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Verena Dengler

Links andeuten, rechts zuschlagen

Heute war Christian Kern schon wieder in Simmering Leberkäs essen. Ist hingeradelt im Anzug … Ist einmal ein österreichischer Mann gut angezogen, sind alle verwirrt. „Und wieviel kostet denn so ein Designeranzug?“, versucht es ein Journalist. „Ich glaube, das ist keine Frage des Geldes, sondern eine Frage des Geschmacks.“ Zack. Sonnenbrille auf, Instagram-Team im Rücken, keine Chance. Letztes Foto als ÖBB-Chef auf seiner Facebook-Seite: ein Selfie vom Muse-Konzert. Bundeskanzler Kern in seinem Büro vor einem Bild von Esther Stocker (Steinbock liebt Strukturen), Bundeskanzler Kern bei einem Talk mit Mariana Mazzucato beim Bruno Kreisky Forum in der Wirtschaftsuniversität, hinreißend charmantes Provinzler-Englisch, ich meine die Aussprache, nicht das Vokabular. Es macht Sinn, dass unser Vorzeige-Start-up-Sozialist genau diese Ökonomin in seiner Antrittsrede zitiert hat, hat sie doch in ihrem Buch „The Entrepreneurial State“ versucht, die Schwarz-Weiß-Dichotomie zwischen Staat und Markt aufzubrechen, und gezeigt, dass das Klischee von der Trägheit des öffentlichen Sektors vs. „dynamische“ Privatwirtschaft sogar in Amerika nicht stimmt, wo sich viele erfolgreiche Produkte wie das iPhone auf Basic Research von staatlich finanzierten Institutionen wie z. B. der NASA stützen. Und die Hersteller dann aber im Gegenzug keine Steuern zahlen wollen. In Österreich stimmt das Klischee auch nicht, hier bekommen z. B. Galerien eine sogenannte Messeförderung, das heißt, der Stand auf der Frieze usw. wird zum Großteil vom Bundeskanzleramt bezahlt. Dort kaufen dann vielleicht auch noch österreichische Museen mit dem Ankaufszuschuss vom Bundeskanzleramt Sachen ein. Das ist keine Kritik, in Österreich gibt es ja nur zwei Sammler, klar, da muss der Staat einspringen, damit es nicht peinlich ausschaut international.

Warum schreibe ich das? Rechtssein bedeutet so ca., den Staat für obsolet zu halten, für bevormundend, ihn Stück für Stück abbauen zu wollen (Steve Bannon), Linkssein, gegen den Markt etc. Aber die Millennials haben beschlossen, dass rechts und links für sie keine Bedeutung mehr hat. Rechts benutzt jetzt die Ästhetik der Linken – z. B. die Identitäre Bewegung mit ihren Poloshirts, New-Balance-Schuhen und ihrem Greenpeace-Banner-Style am Brandenburger Tor oder im Burgtheater, gegen den „großen Austausch“. Unlängst haben die neuen Jungkonservativen, die NEOS, in einem Videoclip gegen die übermäßige Bürokratie und Steuerlast für die sogenannten Neuen Selbstständigen kritisiert, dass es hier keinen unregulierten, entfesselten Markt gibt. In dem Spot wird ein junger „Kreativer“, ein Bobo mit Bart und kleinem Wollmützchen, von SVA (Selbstständigen-Versicherungsanstalt)- und WKO (Wirtschaftskammer)-Fahnen schwingenden Gestalten mit Anonymousmasken verfolgt. Bis er am Donaukanal zu Heavy-Metal-Musik zusammenbricht und schließlich aus diesem Albtraum erwacht, auf seinem Schreibtisch liegend, untermalt mit Keuchlauten und dem Hashtag #aufatmen, dem Slogan der Kampagne. Wer wird jetzt damit angesprochen? Von konservativer Seite wird oft betont, dass die wahren „Leistungsträger“ in Österreich nur herabgewürdigt werden. Ich kann mich noch an ein ÖVP-Plakat erinnern: „Ich will eine Stadt, in der Erfolg Anerkennung bringt und nicht Neid.“ Dabei ist Neid doch das ehrlichste aller Gefühle. Entsprechend sind für die SPÖ 2017 „LeistungsträgerInnen […] nicht die, die von Vermögen und Dividenden leben, sondern die Mittelschicht“. Gibt’s das noch, die Mittelschicht?

