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„Ich bin argwöhnisch gegenüber jeder staatstragenden Metaphorik“, Michaela Melián im Gespräch mit Kerstin Stakemeier über Memory Loops, ihr virtuelles Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus im Stadtraum München

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Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Aleida Assmann, Prof. Nikolaus Hirsch und Prof. Dr. Harald Welzer, moderiert von Julian Doepp

2008 gewann Michaela Melián als eingeladene Teilnehmerin den Münchener Wettbewerb zu einem künstlerischen Denkmal zum Thema „Opfer des Nationalsozialismus – Neue Formen des Erinnerns und Gedenkens“. Am 23. September 2010 wurde im Münchner Rathaus nun ihr aus diesem Anlass entstandenes Audio-Projekt Memory Loops öffentlich der Stadt übergeben. Das Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus besteht aus insgesamt 24 Stunden Audiomaterial. Meliáns auf Archivmaterial basierende Produktion legt sich hierbei, von der Internetseite Memoryloops.net ausgehend, wie ein virtuelles Netz über die Stadt. Im Stadtraum selbst sind 60 ausgewählte Orte durch Schilder mit Telefonnummern gekennzeichnet, zu denen sich, ortsspezifische Tonspuren abhören lassen. Zudem können MP3 Player bei öffentlichen Kulturinstitutionen ausgeliehen werden, auf denen 6 Hörspiele abrufbar sind. Diese sind aus Teilen der 300 deutschen und 175 englischen Tonspuren komponiert, die vollständig auf der Internetseite Memoryloops.net zugängig sind. 

 

Kerstin Stakemeier: Zunächst möchte ich auf das Format von Memory Loops zu sprechen kommen. Denkmäler sind Kommissionen, Auftragsarbeiten die zumeist einen eng umgrenzten räumlichen und medialen Rahmen als Ausgangspunkt haben. Hieraus ergibt sich für den/die Künstler/in das Problem, wie sich aus ihrer Position heraus der im Auftrag benannte historische Zusammenhang fassen lässt, der nicht als eine repräsentative Huldigung des Auftraggebers, also hier der Stadt München, lesbar wird. Wessen Geschichte wird in den Memory Loops repräsentiert oder wie findet in deinem Fall die Repräsentation jenseits der offiziellen Erinnerungspolitik statt?

Michaela Melián: Prinzipiell muss mir als Künstlerin bei der Realisierung eines Denkmals immer klar sein, dass der Auftraggeber, in diesem Fall die politische Exekutive, sich entlastet, indem eine symbolische politische Geste als Aufgabe an mich als Künstlerin delegiert wird. Und per se bin ich natürlich argwöhnisch gegenüber jeder staatstragenden Metaphorik bzw. Rhetorik. Aber in diesem Fall war die Ausschreibung für den Wettbewerb das Ergebnis mehrerer Symposien und Konferenzen, sie war sehr offen formuliert, eine monumentale Lösung war nicht vorgesehen. Die Problematik der Darstellung des Auftragsgebers hat sich also nicht wirklich gestellt, schon allein deshalb, weil in der Ausschreibung kein spezifischer Ort für das Denkmal vorgesehen war. Hiermit entfällt eben auch eine Stätte, an der an den Gedenktagen Kränze niedergelegt und offizielle Erinnerungsrituale vollzogen werden können. Mit den Memory Loops legt sich nun eine Art auditive Struktur über den Stadtplan, das ganze Stadtgebilde wird somit als Träger des Denkmals definiert und entzieht sich damit auf der materiellen Ebene diversen Vereinnahmungen und Umarmungen. Gleichzeitig hatte ich schon in meinem ersten, nur als Text formulierten Entwurf angegeben, dass der Zugriff auf die Geschichte sich nicht auf die Jahre von 1933 bis 1945 beschränken dürfe. Vielmehr müssen die Erzählungen schon weit vorher spätestens mit dem Scheitern der Münchner Räterepublik 1919 einsetzen, und in die Gegenwart zu unserem Umgang mit dem Erinnern führen. So ist auch eine Tonspur zu den Stolpersteinen die es ja bekanntlich in München nicht gibt, entstanden.

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Audiostation in München, 2010

Stakemeier: Viele deiner Ausgangsmaterialien sind Interviews, solche, die du mit Zeitzeug/innen geführt hast, solche, die ehemalige Häftlinge aufgezeichnet haben, aber auch Archivmaterialien aus dem Sendearchiv des Bayrischen Rundfunks oder auch die Privatarchive zweier Dokumentarfilmerinnen, auf die du zurückgreifen konntest. Durch deinen Bezug auf unterschiedliche Ausgangsmaterialien und die neuen Beziehungen, die du zwischen ihnen herstellst, löst Memory Loops die Arbeitsteilung zwischen Wissenschaft, Kunst, Zeitgeschichte und Regionalgeschichte, auf der die Einordnung dieser unterschiedlichen Dokumente innerhalb der herrschenden Geschichtsschreibung basiert, weitgehend auf – bzw. bestimmt sie neu. Was waren für dich die Ordnungskriterien inmitten der vermutlich zunächst recht unüberschaubaren Quellenlage?

