WARUM DER STRESS?

Senga Nengudi, studio performance with “R.S.V.P.,” 1976
Wie antwortet man in einem Moment, der sich weniger „postmedial“ als eher der Frage des Mediums überhaupt überdrüssig anfühlt, auf die Einladung, über Skulptur zu schreiben? Ich sehe mich nicht wirklich als Skulptur-Person oder gar als Person des künstlerischen Mediums. Höchstens interessiere ich mich für Medien, in die andere Medien oder die mit ihnen verbundenen Komplikationen eintreten, um sie zu stören: Ich spreche gern über negative Räume in Installationen und über Künstler*innen, die auf Formate wie Stahlblech-Emaillierung spezialisiert sind oder auf Diashows oder auf Malerei, in die Drucktechniken eindringen, oder auf das Tanzen in Museen. [1] Das heißt aber nicht, dass ich Skulptur nicht mag oder nicht über sie nachzudenken versuche. Wenn ich wirklich über sie nachdenke, geht mein Geschmack in Richtung Skulpturen, die jeden Zweifel an ihrem Anthropomorphismus brachial ausräumen: Isa Genzken, Rachel Harrison, Nairy Baghramian, Senga Nengudi. Besonders gefällt mir, wie diese Künstlerinnen den Anthropomorphismus der Skulptur in eine Reflexion darauf zurückwenden, was der Mensch ist oder sein könnte. [2]
Das sollte ich kurz erklären. Wenn Skulpteur*innen wie Harrison oder Genzken das vertikale Format von Statuen verwandeln, um auf ihr unerwartetes zweites Leben als Aufbewahrungssysteme einzugehen – ich denke dabei insbesondere an Harrisons gestapelte Konfigurationen, aber auch an so einfache Arbeiten wie Genzkens Urlaub (2004) –, verhandeln sie sowohl die die Museumserfahrung bestimmende Wandfläche als auch die einfache Idee der umgrenzten Figur neu. Umgekehrt sehen wir uns mit den seltsamen Formen des Verkörpertseins konfrontiert, die die Kultur uns aufzwingt, oder, so durch Nengudis beutelförmige Rhizome oder Baghramians Scharniergelenke, gezwungen, sie zu überdenken. Wenn diese Künstlerinnen sich Schaufensterpuppen, der Horizontalen des Ellipsoids, Rastern oder Traggeweben zuwenden, lassen sie das von ihren Arbeiten implizierte „Wir“ sich über die am stärksten und die am wenigsten anthropozentrischen Formen und Leerstellen ausdehnen und schließen diese Extreme manchmal kurz. [3] In dieser sich abwechselnd verengenden und weitenden Bandbreite lernen wir zu sehen, wo Lebensformen ihre scharfen Grenzen verlieren. Statt dieser Grenzen zeichnet sich nach und nach ab, wo wir in die oft unsichtbaren Hilfssysteme verstrickt sind, die uns als lebende Wesen sowohl anders als Schaufensterpuppen, Raster, Ellipsoide, Beutel als auch wie sie sein lassen – oder anders als solche Formen und doch sie einschließend: auf sie angewiesen, so, wie wir Aufbewahrungssysteme sind.
Schließlich bedeutet der Versuch, als ein „Wir“ zu denken, dass dieses Pronomen sich verengen und weiten muss, wenn es zu irgendetwas taugen soll. Um Liz Larner zu zitieren, eine weitere Bildhauerin, die mir sehr am Herzen liegt:
„Ich denke mir die Erfahrung der Betrachter*innen gern als eine Begegnung, die der Bestimmtheit der jeweiligen Lebensform, des jeweiligen Dinges Rechnung trägt, die oder das sich zu einem gegebenen Zeitpunkt an einem gegebenen Ort befindet. […] Außerdem begegnen diverse Körper mit verschiedenen Arten, sich zu bewegen, Skulpturen.“ [4]

Nairy Baghramian, “Scruff of the Neck (UL 11, F),” 2016
Kann Skulptur aus „diversen Körpern mit verschiedenen Arten, sich zu bewegen“, ein „Wir“ herstellen? Verfallen wir aber nicht einer halbherzigen und möglicherweise leeren Inklusionsgeste. Hören wir stattdessen Larners Beschreibung, wie Körper und ihre Bewegungen selbst die Fragen der Bestimmtheit mit Ambiguität versetzen könnten, die dieses von seinen allzu körperlichen, allzu physisch-manifesten Umgrenzungen überdeterminierte Medium umtreiben. Die Malerei kann ihren Rahmungen trotzen, Performance ihren Anfängen und Enden. Das Verhältnis der Skulptur zur Begrenztheit ist bekanntermaßen vage. Eine Begegnung, die sich von diesen „diversen Arten, sich zu bewegen“, her öffnet, beginnt, die Bedingungen dieser Bestimmtheit zu umreißen und lässt sie sich wahrscheinlich anders verhalten. Skulptur als das Medium, dessen Umgrenzungen selbst für unser Daseinsgefühl entweder zentral sind (entweder wie dieses Ding) oder nicht, ist vielleicht auch das Medium, das uns helfen kann, unsere eigenen Grenzen neu zu denken. Ähnlich Dan Flavins aufleuchtenden Stäben verschwimmen sie vielleicht.
