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Vorwort

Mit dieser Ausgabe von Texte zur Kunst werfen wir einen genaueren Blick auf eine der umstrittensten Gruppen von Akteuren/Akteurinnen in der Kunstwelt – „The Gallerists“. Damit setzt sich eine Reihe fort, in der wir zuvor bereits „The Curators“, „The Collectors“ und die „Artists’ Artists“ untersucht haben. Ursprünglich wollten wir uns dieser Analyse vor dem Hintergrund des vielbeschworenen „Dealer-Critic System“ (Harrison und Cynthia White) bzw. dem späteren „Dealer-Collector System“ (Isabelle Graw) nähern: Machtstrukturen, in denen der Kunsthändler als Vermittlungsinstanz zwischen künstlerischer Produktion einerseits und der Ermittlung ihres Marktwerts andererseits eine privilegierte Position einnimmt. Allein, die Figur, auf die wir gestoßen sind, kann sich solcher Privilegien nicht mehr sicher sein: In den letzten Jahren hat sich ihr professionelles Anforderungsprofil derart verändert (kommunikativer Dauereinsatz, Messepräsenz mehrmals im Jahr, sowie ein enormes Reisepensum sind heute unerlässlich), dass sich die Rolle des Galeristen überhaupt substantiell zu ändern scheint. Wie steht es heute um die Vorstellung eines „guten“ Galeristen/einer „guten“ Galeristin, der oder die umsichtig eine Künstlerliste aufbaut und künstlerische Arbeiten langfristig in ausgewählten institutionellen oder privaten Sammlungen „platziert“? Und in welchem Verhältnis steht diese Position zu jener der vielen neuen (oder wenigstens neuerdings offen sichtbaren) Vermittler/innen, die das Feld noch weiter verändert haben – Berater/innen, „Flipper“ sowie die verschiedensten digitalen Portale?

Um die Koordinaten dieser sich herausbildenden Topografie abzustecken, haben wir uns an den Wirtschaftssoziologen Olav Velthuis gewandt, der im vorliegenden Heft die moralischen Vorwürfe analysiert, die gegen solche Händler-Sammler-Hybride und Kunstunternehmer wie Stefan Simchowitz, Bert Kreuk oder Carlos Rivera vorgebracht werden, deren Strategien des „Buy young, sellyoulater“ weithin ein Sakrileg darzustellen scheinen. Aber ist der Einfluss dieser neuen Player bislang nicht vorrangig symbolischer Natur? Ihr Auftauchen korrespondiert augenscheinlich mit einem weiteren Trend, der durch die Ökonomisierung des Kunstsystems in den letzten beiden Jahrzehnten vielleicht kontraintuitiv vorangetrieben wurde: der Hang zur Verdrängung oder Ausblendung der finanziellen Aspekte des Kunsthandels. Genau zu dieser Zeit, also in den letzten zwanzig Jahren, so der Lüneburger Kunstwissenschaftler Hannes Loichinger, der die vorliegende Ausgabe mit uns konzipiert hat, ist im englischen Sprachgebrauch der Begriff „gallerist“ in Mode gekommen. Loichinger argumentiert, dass diese Bezeichnung, im Unterschied zum „art dealer“, eine relativ neue Wortschöpfung ist, die vielleicht im Zusammenhang mit dem Impuls steht, die unhintergehbare Relation des Galeristen zum Markt zu sublimieren.

Die Figur des Galeristen ist an bestimmte Orte und Zeiten gebunden, weshalb ihnen diese Ausgabe besondere Aufmerksamkeit schenkt. So ist z. B. das Aufkommen des „gallerist“ unmittelbar mit der Entwicklung der euro-amerikanischen Kunstzentren wie New York, London oder Düsseldorf/Köln verknüpft. Als zu Beginn der 1990er Jahre allgemein eine Rezession konstatiert wurde, traf beispielsweise der Galerist Friedrich Petzel aus Köln in New York ein. In seinem Beitrag berichtet er von der Eröffnung eines Off-Space in SoHo, vom Umzug der New Yorker Kunstwelt nach Chelsea Ende der 1990er Jahre und davon, wie er heute ein internationales Unternehmen betreibt. Der Künstler Richard Kern, der ebenfalls über diesen Zeitraum reflektiert, erinnert sich an seine erste Ausstellung bei seinem New Yorker Galeristen Hudson von Feature Inc., mit dem er beinahe 20 Jahre zusammenarbeitete. Den sich wandelnden Status des Galeristen bemerkte zu dieser Zeit auch der Künstler John Knight. Stets an den Grenzen der Institutionskritik interessiert, verortete er die Wurzeln des Kunstsystems nicht allein in dessen physischer Struktur oder seiner „Ästhetik der Verwaltung“, sondern in den Körpern jener Protagonisten, die darin als menschliche Knotenpunkte dienen: 1992 schuf Knight eine Arbeit für seinen New Yorker Galeristen Colin de Land, die, um gezeigt zu werden, von de Land getragen werden musste. In ihrer Neubetrachtung von Knights Arbeit unterstreicht Isabelle Graw, dass das Gelingen dieses Werks nicht zuletzt mit de Lands hybridem Status als Händler/Künstler/Kunstberater in einem Zusammenhang steht.