Melián: Die Ordnungskriterien haben sich erst bei der Recherche herausgebildet. Schwierig war ja, dass die ganze Stadt Thema war. Folgende grundsätzliche Fragestellungen begleiteten den gesamten Produktionsprozess: Wie komplex erzähle ich welche Geschichten, was darf ich weglassen, was kann ich voraussetzen? Wie eng stecke ich das Feld für eine Recherche, zu der es Unmengen von Material gibt, das wir hätten sichten bzw. hören müssen? Wir, d.h. eine von mir zusammengestellte Gruppe aus Studierenden und Doktoranden, die unter meiner Regie in den Archiven gesucht, gehört und abgetippt haben. Regelmäßig diskutierten wir die Ergebnisse und verfeinerten dabei immer weiter die Einstellungen für die Suche. Der Auftrag in der Ausschreibung der Stadt München war, dass alle Opfergruppen berücksichtigt werden müssen und keine Nivellierung bei der Gewichtung stattfinden darf. Wichtig war für mich, auch denjenigen Gehör zu verschaffen, die bislang als Opfergruppe gar nicht existent sind, keine Stimme haben, wie z. B. den Euthanasieopfern oder den Zwangssterilisierten. Außerdem wollte ich möglichst auch Quellen von sogenannten Bystandern, also Nachbarn, Zuschauern finden, was außerordentlich schwer war. Hier besteht eine riesige Lücke in den Archiven, und diese Lücke wird deshalb auch durch Memory Loops ausgestellt.

Stakemeier: Indem du diese unterschiedlichen Rollen aufnimmst, sie gemeinsam als Funktionen eines ihnen gemeinsamen Gewaltzusammenhangs in Memory Loops vergegenwärtigst, wird die Auswahl der Sprecher/innen zu einer zentralen Frage, sowohl für die historische Wahrnehmung der Zusammenhänge, als auch für die Vermittlung ihrer Gegenwärtigkeit.  Indem du nicht das Archivmaterial durch eine ‚authentische’ Autorität, also durch vergangenes Kolorit vorstellst, sondern es von Schauspieler/innen, teilweise auch von Kindern, eben von Zeitgenoss/innen statt von Zeitzeug/innen eingesprochen wurde, verlieren die Interviews und Dokumente, die du übersetzt hast, die absichernde Distanz, die ein in dieser Form historisierender Umgang für die Gegenwart bedeutet hätte. Der historisierende Charakter entfällt. Wie sehr  hast du bei der Bearbeitung in das Ausgangsmaterial, das ja stark von einander unterschiedene Quellen umfasste eingegriffen?

Melián: Grundsätzlich stand am Anfang die Überlegung, dass es keine moderierende Stimme geben soll und keinen dokumentarischen Zugriff, keine Ebene für Kommentare. Vielmehr arbeite ich mit den Mitteln der Collage, der Montage. Erzählungen von Menschen, die in der offiziellen Geschichtsschreibung eher zu kurz kommen, sollten hier ihren Platz bekommen. So habe ich auch erst bei dieser Arbeit erfahren, dass die ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau sich nach 1945 zunächst selbst interviewen mussten, weil niemand an ihrer Geschichte interessiert war. Bei diesen Aufnahmen aus der Nachkriegszeit sind die Menschen, die überlebt haben, noch jung, sie sprechen noch nicht als Zeitzeugen, sondern vor dem Hintergrund der zeitlich noch nahen Geschehnisse im Bewusstsein einer sie umgebenden restaurativen Umgebung, die diese Ereignisse verdrängen und nicht erinnern wollte. Wichtig bei der Bearbeitung des Materials war, dass ich mich gegen einen historischen Zugriff entschieden habe, nämlich die spezifischen Geschichten nicht an die Identität der Opfer rückzubinden, sondern vielmehr Erzählungen gesucht habe, die exemplarisch für die Menschen stehen, die nicht überlebt haben bzw. deren Geschichte nicht festgehalten wurde. Natürlich habe ich bei der Transkription der gesprochenen Sprache auch eingegriffen, habe sie verflüssigt, weitgehend das Lokalkolorit (Dialekt, bayerischer Satzbau) herausgenommen und gekürzt. Allerdings habe ich nicht alles auf ein einheitliches sprachliches Niveau gebracht, das Material sollte möglichst heterogen in seiner Versprachlichung bleiben, während ich die Akten, Anzeigen, Zeitungsartikel im übertragenden Sinn wie Abbildungen behandelt habe. Sie wurden eins zu eins von den Kindern gelesen, sind auch nicht mit Musik kombiniert, sondern wurden sozusagen freigestellt.

