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Elaine de Kooning

Hans Hofmann Paints A Picture

Dass Künstler/innen Texte über Kunst schreiben, ist beileibe keine Seltenheit mehr. Doch in der Umgebung der New York School nahm Elaine de Kooning (1918-1989) in den vierziger und fünfziger Jahren als Künstlerin und als Autorin (beispielsweise in Artnews) eine absolute Sonderrolle ein.

Ihre Texte über Franz Kline, Arshile Gorky, Mark Rothko stellen auch insofern einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Abstrakten Expressionismus dar, als sie immer zugleich „Augenzeuginnenberichte“ sind. Ihre eigene Involviertheit in die von ihr beschriebenen künstlerischen Strömungen kam ihr dabei insbesondere beim Textgenre des „Atelierbesuchs“ zugute: de Kooning hat in mehreren Texten den Herstellungsprozess eines Gemäldes schriftlich dokumentiert. In dem hier ausgewählten Text beschreibt de Kooning ihren Besuch im Atelier des Malers Hans Hofmann.

„Ein Bild zu schaffen, hat etwas von einem körperlichen Kampf“, sagt Hans Hofmann, dessen unbändige nervöse Energie sich in den ausladenden Dimensionen und leuchtenden Farben seiner Abstraktionen mitteilt. Er arbeitet mit erstaunlicher Schnelligkeit, ohne sich jemals hinzusetzen, in ständiger Bewegung zwischen Palette und Staffelei, trägt dabei seine Farben mit breiten, stoßartigen Bewegungen auf und vollendet ein Gemälde oft innerhalb weniger Stunden. Die Zimmer seines geräumigen, hellen Hauses in Provincetown, wohin er jeden Sommer seine Schule verlegt, sein Apartment und sein Atelier in New York hängen voll mit seinen eigenen Bildern der letzten zehn oder fünfzehn Jahre, zusammen mit einer Reihe französischer Primitiver und einiger recht aktueller Dubuffets, die Hofmann im letzten Jahr in Paris gekauft hat, als er dort eine Ausstellung hatte. Er mag es, von seinen eigenen Arbeiten umgeben zu sein, denn „ein starkes Gemälde gibt einem ständig neue Ideen und fördert die Schwächen anderer zutage.“ — „Wenn man sich ein Gemälde nicht immer wieder anschauen kann,“ fährt der Künstler fort, „dann sollte man es zerstören.“ Fertige Gemälde, die diese Prüfung nicht bestehen, wandern zurück auf die Staffelei ... Wenn Hofmann mit einem Gemälde nicht zufrieden ist, dann flickt er nicht einfach die Farbe oder den Bildausschnitt zurecht, der ihn gerade stört, sondern er nimmt sich die gesamte Komposition vor. „Ein Gemälde muss man in einem Schwung vollenden“, sagt er und erklärt damit einen Teil der gewalttätigen Unmittelbarkeit seiner Arbeiten, ganz gleich ob er nun Stunden oder Monate für sie gebraucht hat.

Der lebhafte siebzigjährige Maler, einer der derzeit bedeutendsten Kunstlehrer, hatte einen Lebenslauf, der seit der Gründung seiner Münchner Schule 1915 immer zwischen seiner Lehrtätigkeit und seiner eigenen Malerei geteilt war. 1930 ließ sich Hofmann von seinen zahlreichen amerikanischen Studenten davon überzeugen, seine Heimat zu verlassen, um an der University of California zu unterrichten. Vier Jahre später eröffnete er dann die New Yorker Schule, die Studenten aus dem ganzen Land in Scharen anzog. Hier verbringt Hofmann zwei vollgepackte Tage pro Woche (er unterrichtet vormittags, nachmittags und abends) mit Vorlesungen und Bildkorrekturstunden.