Ein früher Präzedenzfall für diese hybride Natur des Galeristen war der rheinländische Händler, Kurator, Berater und Künstler Konrad Fischer (alias Konrad Lueg), mit dem sich Lynda Morris in ihrem Beitrag befasst. Morris arbeitete Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre eng mit Fischer an Ausstellungen wie „When Attitudes Become Form“ zusammen, die auf eben dem internationalen Netzwerk von Akteuren beruhten, das der Conceptual Art symbolische Bedeutung (und damit Marktwert) verleihen sollte. Für diesen Diskurs war Fischers Händlermodell entscheidend. Eine viel unklarere Trennung von kuratorischen, sozialen und ökonomischen Interessen wird erkennbar, als heute offiziell „erlaubt“ scheint (man denke nur an die empörten Reaktionen auf die Berufung des Kunsthändlers und Galeristen Jeffrey Deitch zum Leiter des MOCA, L.A.); gleichzeitig war Fischer genau die Art von Galerist, die die Kunstwelt heute zu privilegieren scheint.

Und in der Tat sind heute, 40 Jahre später, solche Abgrenzungen kaum deutlicher zu ziehen. Wie der Hamburger Sammler Harald Falckenberg (gestützt auf Wirtschaftsdaten der vermutlich rund 8000 weltweit agierenden Galerien) bemerkt, scheinen zugleich der Sekundär- und der Primärmarkt weitgehend miteinander verschmolzen zu sein. In seinen „Tipps für Galeristen“ überlegt -Falckenberg hier, wie sich zwischen den Polen Projektraum und Ultra-High-End eine starke Position in der Mitte wiederherstellen ließe. Der Leiter der New Yorker Armory Show, Noah Horowitz, referiert hingegen die Sorgen, aber auch die mögliche Zukunft eines Galeriesystems, das momentan im Begriff ist, diese Mittelposition neu zu bestimmen.

Diese Veränderungen strahlen auch auf weniger marktorientierte Bereiche aus. So skizziert der Beitrag des Kunsthistorikers Lane Relyea verschiedene Bestrebungen insbesondere in den USA, diskursive Zentren zu schaffen, die in relativer Unabhängigkeit vom Mainstream agieren. Und doch sehen viele junge Künstler/innen gerade in der Mainstreamdomäne der digitalen Sphäre das Versprechen, unabhängig von Galerien zu arbeiten – und ebenso von staatlichen Fördermitteln und Institutionen. Doch erfordert eine solche Struktur die Akzeptanz anderer ökonomischer Modelle, die sich gemeinsam mit dem Netz entwickelt haben. Um dieses Themspektrum zu diskutieren, haben wir uns mit dem Galeristen Niklas Svennung (Chantal Crousel, Paris), der Galeristin Nicole Hackert (CFA, Berlin), der New Yorker Kunstberaterin Lisa Schiff und dem in Berlin lebenden Künstler Simon Denny zum Roundtable-Gespräch getroffen.

Die Anforderungen und ökonomischen Konjunkturen mögen sich ändern, aber für Galeristen/Galeristinnen, so scheint es, ist dies nicht das Ende aller Tage. Schließlich ist es die Aufgabe dieser Sachwalter des White Cube, die Umwandlung von symbolischer Bedeutung in Marktwert kohärent zu gestalten – eine Operation, ohne die das zeitgenössische Kunstsystem (noch) nicht auskommen kann.

Caroline Busta / Isabelle Graw / Hannes Loichinger / Hanna Magauer

Übersetzung: Robert Schlicht