Das Recht auf Anerkennung. Helmut Draxler zur Demontage eines Werks von John Knight im Hamburger Bahnhof, Berlin
John Knight, The Right to Be Lazy, 2008
Für gewöhnlich werden Museumsdirektoren und -direktorinnen heute als Superkuratoren/Superkuratorinnen gehandelt, die träge und bürokratisch gelähmte Institutionen auf Vordermann bringen sollen. Und in manchen Fällen gelingt ihnen das auch tatsächlich. Charismatisch positionieren sie sich zwischen Kunstwelt, Publikum und Institution, in vielen Fällen auch gegen diese. Was aber, wenn es mit dem Charisma und der Genialität nicht so weit her ist? Denn viele Institutionen entwickeln ihre besten Momente gerade dann, wenn sie von keiner höchsten Instanz eingebremst werden, wenn sich die unterschiedlichen Positionen der einzelnen Kuratoren/Kuratorinnen überhaupt erst zeigen und im Wechselspiel miteinander entfalten können.
Als Udo Kittelmann seine Stelle als Direktor der Berliner Nationalgalerie antrat, d.h. nicht nur als Chef des Hamburger Bahnhofs, sondern gleich weiterer fünf Museen, war das Schlimmste zu befürchten. Denn der Hamburger Bahnhof hatte sich eben erst vom unrühmlichen, durch schlechte Sammlungsarrangements ermöglichten Einfluss von Heiner Bastian freigemacht, und in kurzer Zeit eine Reihe von programmatischen Ausstellungen und differenzierte kuratorische Positionen hervor gebracht. Schon bald zeigte sich, dass gerade dies nicht mehr gefragt zu sein schien, und dass die Institution tatsächlich mehr denn je zur individuellen Spielwiese ihres Superkurators werden sollte. Seither wird sie von oben her gelähmt. Dass die Kritik bisher mit soviel nobler Zurückhaltung reagiert hat, liegt sicherlich daran, dass das kuratorische Geschick Kittelmanns gerade darin zu verorten wäre, unterschiedliche Fraktionen der Kunstwelt zu bedienen und damit keine einheitliche Front gegen ihn aufkommen zu lassen.
Über eine Ausstellung wie die von Martin Honert muss man sicherlich nicht viele Worte verlieren. Dass es dem Künstler ermöglicht wurde, eine von Kittelmanns Vorgängern angekaufte Arbeit zu zerstören, ohne dass dies inhaltlich oder konzeptuell in irgendeiner Weise nachvollziehbar kommuniziert worden wäre, ist jedoch ein dreister Akt. Insbesondere, weil hier eine fragile Arbeit wie John Knights „Das Recht auf Faulheit“, die sich der Festivalisierung des Ausstellungsbetriebs durch passive Potenzen des Gewähren-Lassens entzieht, auf das Allerdümmste auf den Kopf gestellt wurde. Denn Honert fiel tatsächlich nichts Besseres ein, als in jenes Rondell vor dem Hamburger Bahnhof, innerhalb dessen nun für einige Jahre das Gras nicht gemäht wurde, ein Zelt zu stellen und damit die subtile Allegorie Knights in eine Anekdote des Mitmachens um jeden Preis zu verwandeln. Die Philosophie Kittelmanns auf den Punkt zu bringen, ist ihm damit sicherlich gelungen. Dreist ist dies nicht nur John Knight gegenüber (siehe den angefügten Brief des Künstlers an Udo Kittelmann), sondern auch im Hinblick auf die Institution selbst und ihr Selbstverständnis im Engagement zur Ermöglichung und Bewahrung unabhängiger Werke.
Helmut Draxler (Mitglied der Ankaufskommission 2005 – 2008)
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THE RIGHT TO RECOGNITION
On the dismantling of a work by John Knight at Museum Hamburger Bahnhof
Today’s museum directors are commonly seen as super-curators who promise to whip institutions that have become sluggish and hobbled by bureaucracy into shape. And in some cases, they have been successful. With much charisma, they stake out a position for themselves between the art world, audiences, and the institution – or, often, in opposition to that institution. But what if their charisma and brilliant ideas aren’t much to shout about? Because many institutions see their best moments happen when no highest authority holds the reigns, when the different positions of the various curators can come into full view and flourish in the interplay between them.
When Udo Kittelmann took office as director of the Berliner Nationalgalerie – as the boss, in other words, not just at Museum Hamburger Bahnhof, but also at five other museums – there was reason to fear the worst. The Hamburger Bahnhof had just rid itself of the less than glorious influence that Heiner Bastian had been able to wield thanks to poor collection arrangements; in a short space of time, the museum had generated a number of programmatic exhibitions and nuanced curatorial positions. It quickly became apparent that these same qualities no longer seemed to be in demand: more than ever before, the institution would be a playground for its super-curator’s individual predilections. And indeed, it has been hobbled from above ever since. That the critics have so far responded with much noble restraint is surely due to Kittelmann’s particular curatorial skill, which is to cater to different factions of the art world so that no unified front against him coalesces.