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"Memory Loops" Plakatwand in München, 2010

Stakemeier: Dadurch wird der Hörerin die Alltäglichkeit dieser Geschichte meiner Erfahrung nach bewusst. Die nationale Geschichtsschreibung hierzulande bemüht zumeist gerne katastrophische Kommentarstrukturen, um die NS-Vergangenheit als das Andere gegenüber der Gegenwart darzustellen. Auf der anderen Seite verstärkt die Konzentration auf Individualgeschichten eine fatalistische Schicksalhaftigkeit oder individualisierte Tragödie. Bei Memory Loops ist der Übergang von Vergangenheit zur Gegenwart sozusagen notwendig banal. Er liegt im Leben, eben in der Alltäglichkeit des nationalsozialistischen Deutschlands und seiner Rechtsnachfolgerin, der BRD.  Was hast du selbst bis jetzt für Reaktionen auf deinen Umgang mit dem Zusammenhang von Einzel- und Kollektivgeschichte bekommen – und auch – von wem?

Melián: Bei diesem Thema ist es ja so, dass sich eigentlich alle ermächtigen, dazu eine Meinung zu haben, wie so ein Denkmal aussehen könnte, was man machen darf, was nicht. Schon während der Produktion war es oft anstrengend, diese Auseinandersetzungen zu führen. Aber jetzt, zum aktuellen Zeitpunkt nach der Veröffentlichung ist das Feedback von unterschiedlichsten Seiten doch überraschend gut. Seitdem die Seite online ist, haben sich über 50.000 Besucher aus 64 Ländern mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 10 Minuten auf der Webseite aufgehalten. Es gibt weltweit Zugriffe eben nicht nur aus Europa, sondern aus Neuseeland, Kanada, Russland, Südafrika und Argentinien zum Beispiel. Trotz der Tatsache, dass immer wieder formuliert wird, „wir“ würden diese Geschichten schon alle kennen, scheint ein großes Interesse an dem Projekt zu bestehen. Aber es kam auch Kritik von Seiten einiger Historiker, die bemängelten, dass die genaue historische Kontextualisierung fehlte, dass Vieles ausgelassen oder nicht erklärt würde und immer wieder tauchte die Frage auf, warum ich Kinder lesen lasse. Und natürlich melden sich auch Stimmen, die fragen warum Steuergelder nicht in „aktuelle“ Probleme investiert würden, die meinen, dass endlich Schluss sein müsse mit dem Erinnern und dass es schon genug Denkmäler gäbe. Besonders gefreut hat mich aber die Reaktion eines jüdischen Münchners, der mir einen Brief schrieb, dass er nie zu solchen Erinnerungsveranstaltungen gehen mag, dass er es nicht ertrage, zusammen mit Deutschen des Holocausts zu gedenken, und jetzt tief bewegt sei, dass die Stadt München nun gerade so ein Projekt realisiert hat.

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Internetseite "Memory Loops.net"

 

Stakemeier: Das Installative liegt in gewisser Weise in deiner Arbeit im Sound selbst, in dessen Herkunft, Veränderung und heutiger Bedeutung. Er besteht, ebenso wie München, als Ort in Memory Loops. Das öffnet als Idee die künstlerische Arbeit weit in Richtung einer in ihr potentiell allgegenwärtigen kritischen Geschichtsschreibung. Als Künstlerin würdest du damit selbst stets die Rolle einer Zeitgenossin unterschiedlicher Zeiten einnehmen; in gewisser Weise die einer Chronistin der Geschichte aus dem Blickwinkel ihrer spezifisch unterschiedenen sozialen, politischen, kulturellen, persönlichen und vergemeinschaftenden Charakteristika. Hier schließen sich für mich zwei Fragen an: Zum einen die nach deinem eigenen Verständnis als Künstlerin im Bereich ‚Erinnerungsarbeit’ und zum anderen die nach deren faktischem Widerhall. Wie ist die Stadt, wie sind unterschiedliche Stadtbezirke mit der Ausschreibung, Umsetzung und Übergabe umgegangen?

