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The Magic Touch Hanna Magauer über Walead Beshty bei Capitain Petzel, Berlin

Walead Beshty, „Table [...]", 2014 [1]

„Galerie Capitain Petzel ist glücklich zu gibt eine Ausstellung aus Walead Beshty. Dass ist diese erste Ausstellung mit unsere Galerie.“ – Dass Beshtys Einzelausstellung bei Capitain Petzel ihren Pressetext in gebrochenem Deutsch vorlegt, weist (augenzwinkernd) bereits auf die Beschäftigung mit Mobilität und Internationalität von (künstlerischer) Arbeit hin, die hier unter dem Titel „Gastarbeiten“ bis Ende Dezember zu sehen war. Gleichzeitig wird einer der vielen alltäglichen, oft unbeachteten Handgriffe der Galeriearbeit in den Blick gerückt: Die routinierte Produktion des knapp eine Seite füllenden Pressetextes (häufig formelhaft mit besagtem Ausdruck der „Freude“ über die jeweilige Ausstellung beginnend) wurde hier vom Künstler selbst übernommen, der sich in die Perspektive der Galerie versetzte und den Text in seinem besten Deutsch verfasste.

In der Ausstellung wurden all jene unbemerkten, anonymen und auf der perfekten Oberfläche der gallery show meist verborgenen Arbeitsprozesse thematisiert, die für deren Produktion und Organisation unabdingbar sind; 40 Jahre nachdem Michael Asher die Rückwand der Claire Copley Gallery in L. A. entfernte, scheint die Faszination für das Back-End des Galeriebetriebs ungebrochen. Gezeigt wurde eine Zusammenstellung von neueren Arbeiten, größtenteils aus bereits bestehenden Serien: Am prägnantesten wohl die an der Wand montierten Kupferplatten aus der Serie der „Copper Surrogates“ (seit 2009), die mit schmierigen Fingerabdrücken und dunkel verfärbten Ringen von Gläsern oder Tassen versehen sind. Erst in der Gegenüberstellung mit den schwarzen, auf Sockeln präsentierten Stahlgestellen werden sie als Tischplatten mit jeweils dazugehörigen Beinen erkennbar. Im Vorfeld der Ausstellung wurden für einen Zeitraum von knapp zwei Monaten alle Tische in den Büro- und Konferenzräumen der Galerie durch diese Kopien ersetzt. Der Arbeitsalltag der Galerie hinterließ so seine Spuren als Oxidation im Metall.

Über die Details der Produktion geben die ausführlichen Werktitel Aufschluss: Sie nennen nicht nur den Standort und die Funktion der originalen Tische in der Galerie sowie technische Angaben zur Produktion der Surrogate, inklusive der Logistikunternehmen, die für deren Versand zuständig waren, und der gesamten Herstellungskosten ($9.447,41 bis $34.269,62), sondern auch die Namen und Positionen all derer, die die Kupfertische in Gebrauch hatten: Galerist/in, Galeriemanagerin, Techniker, Praktikantin etc. Aus diesen Angaben lässt sich ein erstaunlich genaues Bild der Unternehmensstrukturen der Galerie zeichnen: durch das Surrogat des Ikea-Tischs etwa, der im Lager von Capitain Petzel steht und von Technikern, Art-Handlern, Praktikantin und Assistentin genutzt wird, nicht jedoch vom Direktor oder der Managerin; während der Schreibtisch des Direktors allein von ihm verwendet wird und die starke, einseitige Abnutzung das Bild langer Arbeitsstunden am Computer evoziert. Die Tischplatten sprechen davon, berührt und benutzt worden zu sein, als Abstellflächen für Kaffeetassen und Wassergläser, Macbooks und Papierkram; nicht nur trägt das Kunstwerk dadurch materielle Spuren der sogenannten immateriellen Arbeit im Kulturbetrieb, sondern deutet ebenso deren Bedingungen durch einfachste Mittel an. Anhand sprechender Details ein Bild der Ausstellungsproduktion zu zeichnen, ist dabei eher das Ziel als das Zurschaustellen der „Fadenzieher im Hintergrund“, sind die enthüllten Informationen doch großteils kaum als sensibel oder vertraulich einzustufen.

