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Claudia Seidel

Doch Mit Den Clowns Kamen Die Tränen Ugo Rondinone in der Kunsthalle Wien

"If There Were Anywhere But Desert!", 2001, Courtesy Galerie Hauser & Wirth & Presenhuber, Zürich "If There Were Anywhere But Desert!", 2001, Courtesy Galerie Hauser & Wirth & Presenhuber, Zürich

Die hyperartifiziellen Installationen des Schweizer Künstlers Ugo Rondinone greifen vor allem auf Techniken des Sampling und des Zitierens zurück. Dabei werden Referenzen auf die Kunst-, Film- und Designgeschichte häufig mit effektvollen Mitteln wie farbigem Licht oder musikalischen Untermalungen verbunden.

Spätestens mit seiner umfassenden Ausstellung in der Kunsthalle Wien dürfte sich Rondinone der Kritik aussetzen, das Potential seines Aneignungsverfahrens durch die permanente und aufdringliche Heraufbeschwörung suggestiver "Stimmungen" zu verspielen.

"No How On" nennt der Schweizer Künstler Ugo Rondinone seine Ausstellung in der Kunsthalle Wien. Der Titel ergibt zwar keinen Sinn, klingt aber ganz gut. Wir lassen uns ja gerne auf Rätsel ein und hoffen, irgendwann eine Erklärung zu finden. Nach einigem Blättern im Begleitheft zum Katalog findet sich auch schon die Lösung: "No How On" ist aus Beckett herauszitiert, aus seiner Prosa "Worstward Ho!", was auf deutsch so viel heißt wie "Auf Schlimmste zu". Wenn die Architektur der Kunsthalle nun Ugo Rondinones Werk wäre, könnte man die Ausstellung sofort als geglückt besprechen, denn die gebotene Situation ist das schlichte Grauen. Viel Lounge, kein Mensch da, und zu Trinken gibt es auch nichts. Die Bar ist geschlossen. An dieser Theke ließe sich ewig auf Godot warten, stünde nichts anderes auf dem Programm. Ein gläserner Lift ist vom Boden bis zur Decke hinter einem Vorhang verborgen und steht als Modus funktioneller Verneinung im Raum. Der Aufzug selbst repräsentiert an und für sich das ewige Fahren: rauf, runter, rauf, runter, rauf, runter, ziellose Bewegung, Loop ohne Sinn. Ein wenig Betriebsamkeit stellt lediglich das Flimmern der Flatscreens her, die eine Menge an Info von sich geben, wie toll es hier sonst so zu geht. Einfach klasse, diese Öde, wo Ereignis als Second-Hand-Erlebnis vermittelt wird und ansonsten kaum die morbide Ruhe stört. Hier wird Leere zelebriert und der Mensch auf sich selbst zurückgeworfen. Nach dieser existentiellen Erfahrung empfindet man die Ausstellung einfach nur als ärgerlich. Eine grellgelbe Wand sticht in die Augen und macht hell, wo gerade alles so schön dämmrig war. Statt Sinnverlust kehrt Fülle ins Leben ein, und es ist kaum möglich, sich der Geschwätzigkeit der Werke zu entziehen. Sterile Zwitterwesen bevölkern als Fotomontagen die Wand, für die Rondinone seine blassen, feminin wirkenden Gesichtzüge auf ausgemergelte Modelkörper gesetzt hat. "I Don't Live Here Anymore" (1995-2001) ist die Serie betitelt, und man fragt sich, warum der Künstler dann so präsent ist und aus allen Bildern blickt, wenn er hier und jetzt nicht mehr lebt. Fotografie als Medium lässt sich für den Ausdruck von Abwesenheit nicht so leicht vereinnahmen, denn ihr Sein ist ihr Referent. Wenn des weiteren fleischfarbene Clowns aus Polyester ins Werk gesetzt werden ("If There Were Anywhere But Desert!"), indem sie wie die toten Fliegen auf dem Boden liegen oder apathisch an der Wand lehnen, zeigt dies augenfällig, dass Zirkus überall, bloß hier nicht stattfindet. An dieser Stelle muss man sich auch fragen, was mit dem reichlich strapazierten Motiv des Clowns überhaupt gewonnen ist - was übrigbleibt, wenn man die Vorlage bzw. das "Vorbild" abzieht? Reine Plattitüde, denn schon bei der Putzfrau Duane Hansons konnte man über die "condition humaine" nachdenken, George Segal ließ seine Figuren bekanntermaßen weiß und führte so die Identität in die Krise. Bei Rondinone scheitert die künstlerische Aneignung, denn ihr fehlt der ästhetische Bruch, die Brisanz, die Qual oder der gemeine Hinterhalt. Manifestation ist bereits der Superlativ, ihn allein bestätigt zu sehen, ist einfach nur langweilig. Warum sich zwischen Beckett und Rondinone entgegen allen ins Feld geführten Argumenten nun wirklich keine Wahlverwandtschaft herstellen lässt, liegt an des letzteren Hang zu Illustration und Opulenz. Ganze Räume müssen bei ihm dran glauben, wo dem Iren drei Worte reichen. Führt man sich die Elemente vor Augen, mit dem ein zerfasertes, postmodernes "Ich" bei Rondinone in die totale Auflösung gezwungen werden soll, stehen Aufwand und Ergebnis in keinem Verhältnis. Als da sind: Ein sich durch den Raum weitschweifig ziehendes Pfeilerlabyrinth, über und über bedeckt mit Hunderten, Tausenden kleiner Spiegelplättchen. Auf die Wände ringsum ist mit dunkler Farbe eine breite Sockelzone gesprüht. Eine sirrende Stimme ist hörbar und auf sechs Monitoren spielt sich, dramaturgisch gesehen, wenig ab. Züge fahren, Hände spielen, eine Frau windet sich in Bettlaken, ein Mann läuft unablässig zwischen zwei Fenstern hin und her. Das ist alles gut gemeint. Doch Entfremdung, gar Panik, wird weiß Gott nicht hergestellt. Dazu glitzern die Spiegelchen zu sehr nach Disco. Es ist noch genügend Inhalt da, um sich ein Davor und ein Danach vorzustellen. Irgendwann steigt die Frau aus dem Bett und der Zug fährt in den Bahnhof ein. Bei Rondinone schweigt die Welt nicht, sie drängt sich auf. Was hier an eine Schädelstätte von Beckett erinnern soll, weiß ich beim besten Willen nicht.

"Ugo Rondinone - No How On", Kunsthalle Wien, 28. Juni bis 22. September 2002.