Jede Betrachtung von Hofmanns Technik muss ihren Ausgang bei seinen Theorien nehmen. „Die Technik ist immer Konsequenz des übergreifenden Konzepts; wechselt man das Konzept, dann ändert sich auch die Technik.“ Möglicherweise umfassen die Arbeiten seiner Studenten aufgrund der Wandlungsfähigkeit seiner Theorie das gesamte Spektrum von strikter Ungegenständlichkeit bis hin zur genauest ausgeführten Repräsentation. Letztere findet bei Hofmann jedoch keine Unterstützung: „Objektive Darstellungen leiden oft an ihrem kleinen Maßstab; die menschliche Gestalt schrumpft zur Puppe, eine Landschaft verkommt zur Kulisse eines Marionettentheaters“, sagt er. Obwohl sein Unterricht auf abstrakte Prinzipien gründet, lässt Hofmann seine Studenten immer am lebenden Modell arbeiten — genauso, wie auch er es — mit Ausnahme einiger „automatischer“ Gemälde — hält. Ein Fenster in seinem Atelier, ein Stillleben kann die Formen vorgeben, die manchmal — meist jedoch nicht — in einer unendlichen Zahl von Gemälden wieder auftauchen (das Stillleben, das er für „Fruit Bowl No. I“ arrangiert hat, ist schon Sujet in mehreren anderen Gemälden gewesen). „Um das Wesen des Raums zu verstehen, muss sich der Künstler an die Natur halten — aber er muss auch das Erscheinen der Dinge ganz und gar verstanden haben. Raum war nie etwas Statisches, Unbewegliches, sondern etwas sehr Lebendiges, und dieses Leben ist in dem Rhythmus zu spüren, in dem alles in einem visuellen Ensemble existiert.“

Eine zufällige Zusammenstellung von Möbeln kann so zur Inspiration werden, aber der erste kreative Schritt bei der Erschaffung dieses Bildes war die gut durchdachte Anordnung von Objekten auf einem Tisch (ein wesentlicher Teil seines Unterrichts besteht in der Konstruktion der häufig in sich schon kubistischen Stillleben, die er seinen Klassen vorgibt). Hofmann kann, wenn er ein Stillleben arrangiert, einen Gegenstand nicht im Hinblick auf die ihm eigene Form präsentieren, sondern als einen „Raum-Schaffer“. So verlieren etwa eine weiße Schale, drei Äpfel, ein Aschenbecher, ein kleiner Krug und ein irdenes Gefäß in seinem Stillleben ihre gewohnte Solidität, denn wichtiger und suggestiver als die Gegenstände selbst werden die Abstände zwischen ihnen — die hier durch einen „Hintergrund“ aus silberfarbenem Geschenkpapier und dem Schaft aus Zellophan in der Vase aktiviert werden. Ausgehend von einem bestimmten „visuellen Ensemble“ findet Hofmann in gewisser Weise sein Sujet erst dann, wenn das Gemälde vollendet ist. Manchmal spiegelt sich ein allgemeines Umfeld wider — die Bilder aus Provincetown sind „von Sonnenlicht durchflutet“; manchmal ist es eine Stimmung — „eine Form kann traurig oder fröhlich sein; eine Linie rauschhaft.“ Im Entstehen hatte das Bild keinen Titel, bis Hofmann eine Serie fertig hatte und dabei schließlich feststellte, dass die Obstschale, die von einer Version zur anderen grundlegend ihre Form änderte, der dramatische Mittelpunkt jedes der Gemälde war: Daher der erklärende Titel „Fruit Bowl: Transsubstantiation, No. I, II, III, IV, V“ usw.

Obwohl seine Haltungen und Methoden oft gewechselt haben, hat sich Hofmann immer mit Größenverhältnisse beschäftigt. Er arbeitet gern auf großen Leinwänden, weil man, wie er erklärt, „in einem kleinen Gemälde seinen Bizeps nicht gebrauchen kann“. Er erinnert sich an seinen ersten Besuch im Metropolitan Museum of Art, bei dem er, nach dem Rundgang durch das ganze Museum, auf einen winzigen Ryder stieß, der „eines der großartigsten Gemälde dort“ war, er fügt jedoch hinzu: „Ein Künstler sollte fähig sein, Monumentalem auch in einem kleineren Gemälde Ausdruck zu verleihen“. So verbringt er jede Woche als eine Art Pflichtübung eine gewisse Zeit damit, Skizzen auf Papier oder Spanplatten anzufertigen. Für diese Skizzen dient ihm ein großes Stück Pappe auf einer Kiste als Unterlage (die einzige Zeit, die Hofmann sitzend verbringt). Nach jahrzehntelanger Erfahrung hat er „nicht mehr die Geduld, mit Stiften, Bleistift oder Kreide zu arbeiten“. Er zeichnet immer mit einem Pinsel und fertigt Tempera-Skizzen in großen Mengen an — manchmal zwanzig bis dreißig in einer Stunde. Diese Skizzen dienen nicht als Vorstudien für Gemälde, sondern fungieren als bloße „Übungen“. Für die konzentrierte Arbeit an einem bestimmten Problem empfindet er Tempera jedoch als zu unbeweglich und benutzt daher Ölfarben.