Walead Beshty, „Gastarbeiten", Capitain Petzel, Berlin, 2014, Ausstellungsansicht

Neben den fünf hier ausgestellten „Copper Surrogates“ zeigte die Ausstellung einige von Beshtys großformatigen abstrakten Fotogrammen: Fehldrucke, auf denen, wie auf den Kupferarbeiten, Hand- und Fingerabdrücke sowie Spritzer und Schlieren zu sehen sind, die während des Arbeitsprozesses durch den Kontakt mit der Fotolösung entstanden sind, beim Versuch Beshtys und seiner Assistenten, einer defekten Maschine das Fotopapier zu entlocken. An die Rückwand der Galerie wurden Monitore montiert, in deren Displays manuell jeweils ein etwa faustgroßes Loch gebohrt wurde und die nun flimmernd ein abstraktes Bild generieren. Auseinandergenommene Drucker, Computer und Scanner stehen im Raum, in ihren Einzelteilen auf Metallstangen gespießt, die, wie der Pressetext mitteilt, der Körpergröße des Künstlers entsprechen (womöglich in Referenz auf derartige Analogien in der minimalistischen Skulptur), und auch sie, immer noch mit Strom versorgt, „arbeiten“ unermüdlich weiter. Dazwischen kleinformatige Fotografien, etwa der Hände von Beshtys Galeristin in L.A. am Macbook; sowie, in einer Art Kabinettausstellung in einem Nebenraum des oberen Stockwerks, Zeichnungen und Collagen, die er auf Reisen und in Hotels angefertigt hat. Das Leben des Künstlers spiele sich zum Großteil, so heißt es im Pressetext, wie das jedes/jeder Kulturproduzenten/-produzentin in Hotels und auf Flughäfen ab, die damit zu neuen Produktionsstätten werden – ein Bild ständiger Verfügbarkeit in der digital und global vernetzten Kunstwelt, das selbst schon wieder zum Klischee geronnen ist.

Während das Projekt der „Copper Surrogates“ bereits in verschiedenen Galerien durchgeführt wurde, zuletzt im vergangenen Herbst bei Petzel in New York, zeigt sich in Berlin, wie diese Überlegungen zur Kunstproduktion unter digitalen und globalisierten Bedingungen medienübergreifend Beshtys Praxis generell zugrunde liegen. Wenn er auf den makellosen Oberflächen der Kupferarbeiten die körperlichen Spuren der Produktion bestehen lässt – Spuren, die üblicherweise als Entwertung oder Beschädigung gerade vermieden werden sollen –, geschieht dies nicht unter dem Vorzeichen kollektiver Autorschaft, wie man es angesichts der Namen der Galeriemitarbeiter/innen in den Titeln der „Copper Surrogates“ vermuten könnte. Vielmehr werden durch deren „Gastauftritt“ bereits bestehende gemeinschaftliche Prozesse, die Produktion von Wert und Bedeutung als Zusammenspiel der Arbeit verschiedenster Akteure nach einer indexi-kalischen Logik sichtbar gemacht, die fest im fotografischen bzw. fotogrammatischen Verfahren verankert ist. Jedoch führt das Erwähnen besagter Akteure nicht unbedingt zu einer konkreten Kritik derer unsicheren Verhältnisse: Von der Praktikantin bis zur Logistikfachkraft, so scheint die Ausstellung zu vermitteln, spielen schließlich alle ihren Part, jedes Rädchen hat seinen Platz. Und die Objekte, wenn auch durch Hinweise auf ihre Herstellung „kontaminiert“, treten in keinerlei Reibung mit dem Galeriesystem, geschweige denn der geschmackvollen Galeriearchitektur: Sie lassen keinen Zweifel daran, dass sie genau hierher gehören. Wie lässt sich eine derartige Geste also heute einordnen? Der affirmative Anklang ist auch auf einen Ansatz zurückzuführen, der die Distanzgesten institutionskritischer Kunst problematisiert [2]; und es stellt sich die Frage, ob das Galeriewesen, bedroht von Spekulantentum und digital beschleunigtem Markt, überhaupt noch zum Antagonisten taugt.

