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Vorwort

Themen kommen und gehen, werden gestellt und vergessen. In den letzten Jahren haben wir versucht, der Eigendynamik von Themen dadurch zu begegnen bzw. vorzugreifen, daß Heft für Heft thematische Schwerpunkte gesetzt wurden. Wir haben uns damit Vorteile und Nachteile eingehandelt. Einerseits gewährleisten Themenstellungen, daß Ideen gebündelt werden; man kann sie langfristig und rechercheintensiv vorbereiten. So entsteht ein inhaltlicher Magnetismus, in den sich die Texte und ihre Autoren mehr oder weniger bereitwillig begeben. Themenhefte strahlen Kohärenz aus. Willkür in der Textauswahl scheint gebremst, weil das Thema zu übergeordnetem Sinn verhilft. Alles, was in der Themenstellung untergebracht werden kann, ist automatisch angebunden und deshalb legitim.

Andererseits haben Themenschwerpunkte die Tendenz, zu verhindern: Was nicht zum Schwerpunkt gehört, kann leicht der Wahrnehmung entgehen. Wir haben festgestellt, daß die Themenstellungen uns davon abhalten, schnell zu reagieren, auf das sogenannte aktuelle Geschehen so einzugehen, wie es unsere Produktionsweise eigentlich erlauben würde. Gefangen zwischen den konkurrierenden Wünschen nach Ordnung und Flexibilität, fiel es uns zwischenzeitlich schwer, unsere eigene Position gegenüber künstlerischen Methoden, sich abzeichnenden Hegemonie-Verschiebungen, sich verändernden Produktions- und Rezeptionsbedingungen schnell und exakt zu bestimmen.

Wir haben deshalb beschlossen, die Politik der Themenhefte vorerst aufzugeben. Statt dessen versuchen wir, in einer gelockerten Organisationsstruktur, mehrere Themenstränge parallel zu bearbeiten. Dazu gehört die fortwährende Neudefinition der Rolle des Kunstkritikers, die Frage nach der gegenwärtigen Funktion von (Künstler-) gruppen und die Beobachtung von künstlerischen Strategien als künstlerische ,Techniken'. Darüber hinaus sollen das Interesse des Kunstbetriebs an der ominösen Größe ,Medien' und die ökonomischen Grund- lagen von Existenzen im Kunstbereich eingehender untersucht werden. Die Gesprächsrunde mit ehemaligen GalerieassistentInnen und das Interview mit einem Bankier über Kreditvergabe an Galeristen bilden hier einen Anfang.

Ohne die StÜtze verpflichtender Themenschwerpunkte tritt die Produktion von Meinungen, Haltungen, Setzungen in den Vordergrund. Heißt das, man muß den Kritikertypus reaktivieren, der seine Aufgabe darin findet, einzelne künstlerische Praktiken schreibend zu fördern? Wie könnte ein Plädoyer für eine künstlerische Technik aussehen, das nicht euphorisch promoted, sondern die veränderten Verhältnisse, in denen Kritik und künstlerische Praxis entstehen, berücksichtigt? Wenn sich die Methoden von Kritikern, Künstlern, Kuratoren und Sammlern einander angleichen (ohne daß dabei zwangsläufig die Besonderheit der einzelnen Positionen verloren ginge), läßt sich Kunstkritik nicht mehr naiv als Vermittlung betreiben. Der vermeintliche Vermittler ist immer schon in den Prozeß der Vermittlung eingebaut — eine Unschärferelation, gezeichnet von Vorwissen, Arbeitsprämissen, kultureller Angebotslage.

Wie sich ein Interesse für künstlerische Modelle/Künstlertypen formiert, davon sprechen die Texte über Mike Kelley (Holert) und Florine Stettheimer und Pavel Tchelitchev (Koether). Wie sich in dieser Texte zur Kunst-Ausgabe ein Interesse an Gruppen und Gemeinschaften (mitsamt den Formen ihrer Repräsentation) herauskristallisiert, kann an der Selbstdarstellung des Poster Studio, der Diskussion von „When tekkno turns to sound of poetry" (Graw) und der Überprüfung des Utopiegehalts von Teenagergemeinschaften bei Larry Clark und Jock Sturges (Diederichsen) verfolgt werden.

Indem wir darauf verzichten, Themen auszugeben, kommen Themen unerwartet, aber nicht zufällig zustande. So werden die Themen zu Zeichen von Relevanz.

STEFAN GERMER / ISABELLE GRAW / TOM HOLERT / HIROKO KÖNIG