There’s surely no need to make many words about a show like Martin Honert’s. But allowing the artist to destroy a work acquired by Kittelmann’s predecessors without communicating the point of this decision or the conceptual framework in which it was made in even remotely comprehensible fashion: that is an act of brazen impertinence. Especially because the intervention took a work as fragile as John Knight’s “The Right to Be Lazy”, which defies the festivalization of the exhibition business by force of its passive potencies of letting-be, and turned it on its head in the stupidest way. The best Honert could come up with was to pitch a tent on the circular lawn outside the Hamburger Bahnhof, which hadn’t been mowed for several years, turning Knight’s subtle allegory into an anecdote about being in on the action at any price. In so doing, he has no doubt found a way to put Kittelmann’s philosophy in a nutshell. Honert’s intervention is an offense not only to John Knight (see the artist’s letter to Udo Kittelmann below), but also to the museum itself and its self-image as an institution dedicated to the production and preservation of independent-minded art.
Helmut Draxler (member of the acquisitions committee, 2005–2008)
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9 February 2013
Dear Herr Kittelmann,
Well, contacting me "late" is hardly a problem in comparison to what finally took place. To be quite frank, in my 42 year career, I have never experienced such a thing as that which occurred around your installation of the Martin Honert exhibition, can’t imagine you would ever consider doing something like dropping one artist work inside another; I'm very sure you would never consider dropping this object on top of the Nauman sculpture near by. Nor, should I say, would either Bruce, myself or any other sane artist ever behave in such a disgusting way against the work of another artist! And, what do you mean by "adjourned"? This project is not a typical art object that can be moved willy-nilly, but, rather, a work in situ, in perpetuity; a work completely connected to its site, by extension, the cycling of the seasons, year upon year, as it was clearly agreed upon at the time of its installation - ask your 'colleague' Eugen Blume.
In addition, I absolutely do not want, nor give you permission to use your proposed image. Using such a benign image is simply adding insult to injury; a ten-year old child would understand such a choice a further disregard for the preservation of the essence of the project. Therefore, I will ask that the attached image be used or, no image at all.
Finally, this kind of arrogant disregard for an artist's work in your permanent care is completely unacceptable, thus, deserving of a hard and swift response.
With absolute sincerity,
John Knight
Los Angeles
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Antwort von Udo Kittelmann, vom 9. April, 2013:
Lieber Helmut Draxler,
lassen Sie mich im Folgenden auf Ihren Artikel "Das Recht auf Anerkennung" in der online-Ausgabe von "Texte zur Kunst" eingehen, wie auch auf das Ihrem Artikel angehängte Schreiben von John Knight vom 09. Februar 2013.
Dieses Schreiben erweckt den Eindruck, als hätte John Knight dieses zuvor an mich persönlich gerichtet. Ich darf Ihnen versichern, dass ich zu keinem Zeitpunkt von John Knight persönlich angeschrieben wurde. Vielmehr wurde dieser Brief erstmals in Ihrem Artikel an mich persönlich adressiert und nicht wie ursprünglich am oben genannten Datum, von John Knight an einen Mitarbeiter der Nationalgalerie adressiert. Für die Veröffentlichung in Form eines offenen Briefes wurden hier demzufolge die Adressaten ausgetauscht, ohne einen Hinweis darauf.
In Beantwortung dieses Schreibens haben wir seitens der Nationalgalerie John Knight am 08. März 2013 unsere Position dargelegt und einen Vorschlag für die zukünftige Präsentation und Fortsetzung seines Werkes unterbreitet. Eine Antwort auf unser Schreiben von John Knight steht leider bis heute aus.
Sowohl das Schreiben John Knights, wie auch Ihr Artikel, erwecken den Eindruck, dass das Werk "The Right to be Lazy" durch einen "dreisten" Akt der Demontage zerstört wurde.
Hiervon kann bei genauerer Betrachtung allerdings wohl kaum die Rede sein.
Unser Verständnis war, dass das Werk in seiner zeitlichen Dauer temporär ausgesetzt werden kann, dahingehend haben wir auch mit dem Künstler kommuniziert.
Die zum Ankauf des Werkes angefügte Vereinbarung, die auch von John Knight unterzeichnet wurde, sieht explizit eine Entfernung seines Werkes vor. Im genauen Wortlaut hierzu heißt es: "Whereas both parities agree that the artist be informed in advance of the removal/destruction of the project, for any reasons whatsoever."
Ich möchte mich aber ausdrücklich bei dem Künstler dafür entschuldigen, dass wir ihn nicht rechtzeitig, vielmehr erst am 28. Januar 2013, über das temporäre Aussetzen von "The Right to be Lazy" informiert haben. Über diesen Punkt hätten wir ihn, daran kann es sicherlich keinen Zweifel geben, vorzeitig informieren müssen.
Ich hoffe sehr dass meine Antwort auf ihren Artikel zur Klarheit und Richtigstellung beitragen kann.
Mit den besten Grüßen,
Udo Kittelmann