebelt wurde. Nicht nur wissen das Kunstsystem und seine Formen der Wertproduktion derartige Verfahren zu integrieren, mehr noch: Letztere bleiben die Handlungen eines ästhetisch besitzergreifenden Subjekts. Dies zeigt schon die Funktionsweise der Signatur, die den Besitz in Form geistigen Eigentums markiert und mit der Vorstellung von Transgression zugleich gut vereinbar ist. Die künstlerischen Versuche, innerhalb dieser liberalen Ordnung Besitzverhältnisse qua Signatur anders zu gestalten oder gar aufzulösen, haben sich entsprechend schwierig gestaltet, ist der Kontraktualismus doch genau Teil des Verrechtlichungssystems, das in erster Linie dazu angedacht war, Privateigentum zu schützen.

Tobias Vogts Text beleuchtet diesen Aspekt in einem detaillierten kunsthistorischen Abriss, während Isabelle Graw die Spezifik des Künstler-Eigentümers auch im Vergleich zum Privateigentümer herausarbeitet. In ihrer Perspektive kommt die Signatur einem so notwendigen wie problematischen Besitzanspruch gleich, wobei sie für die historischen Versuche künstlerischer Selbstenteignung auch zeigt, dass und wie diese innerhalb einer Wertsphäre namens Kunstmarkt verbleiben. In dieser Sphäre verfügt allerdings nicht jede über die Freiheit, ihre Stimme zu erheben oder ein Produkt unter ihrem Namen zirkulieren zu lassen. Ebenso gilt, dass zwar formal viele Künstler*innen als liberales Subjekt auftreten (müssen), aber konkret nicht alle als ein solches behandelt werden. Dies spitzt sich zu in all jenen künstlerischen Arbeiten und Theorien, die Formen von Diskriminierung thematisieren und untersuchen, wer über wessen Geschichte verfügt und sprechen kann.

Mit den Folgen für Eigentums- und Besitzrechte in einer globalisierten Arbeitswelt haben sich Alice Creischer und Andreas Siekmann ausführlich beschäftigt und für dieses Heft eine Arbeit über den Sozialphysiker Alex Pentland zur Verfügung gestellt, aus der wir hier ein von Creischer verfasstes Lied abdrucken.

Von Besitz und Eigentum zu reden, meint aber nicht nur den Privatbesitz an Gütern und Arbeitskraft, sondern in der Perspektive dieses Heftes vor allem ein tief sitzendes, historisch und gegenwärtig zu hinterfragendes Verhältnis zu sich selbst. Wie sehr die moderne Vorstellung, dass man sich selbst gehöre, noch die letzten Ritzen unserer Psychen bestimmt, zeigt ein Streit zwischen Sigmund Freund und Wilhelm Reich, den Hannah Proctor nachzeichnet – ein Disput um die Frage, ob der Kommunismus und damit die Abschaffung von Privateigentum andere libidinöse Energien freisetzen kann. Mit den Critical Black Studies wird in diesem Heft zudem eine Perspektive miteinbezogen, die die Diskussionen um Eigentum in den vergangenen Jahren maßgeblich radikalisierte: Hier geht es nicht in erster Linie darum, Besitzverhältnisse zu unterminieren, umzustrukturieren, auszusetzen oder sie zu benutzen. Vielmehr wird die historische und immer noch andauernde Enteignung durch das kolonialistische Herrschaftsprinzip aufgezeigt. So sind es Wissenschaftler*innen wie Saidiya Hartman, Fred Moten, Denise Ferreira da Silva u. a., die, ausgehend von der Geschichte der Sklaverei, genau jene Prozesse des Enteignetwerdens – von Grund und Boden, Subjektivität, Geschichte und Geschichten, Erinnerung und Rechten – zum Thema gemacht und ins Zentrum ihrer Arbeit gestellt haben. Und es ist Brenna Bhandar, die in ihrem Buch Colonial Lives of Property die intrinsische Verbindung von Kolonialismus und kapitalistischer Enteignungslogik dargelegt hat. Im Gespräch mit der Autorin stellt Daniel Loick die Frage nach den rassistischen Wurzeln der ursprünglichen Akkumulation. Inwieweit Kunst und Ästhetik in dieses System involviert sind, nicht nur im Hinblick auf eine hegemoniale Subjektivität, die sich in die Klassiker westlicher Philosophie fest eingeschrieben hat, sondern die tatsächlich grundsätzlich auch die Prämissen der Ästhetik berührt, hat David Lloyd in seinem Buch Under Representation untersucht. Mit „The Racial Thing“ denkt er diesen Ansatz weiter, skizziert die Grenzen Marx’scher Begrifflichkeiten und eröffnet eine Ontologie gemeinschaftlichen Lebens an den Rändern der kapitalisierenden Gewalt. In ihrem Kommentar zu Lloyd treibt Kerstin Stakemeier seine Argumentation weiter und fragt, wie von hier aus auch künstlerische Lebenspraxis im Horizont ihrer Entakkumulisierungen lesbar werden kann.

Unser Heft stellt die Fragen zum Eigentum als dem gegenwärtigen Knotenpunkt ganz unterschiedlicher ästhetischer und politischer Einsätze, nicht zuletzt um in deren Verbindungen nach politischen Solidaritäten inmitten des Ästhetischen zu suchen – nach Solidaritäten, die auf der Überzeugung basieren, dass die Kunst auch in der Gegenwart eine kritische gesellschaftliche Kraft sein kann.

Nadja Abt, Isabelle Graw, Susanne Leeb, Kerstin Stakemeier