Bei den Vorarbeiten zu diesem Essay wurde mir klar, dass meine Auffassung des Mediums in einer entscheidenden Phase von Lawrence Weiners Behauptungen dahingehend geprägt wurde, dass Arbeiten, die er auf flache Wände malte, Skulptur seien. Seine „Statement/Skulpturen“, wie Birgit Pelzer sie nennt, entfalteten berühmtermaßen lexikalische, grammatische und diakritische Assoziationen, die sich in Raum und Bewegung, Konzept und Gegengewicht sowie in ihren Wechselbeziehungen materialisieren. [5] In Wieners Worten jedoch sollte die Skulptur uns zur Objekthaftigkeit führen: „Ich betrachte ‚Skulptur‘ als ein Wort, das die meisten Leute … vielleicht ist es eine Geste der Anpassung bei mir, aber es ist ein Wort, mit dem die meisten Menschen etwas anfangen können, als eine materielle Form, wie Menschen in Beziehung zu Gegenständen stehen.“ [6] Für mich ist Skulptur ein reichlich indirekter Weg, Menschen dazu zu bringen, über Objekte nachzudenken, über die wir, glaube ich, viel nachdenken. Statt die Begegnung als Frage von Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Verstehen – Grundprinzipien einer minimalistischen Sicht auf die Welt – zu begreifen, könnte/n wir/er eine Frage zu einer „materiellen Form, wie Menschen in Beziehung zu Gegenständen stehen“, stellen.
Wenn wir bereit sind, Objekte loszulassen, wie ich es vorschlage, dann können wir die Frage eröffnen, zu wem oder was und wie wir uns in Beziehung setzen.

Christine Sun Kim, “Time Owes Me Rest Again,” 2022
In letzter Zeit ist mir aufgegangen, dass Christine Sun Kims wandgebundene Arbeiten meiner Revision von Weiners Einsatz neuen Schwung verleihen könnten. Ihre Wörter, Formen und Linien verwandeln Wände oft in Zeichnungen oder springen auf ihnen herum; ihre Bedeutungen werden manchmal von Haufen farbig ausgemalter schwarzer Formen bekräftigt oder angefochten oder von Pfeilen und Bewegungslinien angetrieben. Wir sehen mit diesen Hilfsmitteln etwas vordergründig Konzeptuelles und Linguistisches. Zudem verschiebt die Form der*s Betrachters*in als einer aus Hilfestellungen und Sprachen – nicht der Sprache, der einen, die uns angeblich ausmacht, sondern Dutzenden anderen – zusammengesetzten Gestalt nicht nur was, sondern auch wie wir sehen. So zeichnet das Wandbild Time Owes Me Rest Again, das Kim 2022 im Queens Museum installierte, die Wörter „time“ und „owes“ niedersinkend, während die Wörter „rest“ und „again“ aufspringen, verschwinden, sich verflüchtigen. Cartoonhafte Wölkchen (im Sinne von „dieses Ding ist gerade verschwunden“) und sternähnliche Anzeiger für den Aufprall von etwas auf dem Boden helfen uns, die Wörter in Bewegung zu sehen, während gekurvte Bewegungslinien auf der riesigen gekrümmten Museumswand nahelegen, dass dieses Muster sich endlos wiederholt, eine Schuld, die immer weiter angehäuft wird, und so das „Ich“ im grafischen und semantischen Zentrum der Arbeit rekonfiguriert.
