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Vorwort

Der interne Arbeitstitel der vorliegenden Ausgabe von Texte zur Kunst war „Painting is not the issue“ – und in diesem Sinne plädieren die Beiträge in diesem Heft für eine Malerei, die in den Worten David Joselits (in -October, Heft 130) gleichsam neben sich steht. Genauer gesagt, geht es um die theoretische wie kunsthistorisch verankerte Erörterung einer aktuellen malerischen Praxis, für welche die Frage danach, was Malerei als (Leit-)Medium der Kunst, spezifische Gattung und symbolische Institution im Kern ausmacht, nicht der springende Punkt ist. Vielmehr geht es der Malerei im Zentrum dieser Ausgabe darum, sich vor dem Hintergrund der Geschichte der Institutionskritik und unter den Bedingungen eines längst schon digitalen Zeitalters auf die ökonomischen, medialen und diskursiven Netzwerke ihrer Her- und Ausstellung hin zu öffnen und ihre Integrität als vorgeblich abgeschlossenen Bereich einer ästhetischen Tätigkeit bewusst zu unterminieren.

Auch eine Untersuchung der aktuellen Zustände der Malerei (siehe Susanne Leebs Besprechung der Berliner Ausstellung von Thomas Eggerer) ist aber gebunden an ein Wissen um die Bedeutung, die der Malerei bis heute als angeblichem Inbegriff der „Kunst“ zugeschrieben wird – ablesbar im Übrigen auch an den mit ihr erzielten Auktionsergebnissen. Jede künstlerische Praxis, die gemalte bzw. an den Konventionen des Malerischen orientierte Bilder umfasst, wird sich mit dieser essenzialistischen Aufladung auseinanderzusetzen haben. Bei der Malerei handelt es sich somit um eine Institution, die lange Schatten wirft. Gerade dieser Umstand ist es, der die „Malerei als Dispositiv“ (siehe den Beitrag von Helmut Draxler) so unhintergehbar und ihre theoretischen Konnotationen indes brauchbar auch für solche Praktiken werden lässt, die auf den ersten Blick nichts mit Leinwänden, Farben und Keilrahmen zu tun haben.

In der progressiven us-amerikanischen Kunstkritik der 80er und 90er Jahre war Malerei lange Zeit verpönt, und zu Recht kritisierte man die mit malerischen Praktiken oftmals einhergehenden Mystifizierungen. Der Preis für diese zumeist pauschalisierende Abwehr war jedoch ein Rekurs auf einen seinerseits essenzialistischen Malereibegriff, der das Medium per se mit Ausdruck, Authentizität und Substanz assoziierte, so als seien ihm regressive Tendenzen qua künstlerisches Material inhärent. Stattdessen kommt es in der Perspektive dieser Ausgabe darauf an, in monografischen Fallstudien Malerei als an den „eigenen“ historischen Kategorien sowie an denjenigen anderer künstlerischer Gattungen bzw. deren Hybridisierung orientierte Artikulation zu begreifen und sie entsprechend als ökonomisches, soziopolitisches und mediales Verhältnis zu diskutieren (siehe die Beiträge von David Joselit über Cheney Thompson, Luke Cohen über Rebbecca H. Quaytman, Sabeth Buchmann über Silke Otto-Knapp, Caroline Busta über Blake Rayne und Josef Strau über Birgit Megerle).

Der Modernismus des 20. Jahrhunderts hatte im Gegensatz dazu auf einer Selbstreflexion des Mediums in der Malerei insistiert, um eine Autonomie der Kunst zu behaupten. Dieser Anspruch in seinem ebenso fantasmatischen wie imaginären Charakter fungiert heute oft als Anknüpfungspunkt für eine reflexive malerische Praxis (siehe Hanne Lorecks Besprechung der Berliner Ausstellung von Monika Baer). Längst hat jedoch eine unumkehrbare Entgrenzung der Künste eingesetzt, mit dem Ergebnis, dass nicht nur malereispezifische Diskurse in andere Medien, so zum Beispiel in die großformatige Fotografie der sogenannten Becher-Schule, abwanderten, sondern umgekehrt auch die Anliegen aus der Performance Art oder (post)konzeptuellen Kunst heute im Modus des Malerischen verhandelt werden können. Von einem klar abzugrenzenden Bereich, in dem exklusiv malerische Fragen verhandelt würden, kann in Folge der notorischen „Ausfransung der Künste“ (Adorno) demnach keine Rede mehr sein. Umso dringlicher scheint deshalb die Frage, wie sich vor dem Hintergrund dieser Entwicklung und der sie begleitenden Debatten um das vermeintliche „Ende der Malerei“ oder des „Ausstiegs aus dem Bild“ in Kunstgeschichte und Kunstkritik noch produktiv über Malerei diskutieren und einzelne Positionen streiten lässt (siehe das Gespräch zwischen Isabelle Graw und Achim Hochdörfer).

Die Malereikritik der letzten Jahrzehnte ist maßgeblich nicht nur von Kunsthistorikern/Kunsthistorikerinnen und Kritikern/Kritikerinnen, sondern auch von Künstlern/Künstlerinnen ausgegangen. Von Jörg Immendorffs „Hört auf zu malen!“ über Michael Krebbers Wolldeckenbildern bis hin zu Merlin Carpenters „The Opening “ hat es immer wieder Versuche gegeben, mit der Malerei gegen die Malerei zu argumentieren. Dass die Institution Malerei all diese Versuche, sie ad absurdum zu führen, herauszufordern oder sogar totzusagen, in sich aufzunehmen wusste, konnte man zuletzt im Zuge der institutionellen Integration des Bad Painting beob-achten. Auch die in den späten 70er Jahren ausgesprochen festgefahrene Frontstellung zwischen konzeptuellen und malerischen Ansätzen scheint mittlerweile aufgeweicht. Malerei, die die Lektionen der Malereikritik in sich aufgenommen hat, ist inzwischen nicht nur salonfähig, sondern bisweilen sogar gefragt.

Während in dem einen Segment des Kunstbetriebs solchermaßen postkonzeptuelle Formate und Prämissen inzwischen zum Standard gehören, konservieren sich im anderen hingegen figurative Malweisen, die die theoretischen Debatten der letzten 40 Jahre ostentativ ignorieren und sich – vielleicht gerade deshalb – einer ungeheuren Beliebtheit im kommerziellen Sektor erfreuen. Der Popularität dieser Form der Malerei – von Peter Doig bis zur Leipziger Schule – wird in dieser Ausgabe ebenfalls nachgegangen (siehe den Essay von Niklas Maak). Einmal mehr zeigt es sich, dass „Malerei“ als gemeinsamer Nenner für unter ihrem Banner lange schon diversifizierte künstlerische Praktiken nicht trägt. Gerade deswegen geht unseres Erachtens kein Weg an einer erneuten Malereidiskussion vorbei.

ISABELLE GRAW /   ANDRÉ ROTTMANN