Drei schwarz-weiße Öl-Skizzen von dem Stillleben zeugen von seiner Suche nach der möglichen Tiefe seines Sujets auf einer zweidimensionalen Oberfläche. In der ersten dieser Skizzen wählt er die größte Fläche, und die Objekte im Bild sind dementsprechend kleiner im Verhältnis zum gesamten Rechteck; in der zweiten Skizze dräut mächtiger die in Nahansicht hervorspringende Schale innerhalb der Komposition; in der dritten, die im Muster am einfachsten angelegt und dem Gemälde am nächsten ist, haben sich die Abstände auf ein Niveau eingependelt, das zwischen den ersten beiden Skizzen liegt. Das einzig wichtige Motiv, das sich von den Skizzen in der ganzen Entwicklung des Gemäldes durchzieht, ist jedoch der feine vertikale Spalt, leicht links der Mitte der Komposition; davon abgesehen ist das Gemälde bis hin zu den Proportionen der Leinwand völlig unabhängig von den Skizzen.

Hofmann hat für die Schaffung eines Gemäldes kein Regelwerk entwickelt. Im Gegenteil, immer auf der Hut vor Intellektualismus und Virtuosentum sagt er: „Wenn ich ein Bild mache, dann möchte ich nicht wissen, was ich tue, ein Bild sollte mit Gefühl, nicht mit Wissen geschaffen werden. Die Möglichkeiten des Mediums müssen gefühlt werden. Alles kann als Medium dienen — Kerosin, Benzin, Terpentin, Leinöl, Bienenwachs ... sogar Bier“, fügt er scherzhaft hinzu. Er arbeitet normalerweise mit der ganzen Palette, aber für „Fruit Bowl, No. I“ hat er nur vier Farben — weiß, rot, blau und gelb — verwendet, und eine weitere — karmesinrot —, als das Bild fast vollendet war.

Er bekennt sich zu seiner Vorliebe für extreme Impastos und sagt, er könne „hundert Tuben für ein Gemälde oder eine Tube für hundert Bilder verwenden; viele Medien oder überhaupt keine.“ Während der Arbeit an einem Gemälde bedeckt er sich selbst und alles um ihn herum mit Farbe, aber er ist peinlich genau auf sauberes Arbeitsmaterial bedacht. Ein Kanister Terpentin und eine riesige Rolle Gaze stehen für die Reinigung seiner Pinsel und Paletten am Ende eines Malgangs immer griffbereit. Während der Arbeit hält er jedoch zu diesem Zweck kaum einmal inne. Er geht verschwenderisch mit seinen Materialien um und sorgt dafür, dass sein Atelier gut ausgerüstet ist „mit sämtlichen möglichen Werkzeugen, die man braucht, um Bilder zu machen“. Eine große Anzahl Paletten (Glasscheiben, Spanplatten, Tischplatten), Palettenmesser, Gefäße voller Pinsel, Kisten mit Farbtuben, Leinwandrollen und Bristolkarton stehen alle fein säuberlich geordnet zum sofortigen Gebrauch bereit. Normalerweise malt er auf schwerer, grober Leinwand — ursprünglich aus Kostengründen, inzwischen, weil er findet, dass dieses Material seiner heftigen Technik besser standhält als Leinwand. Er bereitet die rohe Leinwand selbst mit Mattweiß vor, um die Poren zu schließen und trägt dann eine Gesso-Grundierung auf, von der er behauptet, sie sei die einzige Grundierung, die nicht vergilbt (einziger Nachteil ist, dass diese Bilder nicht gerollt werden können, weil sie sonst brechen würden). Obwohl er Pigmente gerne großzügig aufträgt (Hofmann amüsiert sich oft über die „ausgehungerten Farbpaletten“ seiner Studenten), versucht er, Teile der Leinwand während der gesamten Entstehung des Bildes frei zu lassen, denn deren Textur und Farbe bilden eine wichtiger Grundlage für die ganze Bandbreite seiner Impastos und Farbtöne. (In der endgültigen Fassung von „Fruit Bowl, No. I“ zum Beispiel zeigt sich bei dem Papierkegel, den Flächen um die Punkte auf dem Zellophan und bei einigen Rändern von Flächen die unbehandelte Leinwand.) „Wenn ich die Grundierung verliere, bin ich zu weit gegangen“, sagt er, und in diesem Fall verstärkt er einige Formen mit weißer Farbe (er benutzt Permalba), um sich wieder zurechtzufinden. Weiß ist, wie der Künstler findet, die wichtigste Farbe, „weil es die neutralste ist und noch die feinsten Schattierungen immer eine klare Beziehung zu ihr aufbauen“. Mit „reiner Farbe“ — einem Ausdruck, den Hofmann ständig benutzt — meint er nicht Farbe, wie sie aus der Tube kommt. Jede Mischung, so seine These, kann rein sein; schmutzige Farben entstehen aus der Beziehung ihrer Komponenten — wie etwa bei der harten Gegenüberstellung von Farbtönen zur Schaffung von Lichteffekten.