Wie die Künstlerin erklärte, halfen ihr die Zeichen für diese Wörter in der amerikanischen Gebärdensprache (ihre dreidimensionalen Gebärden im Raum), die Anordnung der Arbeit als zweidimensionales Diagramm festzulegen. [7] Aber wie andere Arbeiten von Kim (z.B. The Sound of Temperature Rising, 2019) vorführen, prägen alle möglichen assoziativen und internalisierten Grafiken und Notationssysteme, etwa schon die einfachste musikalische Notenschrift, unser Erleben. In Temperature Rising dramatisieren grafische Zeichen für klangliche Effekte eine Klimaveränderung unbekannter Größenordnung. Ist sie innerlich, eine Phase der Wut, die hier empfunden wird? Ist sie quasi universell, erfasst sie die Menschen einer verbrennenden Erde? Die hüpfenden, vektorisierten Räume, die die Künstlerin entstehen lässt, verweisen auf einen Körper, der sich als der der Künstlerin selbst, aber auch als der erschöpfter Bevölkerungsgruppen weltweit lesen lässt – oder als beides zugleich. Der von diesen Arbeiten beschworene Körper ist so formbar wie der Raum, der sich vor der Wand erstreckt; er muss es sein – nicht nur, weil das das Wesen der Öffentlichkeiten der Kunst ausmacht, sondern weil, wie sie so eindrücklich betonen, unsere eigenen Körper genau so funktionieren. [8] Auf zwei Dimensionen werden Räume konstruiert nicht nur für drei Dimensionen, sondern für Hitze, Klänge, Affekt, Bewegung. Skulptur existiert in der Kovalenz dieser gemeinschaftlichen und innerlichen Atmosphären.
In Kims wandbasierten Arbeiten sehe ich, wie Kunst auf unser Verkörpertsein verweisen könnte, ohne Stellvertreter für Körper im Raum zu benötigen. Indem sie es vermeidet, dreidimensionale, plastische Volumina für den Körper einstehen zu lassen (als könnten sie das), fordert Kim uns auf, darüber nachzudenken, wie Körper für vielfältige Wege geöffnet werden können, die Umrisse des Menschseins, wie wir sie zeichnen, auf eine neue Grundlage zu stellen. So wird die Unterscheidung zwischen dem Menschen und den Hilfestellungen, derer er sich bedient, zugleich hervorgehoben und expansiv zum Einsatz gebracht. Plastizität, Volumen und Sein geraten in eine wechselseitige Abhängigkeit ohne konkrete Volumina, die nur dreidimensionale Formen beglaubigen würden, die wiederum normative und oft hieratische Vorstellungen vom Menschen untermauern. Anders gesagt: Kims wandgebundene Arbeiten zeigen uns, wie Skulptur von uns fordern kann, unser Verkörpertsein zu bedenken, ohne uns Körper oder auch ihre Stellvertreter als Skulptur zu zeigen. So kann Verkörperung selbst Fragen dazu aufwerfen, wie wir ein gemeinsames Material werden.

Joseph Grigely, “What the Stress Amounts To,” 2023
Was ist mit Skulpturen, die tatsächlich Volumen besitzen?
Letzten März installierte Joseph Grigely im Massachusetts Museum of Contemporary Art What the Stress Amounts To (2023), eine elf Meter hohe Säule mit einem Durchmesser von 2,8 Zentimetern aus Folienverschlüssen, wie man sie von Weinflaschen entfernen muss, damit man den Korken ziehen kann. Der sich etwas neigende Turm, auf den ersten Blick eine Hommage ans Trinken, ließ mich unweigerlich an André Caderes Stäbe denken. Die Farbkombinationen der heutigen Weinbranche nutzen, so scheint es, genau die von Cadere in den 1970ern bevorzugte chromatische Palette: Die tiefroten, gelbgoldenen, grünen und weißen Töne, mit denen Cadere seine Spulen von zehn Zentimetern Durchmesser bemalte, bevor er sie aneinanderfügte, klingen unverkennbar in Grigelys etwas dunklerem und weitaus längerem zylindrischem Turm an.
