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Vorwort

Die Ankündigung, nach zwei Heften von Texte zur Kunst zu feministischen Themen eine Ausgabe „über Männer" machen zu wollen, stieß auf ein belustigtes Echo. Einerseits weil sich das Männliche im Kunstbetrieb — wie in der Gesellschaft überhaupt — als das unmarkierte Allgemeine, als Norm, an der alles andere gemessen wird, behaupten kann: am deutlichsten vielleicht in der sozialen Sphäre, die die Kunstproduktion umgibt, und die nach wie vor Männerbünde, männlich ausgerichtete Hierarchien und männlich akzentuierte Verhaltensrituale kennt und pflegt. Andererseits weil die Beschäftigung mit Maskulinität inzwischen so etwas wie ein Modethema geworden ist, das nicht nur Zeitschriften, Symposien und Kuratoren umtreibt, sondern schon dazu geführt hat, daß englische Buchhandlungen mittlerweile eigene Abteilungen für „masculinity" und „heterosexuality" eingerichtet haben.

In der Spaltung zwischen dem unreflektierten Fortbestehen der gängigen Verkehrsformen des Betriebes auf der einen und der geradezu verdächtig verbreiteten Begeisterung für Theorien der Maskulinität auf der anderen Seite scheint sich ein Dilemma zu wiederholen, das aus feministischen Zusammenhängen bekannt ist: das Auseinanderklaffen von universitärer Reflexion und gesellschaftlicher Praxis. Bei der Konzeption dieses Heftes ging es deshalb darum, den Import von Theorien und ihre Anwendung auf die politische Praxis gleichberechtigt nebeneinander zu stellen: dieses Prinzip kommt sowohl in der Auswahl der Beiträge wie in ihrer Plazierung zum Ausdruck.

Aus dem gleichen Grund sollte die Beschäftigung mit der „Männerfrage" auch nicht, wie dies gern und mit gesellschaftlicher Sanktionierung geschieht, auf ein Problem homosexueller Theorie und Praxis reduziert, sondern als Kritik und Analyse der meist ausgeblendeten (weil zur „Normalität" deklarierten) Heterosexualität angelegt werden.

Die Beschäftigung mit der Maskulinität hat für die Kunstproduktion — jenseits des aktuellen Medienrummels — grundsätzliche Bedeutung. Andy Warhol punktierte den Zusammenhang von Geschlecht und Geschlechtsidentität mit der Frage „Art, isn't that a man's name?", wobei er für die (geschlechtsneutral gedachte) Kategorie Kunst einen individuellen (männlichen) Namen einsetzte und damit eine Form des Begehrens ins Spiel brachte, welche sich als allgemein gültig setzende und deshalb unreflektiert bleibende, heterosexuelle Blick- und Machtverteilung unterminierte. Seit den sechziger Jahren ist die grunder sätzliche Konstruiertheit des Maskulinen als Problem Kunstproduktion erkannt und, wenn auch nicht kontinuierlich, in immer neuen Anläufen thematisiert worden. Dies geschah nicht allein in den Cross-over-Figurationen eines Urs Lüthi, Jürgen Klauke oder Michel Journiac, welche die konstruierten Geschlechtsidentitäten parodistisch vorführten, sondern auch (und mit weit größerer Ambivalenz) in der Arbeit von Chris Burden und Vito Acconci, bei denen „Männlichkeit" sowohl als Triebfeder wie als Thema der Produktion begriffen wurde. Der durch die jüngstvergangenen Retrospektiven eröffnete Blick auf Yves Klein macht klar, wie sehr die Verfügbarkeit bestimmter strategischer Herangehensweisen an die Selbstdefinition als „männlicher Künstler" gebunden war.

Unser Heft stellt theoretische Dekonstruktionen von Maskulinität vor, verfolgt aber auch die imaginären Männlichkeiten, welche die Zeichnungen von Tom of Finland, die Romane Hans Henny Jahnns oder die Filme von Martin Scorsese und Oliver Stone entwerfen. Bewußt wird dabei Motivanalyse neben Methodendiskussion gesetzt; die Beiträge von Rifkin und Weinberg demonstrieren, daß der Umgang mit imaginierten Männern spezifische Formen des Lesens und des Sehens verlangt, damit das Vorgeführte nicht vorschnell heterokratisch verengt wird. Doch auch für die Theorie ist das männliche Begehren keineswegs einfach zu fassen: Whitney Davis arbeitet die Schwierigkeiten heraus, welche Freud die psychoanalytische Herleitung und Definition von Homosexualität bereitete. Die Gespräche in diesem Heft zeichnen eine (natürlich durchaus ergänzungsbedürftige) Typologie der realen Männerrollen, wie sie sich im Kunstbetrieb behaupten; ihr Spektrum reicht von den „alten" oder „altgewordenen" Männern bis hin zu jenen, die trotz ihrer „weichen" Selbstpräsentation autoritäre Züge nie ganz abgelegt haben.

STEFAN GERMER / ISABELLE GRAW / TOM HOLERT / HIROKO KÖNIG