„Unnütze Künstler können schamlos ihre egomanische Selbstdarstellung auf Kosten anderer aufführen und mittels Verrat der Politiker dem Wahl- und Zahlvieh auch noch mit der Moralkeule laufend eine nach der anderen drüberziehen.“ So was steht in österreichischen Online-foren zum Thema Reisekostenzuschuss für Künstler/innen. Eigentlich eine super Jobbeschreibung, sollte man auf der Website der Kunstakademie bei den Bewerbungsinfos dazuschreiben … Viele Künstler/innen hierzulande schätzen den konservativen Politiker und ehemaligen Landeshauptmann von Niederösterreich, Erwin Pröll, für seine Großzügigkeit, was Zuschüsse für Kunst angeht. In Amerika sind ja anscheinend viele Sammler/innen republikanisch, und ich habe gehört, dass man sich mit zu direkter Trump-Kritik zurückhält. Man ist immer irgendwo abhängig.

Verena Dengler, 2017. Facebook update

Ich bin im echt Oldschool-roten Wien aufgewachsen. Mit Ostdeutschen verstehe ich mich immer besser als mit Wessis, sie haben einen ähnlichen Humor. In den 1980er Jahren haben sie DDR-Kunst in der Secession ausgestellt. Wenige Jahre später steht in meinem Tagebuch: „7. 2. 1995 Ah ja. Am Samstag war ich da: ‚T-Shirt-Batik‘ von der Sozialistischen Jugend, Club Morgenrot, mit Jugend-in-Wien-Bon gratis“. „Jugend in Wien“, das gibt’s immer noch, ist das von der Stadt Wien geförderte Programm zur Förderung von und so weiter … Für uns hat es einfach bedeutet: Konzertkarten mit staatlicher Subvention billiger kaufen. Dieses Programm ist von der Idee her volksbildungsmäßiges Holiday-Substitut für Kinder einkommensschwächerer Familien, die in den Ferien in Wien bleiben und nicht auf Urlaub fahren (können). Hab ich viel gemacht, es war meine erste Uni sozusagen.

In Österreich sitzen überall Burschenschafter in den Ämtern, die sich von Studentenverbindungen der Uni kennen. Die älteste Burschenschaft ist die Burschenschaft Hysteria. Gemeinsam mit den Freimaurern teilen sie unter sich klammheimlich die Spitzenpositionen im österreichischen Kunst- und Kulturleben auf.

Und dann kam 2016, und es kam eine Bundespräsidentenstichwahlwiederholungsanfechtung. Der grüne Präsidentschaftskandidat Van der -Bellen hat versucht, den Rechten den Heimatbegriff zu stehlen, und es mit permanentem Trachtenjanker-Tragen probiert. „VdB war wahlkämpfen am: Marillenkirtag in Spitz (NÖ), Seefest in Mondsee (OÖ), Kräuterfest in Sprögnitz (NÖ), Italienische Nacht in Voitsberg sowie die Schilchertage in Stainz (Stmk). Jetzt geht’s ums Duell am Neustifter Kirtag in Wien!“ (Facebook 19. 8. 2016) Die Leute haben es ihm nur bedingt abgenommen, auf einigen seiner Wahlkampfplakate war „Baltischer Jud“ drübergeschmiert.

Schon arg, in meinem Maturajahr (2000 – zur selben Zeit wie Schlingensiefs Container) kamen noch französische Kamerateams zu uns in die Schule, um uns zu interviewen, ob wir denn keinen Geschichtsunterricht hätten – das rechte Österreich und seine blau-schwarze Regierung war der politische Pariah, und europaweit wurden die Konzerte der Wiener Philharmoniker boykottiert. Wir sind jeden Donnerstag auf die Straße gegangen, demonstrieren, und auf Urlaub haben wir uns ein Pickerl aufs Auto geklebt: „I didn’t vote for Haider“. Das war bitte normal! Alle haben sich auf dieses Stereotyp verlassen, es hat die Welt schön einfach gemacht, wir sind die Nazis, die ständige Selbst- und Fremdkontrolle benötigen etc. Und jetzt sind wir plötzlich linker, grüner Hoffnungsträger, das Europaparlament applaudiert und in Amerika ist Faschismus? Verkehrte Welt! Man hätte auch nicht alles von uns aus in die USA exportieren müssen. Psychoanalyse hätte gereicht.

Titelbild: Verena Dengler, Burschenschaft Hysteria, 2016, Photo: HC Playner