Cadere hinterließ seine Stäbe zunächst in Ausstellungen von anderen, bevor er sie an Wände gelehnt für sich ausstellte. Lily Woodruff beschreibt sie als durch die „kulturelle Unangemessenheit der Anwesenheit des Kunstobjekts innerhalb und außerhalb von Kunstkontexten“ charakterisiert, was zu Grigelys eigenen institutionskritischen Bestrebungen passen dürfte. [9] Man könnte diesen Turm leicht als indexikalisches Zeichen eines Eins-zu-eins-Verhältnisses zwischen dem Stress, unter dem der Künstler steht, und den Weinmengen, die er konsumiert, lesen – eine Sprache der Zeichen und Signifikanten, mit Folienverschlüssen als Maß der Belastung. Man könnte ihn auch als aus den Überbleibseln des Weinkonsums mit anderen errichtet deuten. Viele von Grigelys Arbeiten, von Blueberry Surprise (2003), die aus tausenden Äußerungen besteht, die der Künstler archiviert hat, bis zu White Noise (2023), zwei Pavillons, die mit über 2.500 Zetteln tapeziert sind, die Menschen Grigely zuschoben, verlängern seine Begegnungen mit anderen in Archive, die über Jahre oder Jahrzehnte Bestand haben. Es handelt sich also nicht einfach um Werke, die unendlich viel Zeit in Anspruch nehmen, sondern um Sedimentationen täglicher und alltäglicher Formen der wechselseitigen Abhängigkeit. Diese macht hier mit aus, wie die Arbeit nicht nur zu dem Kreis von Menschen, mit denen ihn Fürsorge verbindet, sondern auch zum Netzwerk von Freund*innen und Fremden gehört, denen er im gesellschaftlichen Leben begegnet. [10]
Statt einer Skulptur, von der man sich vorstellt, sie sei auf einmal da, nimmt Grigelys Werk ständig neue Arten von Kadenzen und Perioden an. Unsere Begegnung wird nach und nach mit dem befrachtet, was Lauren Berlant den „langsamen Tod“ nennt, den endemischen Zermürbungskrieg, der insbesondere gegen schutzlose Bevölkerungsgruppen geführt wird. Im Rückgriff auf Michel Foucaults Begriff von Endemien als „permanenten Faktoren“, die „die Kraft der Bevölkerung untergruben“, verweist Berlant auf „eine Unterscheidung zwischen individuellem Leben und kollektivem Weiterleben, in der Leben zunehmend ein Schauplatz der Verwaltung, Disziplinierung und Rekalibrierung dessen wird, was Gesundheit ausmacht“. [11] Es ist – gerade in Kunstinstitutionen, die offenkundig bestimmte Körper privilegieren – nicht so, dass jeder Körper nichtnormativ ist. Sondern nichtnormative Arten, zu sein, zu kommunizieren, sich zu bewegen und verkörpert zu sein, gehören dazu, wie wir neu denken, „was der Stress“ im Maßstab einer Bevölkerung „letztlich bedeutet“.

Joseph Grigely, “White Noise,” 2023
Lasst mich einen Schritt zurücktreten. What the Stress Amounts To ist ein witziger, prägnanter Turm, der kaum im Boden verwurzelt und von einer extrahohen Atriumdecke abgehängt ist, so weit oben, dass man den Befestigungsmechanismus niemals erkennen könnte. Er stürzt nicht herab, sondern schwingt sich auf.
Dieses Aufschwingen umschreibt ein beinahe nihilistisches Streben. Der „Stress“ im Titel der Arbeit ließe sich als Gegensatz zu „ungestresst“ lesen, aber auch als Versuch, Druck auf die Normalisierung von Gesundheitsstandards auszuüben. Mit anderen Worten, vielleicht ist Grigelys Turm weder der Index eines individuellen noch der eines kollektiven gestressten Ich, sondern eine Ästhetisierung von „Stress“. Eine solche nihilistische Schönheit müsste man annehmen, als wäre sie eine Impfdosis, die uns zwingt zu sagen: Dieses (nichtkörperliche, nicht-stellvertretende) Etwas, das hier in Aufschwung versetzt wird, verweigert sich den Begriffen, in denen man uns „Stress“ gemacht hat. Terre Thaemlitz fragt: „Was, wenn man sich weigert, Normalisierung zu feiern?“ Was also, wenn man sich dem Ungestressten als Ideal verweigert? „Was“, so Thaemlitz weiter, „wenn man auf die Gewalt des Zwangs, sich als krank zu identifizieren, nicht mit der Forderung, als gesund anerkannt zu werden, sondern mit einer Politisierung des Wunsches reagiert, als gesund anerkannt zu werden?“ [12] Was, anders gesagt, wenn man, statt „Stress“ als Klage, als Negativum zu lesen, die Gelegenheit erkennt, solche Gesundheitsstandards zurückzuweisen? Ich meine damit nicht, dass die Bevölkerungen der Welt nicht sich ausruhen oder der Hitze entkommen sollten; angesichts des Mangels an strukturierter Fürsorge ist es nicht hilfreich, die Abwesenheit von Ruhe oder lebbaren Atmosphären zu pathologisieren. Wenn Kunst je den Kräften der Normalisierung das Gewicht des „kulturell Unangemessenen“ entgegenschleudern wird, dann, indem sie die Atmosphäre verändert. Was mir an Grigelys schiefem Turm vielleicht so gefallen hat, war, wie elegant die sich aufschwingende Säule aufragte. Als ein „Fuck you“ war sie nicht besonders rahmensprengend, aber sie ließ das, „was der Stress letztlich bedeutet“, sich für einen Moment so anfühlen, als erhöbe es sich aus eigenem Antrieb in die Lüfte.