Doch während die Produktion den Objekten auf doppelte Weise dient, der indexikalische Fingerzeig nur auf sie zurückweist, geraten gleichzeitig die Bedingungen der Rezeption aus dem Blick, die diese Arbeiten so attraktiv machen. Wenn auch übertragen auf andere Akteure des Kunstfeldes, evozieren die kräftigen Wischgesten in der Mitte des Ikea-Tisches, die drippings auf der Fotoemulsion den künstlerischen Duktus. Künstler, Mitarbeiter/innen, Maschinen arbeiten gleichsam an der Produktion auratischer Aufladung, Fingerabdrücke als Spuren der schaffenden Hand bleiben Symbol getaner Arbeit. Wird hier nicht letztlich eine, im digitalen Zeitalter vielleicht als verlustig empfundene, Körperlichkeit ins Kunstwerk reintegriert, die nach wie vor vom Kunstmarkt stets begrüßt wird? Die Ausstellung in der Berliner Karl-Marx-Allee funktioniert sicherlich reibungslos wie ein Rädchen im Getriebe: Während thematisch die Mechanismen aktueller künstlerischer und „kulturproduzierender“ Arbeit auf dem Prüfstand stehen, profitiert das Ergebnis letztlich nicht nur vom Reiz, hinter die Kulissen zu blicken, sondern ebenso von altbewährten Vorstellungen des durch Berührung auratisch aufgewerteten Kunstartefakts.

HANNA MAGAUER

Walead Beshty, „Gastarbeiten“, Galerie Capitain Petzel, Berlin, 7. November bis 20. Dezember 2014.

Anmerkung

[1]Vollständiger Werktitel der ersten Abbildung: „Table [Source: steel, pigmented epoxy, powder coating, particleboard, melamine foil, foil, and acryl-onitrile butadiene styrene plastic work surface table designed by Olle Lundberg for IKEA from the storage at Capitain Petzel, Karl-Marx-Allee 45, Berlin, Germany. Surrogate: WB98214 (produced in conjunction with Elisabeth Pallentin, Gallery Assistant/Media Archivist; Eloisa Travaglini, Intern; Dylan Peirce, Technician; Hervé Humbert, Technician; Adrian Lohmüller, Preparator; Claus Philip Lehmann; Preparator), Copper Surrogate (Table: designed by Olle Lundberg for IKEA), conceived in 2013, produced in 2014, made of polished copper and powder-coated steel with the dimensions 62 29⁄32 x 31 29⁄64 x 28 63⁄64 inches as a singular object. Production completed by Benchmark Scenery Incorporated, Glendale, California from 48 ounce Electrolytic-Tough-Pitch C11000 Copper Alloy cut from 60 x 120 inch mirrorpolished sheet and 24 ounce Electrolytic-Tough-Pitch C11000 Copper Alloy cut from 60 x 120 inch mirror-polished sheet, with formed corners where necessary, copper plated hardware, perimeter edge French cleat system, and separate black powdercoated steel support structures. $17,842.86 production cost including travel and storage crates with floating lockable cleat system. Unexposed surrogates shipped by Los Angeles Packing, Crating and Transport, Incorporated from Los Angeles to Berlin, August 28 through September 10, 2014. Installed in place of Olle Lundberg table in the storage at Capitain Petzel, Karl-Marx-Allee 45, Berlin, Germany, on September 11, 2014, and exposed through November 3, 2014. Table has one base surrogate with the dimensions 59 23⁄32 x 28 11⁄32 x 27 31⁄64 inches.]“
[2]Vgl. Walead Beshty, „Vorbemerkungen über die Nachwirkungen allegorischer Kritik“, in: Texte zur Kunst, 74, 2009, S. 81–87.