„Malen bedeutet für mich, mit Farben zu formen“, sagt Hofmann. Sein erster Farbstrich ist sehr wichtig, denn er kann noch im fertigen Bild sichtbar sein; daher hat Hofmann für „Fruit Bowl, No. I“ erst einmal beträchtliche Zeit damit zugebracht, das vor ihm angeordnete Stillleben zu studieren, bevor er den Pinsel zur Hand nahm. (Der Künstler, der sich über Jahrzehnte hinweg exponiert hat, wenn er seinen Studenten — oft siebzig Leute in einem Raum — etwas vorgeführt hat, konnte in Anwesenheit des Fotografen malen, lässt jedoch normalerweise niemanden außer seiner Frau Miz in sein Atelier.) Seine Bildanfänge sind unterschiedlich. Dieses Mal wählte er einen kleinen, weichen Pinsel, tauchte ihn in Terpentin, dann in blaue und gelbe Farbe und legte schließlich zügig, mit feinen, flüssigen Linien, in einer an eine Blaupause gemahnenden Leinwandzeichnung, die „Architektur“ des Stilllebens fest. Die das Bild bestimmenden Diagonalen fand er in den großen Flächen des Silberpapiers, das hinter dem Stillleben aufgestellt war, und dem auf dem Tisch liegenden Zylinder; horizontale und vertikale Ausrichtungen fanden sich in der Tischplatte, der Pappsäule darunter und dem großen Brett dahinter. Übergangspartien zwischen Hell und Dunkel wurden als Tupfer an den Rändern der Linien festgehalten. Hofmann beginnt jedoch seine Bilder nicht immer mit den Konturen; genauso oft fängt er damit an, Farbflächen anzulegen, so wie er es hier im zweiten Schritt getan hat. (...)

Nach einer achtstündigen Sitzung am folgenden Tag fand die Komposition zu einer simpleren Balance, ganze Gruppen kleiner, glitzernder Flächen waren inzwischen von einem tiefen, kräftigen Grün in grob umrissenen Rechteckformen verschluckt worden. Ein leuchtendes, schweres Gelb bedeckte nun den ursprünglich zart getönten „Hintergrund“ und was vorher leichte, flinke Konturen gewesen waren, gewann nun eine herrliche, düstere Strenge. Mit einem langen roten Streifen, keck und endgültig, zur Linken und mit seiner Signatur zur Rechten erklärte er das Gemälde für vollendet — aber, nachdem er mit „Fruit Bowl, No. II“ begonnen hatte, sah sich Hofmann dreimal dazu gezwungen, zur ersten Fassung zurückzukehren, bevor er sie — mit einer dicken roten Kalligrafie, dem prononciertesten Zusatz — endgültig zum Abschluss brachte.

„Ein Kunstwerk ist aus der Sicht des Künstlers dann abgeschlossen“, sagt Hofmann, „wenn Gefühl und Wahrnehmung eine spirituelle Synthese eingehen.“ Diese Synthese kann jederzeit eintreten und sogar — wie die verschiedenen Stadien und „Transsubstantiationen“ von „Fruit Bowl“ zeigen — mitten im Schaffensprozess erlangt werden. Wie Hofmann geschrieben hat, ist „jeder tiefe künstlerische Ausdruck das Ergebnis eines bewussten Wirklichkeitsgefühls“. Doch für den Betrachter ist die Wirklichkeit, die in Hofmanns Bildern aufscheint, die machtvolle Wirklichkeit der Farbe und nur der Farbe.

(Übersetzung: Susanne Saygin)

(Auszug aus: „The Spirit of Abstract Expressionism“, Selected Writings, New York, 1995)