Übersetzung: Gerrit Jackson
Rachel Haidu ist Professorin für Kunstgeschichte an der University of Rochester. Sie ist die Autorin von The Absence of Work: Marcel Broodthaers, 1964–1976 (MIT Press; October Books, 2010) und Each One Another: The Self in Contemporary Art (University of Chicago Press, 2023) sowie zahlreichen Essays über moderne und zeitgenössische Künstler*innen. In ihrem aktuellen Buchprojekt untersucht sie Fragen des Übergangs sowohl als historischen Prozess als auch im Rahmen der Gender und Trans Studies. Zusammen mit Hannah Feldman ist sie Herausgeberin eines geplanten Bandes mit dem vorläufigen Titel Touching Paper: Writing Towards Art, Love, and the Weather.
Image credit: 1. © Senga Nengudi, courtesy of Sprüth Magers and Thomas Erben Gallery, photo Ken Peterson; 2. Courtesy of Nairy Baghramian and Marian Goodman Gallery, photo Elisabeth Bernstein; 3. Courtesy of Christine Sun Kim, François Ghebaly Gallery and White Space, photo Hai Zhang; 4. + 5. Courtesy of Joseph Grigely, Krakow Witkin and Air de Paris, photo Jon Verney
Anmerkungen
[1] | Ich denke hier an Ulrike Müller, James Coleman, Amy Sillman bzw. Anne Teresa de Keersmaeker. Mein kürzlich erschienenes Buch Each One Another ist nach Medien eingeteilt, um die Effekte gegenseitiger Befruchtung zwischen Medien über sie hinweg und in ihnen spielen zu lassen (Malerei, die von Drucktechniken auf den Kopf gestellt wird und auf sie antwortet, Video im Dialog mit massenmarkttauglichem Film usw.). |
[2] | Von Michael Frieds kanonischem Angriff auf den Minimalismus bis zu David J. Getsys Lektüre „freistehender skulpturaler Objekte im menschlichen Maßstab, die die Proportionen, Frontalität und Struktur des menschlichen Körpers aufnehmen“, um den Geschlechtsdimorphismus zu hinterfragen und zu überwinden, hat dieser Anthropomorphismus sich als entscheidend für den Diskurs der Skulptur erwiesen. Siehe David J. Getsy, Abstract Bodies: Sixties Sculpture in the Expanded Field of Gender, New Haven, CT, 2015, S. 6. Der Verweis im nächsten Absatz bezieht sich auf Flavins pink out of a corner (to Jasper Johns) (1963) auf dem Cover von Getsys Buch. |
[3] | Über Genzkens „frischen Biomorphismus“ schreibt Daniel Horn: „Es ist, als hätte sie in einen der Schlitze, die Lucio Fontanas Markenzeichen waren, hineingegriffen, um aus dieser pathologischen und sexualisierten Nachkriegsleere einen luftigen Festkörper hervorzuziehen.“ Daniel Horn, „Isa Genzken: Kunstmuseum Basel“, in: Artforum, 59, 6, 2021. |
[4] | Liz Larner im Gespräch mit Mary Ceruti, in: Liz Larner: Don’t Put It Back Like It Was, in: Ausst.-Kat., hg. von Karen Kelly/Barbara Schroeder, New York/Minneapolis/Brooklyn, NY, 2022, S. 29. |
[5] | Siehe Pelzers Lektüre der von ihr sogenannten Statements/Skulpturen Weiners, darunter 534, die seit 1995 im Kunst Museum Winterthur ausgestellt ist. Dort schreibt sie von „Wörtern“, die wie „Blöcke in einem System räumlicher Gewichte und Maße“ behandelt werden. Birgit Pelzer, „Dissociated Objects: The Statements/Sculptures of Lawrence Weiner“, übers. von John Goodman, in: October, 90, Herbst 1999, S. 82. |
[6] | Weiner weiter: „Ich denke, daß die meiste Malerei, vor allem die meiste gelungene Malerei, auch auf einer skulpturalen Ebene funktioniert.“ Lawrence Weiner, „Ein Gespräch mit William Furlong über 20 Arbeiten von Lawrence Weiner, präsentiert in London 1980“, in: Gefragt und gesagt: Schriften & Interviews von Lawrence Weiner 1968–2003, hg. von Gerti Fietzek/Gregor Stemmrich, Ostfildern-Ruit 2004, S. 119. |
[7] | Siehe „Christine Sun Kim Explains Her Site-Responsive Project“, art21, Staffel 11, Folge 3, PBS, ausgestrahlt am 20. Oktober 2023, 1:14. |
[8] | „Die Öffentlichkeiten der Kunst“ hier als Erbe von Adrian Pipers Worten: „Lassen Sie uns eines wenigstens deutlich sagen: Das hier ist keine leere theoretische Übung. Es ist real. Und es betrifft Sie ganz direkt.“ Adrian Piper, „Cornered: A Video Installation Project“, in: Theory in Contemporary Art since 1985, hg. von Zoya Kocur/Simon Leung, Malden, MA, 2005, S. 182–86, zitiert in Andrew Blackley, „Park McArthur: Geometry, Material, Scale“, in: Afterall, 40, 2015), S. 57–58. |
[9] | Lily Woodruff, Disordering the Establishment: Participatory Art and Institutional Critique in France, 1958–1981, Raleigh, NC, 2020, S. 147. |
[10] | Eine Vorstellung, die hier zwar nicht eigentlich hingehört, aber doch mitschwingt, ist die der Konvivialität, wie Jasbir Puar sie entwickelt hat und wie Künstler*innen wie Park McArthur sie aufgegriffen und untersucht haben. Natürlich ist Konvivialität in ihrem Sinn nicht notwendigerweise die Gesellschaft, in der Grigely Folienverschlüsse sammelt. „Anders als Vorstellungen von Gegenwehr, Widerständigkeit, Subversion oder Transgression (Facetten des queeren Exzeptionalismus, die, ohne dass man sich dessen bewusst wäre, genau zu modernen Erzählungen vom Fortschritt in der Moderne passen) rückt Konvivialität Kategorien wie Rasse, Geschlecht und Sexualität als Ereignisse – als Begegnungen – statt als Instanzen oder Attribute des Subjekts in den Vordergrund.“ Grigely zeigt oder erzählt uns nicht viel von den Begegnungen, die er aufzeichnet oder von denen er dokumentarisches Material sammelt; tatsächlich dürften die in White Noise versammelten Notizen (anonyme) Identitäten und Geschlechter wenn überhaupt verstärken. Zur Konvivialität siehe Jasbir Puar, „Prognosis Time: Towards a Geopolitics of Affect, Debility and Capacity“, in: Women and Performance: A Journal of Feminist Theory, 19, 2, 2009, S. 168. Siehe auch Park McArthur, „Sort of Like a Hug: Notes on Collectivity“, zuerst in: „Heat Island“, hg. von Isla Leaver-Yap, Themenausgabe, The Happy Hypocrite, 7, 2014, S. 48–60. |
[11] | Lauren Berlant, „Slow Death (Sovereignty, Obesity, Lateral Agency)“, in: Critical Inquiry, 33, 4 2007, S. 756. Zu Behinderung und Debilität siehe Jasbir K. Puar, The Right to Maim: Debility, Capacity, Disability, Raleigh, NC, 2017. |
[12] | Terre Thaemlitz, „Deproduction“, Essay zum Album Deproduction, Comatonse Recordings, 2017; Hervorhebungen im Original; verfügbar auf der Webseite von Thaemlitz’ Plattenlabel. |