Melián: Die Entscheidung der Jury im Sommer 2008 war äußerst umstritten, es setzte eine heftige öffentliche Debatte um den Wettbewerb und meinen Vorschlag ein, angeheizt von Artikeln im Lokalteil der Süddeutschen Zeitung, mit dem Ziel, die Realisierung meines Entwurfs zu verhindern. Auch Oberbürgermeister Christian Ude sprach sich erst einmal öffentlich dagegen aus. Eine Schlagzeile damals hieß „Bei Anruf Holocaust!“ Noch im Jahresrückblick 2008, als der Stadtrat sich dann doch mit den Stimmen der regierenden rot-grünen Fraktionen für die Realisierung entschieden hatte (die CSU war geschlossen dagegen), stand in der SZ, dass dieser Wettbewerb die größte Blamage des Jahres 2008 wäre. Und als ich jetzt Ende September das „Denkmal“ der Öffentlichkeit mit einer Audio-Installation im Münchner Rathaus übergeben habe, ließ sich der Oberbürgermeister nicht einmal sehen, auch niemand von den CSU-Stadträten. Das ist schon ernüchternd, wie diese Arbeit sozusagen parteipolitisch instrumentalisiert wurde. Viele der Gegner meiner Arbeit waren aber auch Personen, die sich schon jahrelang, jahrzehntelang um eine nach ihren Maßstäben  würdige Gedenkstätte in München bemühen (Es gibt einen sogenannten „Platz der Opfer des Nationalsozialismus“, der allgemein als unzureichend, unglücklich empfunden wird: eine Grünfläche, eine Verkehrsinsel mit schwarzer Stele, in der eine immer währende Flamme brennt.) und diese Gruppe war natürlich besonders enttäuscht, dass der Wettbewerb und insbesondere mein Projekt kein deutlich sichtbares Monument in zentraler Lage vorsah. Sie hätte lieber andere Entwürfe realisiert gesehen, wie z. B. denjenigen, eine Rampe über den Königsplatz zu legen, solche Konzepte sind ja auch eingereicht worden.

Stakemeier: Viele deiner künstlerischen Arbeiten handeln von Aneignungen der Historie gegen ihre nationale und anderweitig kanonisierte Festschreibung. Oft bedeutete dieser Vorgang, wie bei „Föhrenwald" (2005) oder bei „Speicher" (2008) die Verlagerung von Audiomaterial in den Raum, seine Ergänzung mit visuellen, installativen Objekten. Wie hat sich für dich selbst die in Memory Loops sehr eindringliche Konzentration auf Sound, auf Sprache als Mittel der Übersetzung deutscher Vergangenheit und ihre zeitgenössische Wieder- bzw. Neuaneignung dargestellt?

Melián: In der Ausschreibung war kein Ort für das Denkmal ausgewiesen, es gab also keinen Ort in der Stadt, auf den ich mich beziehen, mit dem ich mich hätte auseinandersetzen  müssen. Deshalb sollte die ganze Stadt der Ort werden und zwar mit Hilfe der Erzählungen von Menschen, die hier bestimmte Vorgänge an bestimmten Stellen erlebt haben. Das Wort, der Ton, der Klang, die Musik als flüchtige Formen der Erzählung, die nun durch ein dichtes Netz an Tonspuren ein imaginäres Gebilde, eine Struktur über die Stadt legen, in die man sich jederzeit einwählen, bzw. an der man teilhaben kann und die diese eigentlich gar nicht so lange zurückliegende Zeit mit dem Heute verbinden. Die Regieanweisung an die Sprecher/innen war, möglichst nüchtern und leise die Texte zu lesen. Ich hatte dabei die Interviews im Kopf, die ich selbst für das Projekt geführt habe. Denn selbst wenn diese Menschen ihre Geschichte schon hundertmal erzählt haben, gibt es immer den Moment, an dem ich gemerkt habe: Hier haben sie eine bestimmte Sprache, Stimme, eine Formulierung für Ereignisse festgelegt, um sie überhaupt erzählen zu können, die war immer leise und nüchtern. Gleichzeitig kommt der Musik eine ganz wichtige Rolle zu, sie funktioniert als eigene Erzählstimme in Kombination mit den Sprechern. Ich habe für die Arbeit fünf Musikstücke produziert, die jeweils auf einem anderen Sample basieren. Diese Samples, kürzeste Schnipsel von Pianoklängen aus Werken von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Coco Schumann, Kurt Weill und Karl Amadeus Hartmann wurden bearbeitet, geloopt und mit mehreren Schichten von analog eingespielten Instrumentalspuren kombiniert, Streicher, Gitarren, Instrumente, die ich selbst spielen kann. Das fünfte Stück arbeitet mit dem Sample eines Glasharmoniums, das ich schon früher für ein Stück für Gustav Metzger verwendet habe. Zu diesem Sample habe ich eine Zwölftonreihe mit Gläsern aufgenommen, Gläser, die mit Wasser gefüllt und dann mit dem nassen Finger angestrichen werden. Diese Glasklänge ziehen sich dann durch viele Tonspuren. Die fünf Musikstücke wurden als definiertes Ausgangsmaterial auf verschiedene Weise abgemischt, mit unterschiedlichsten Besetzungen und Klängen. Dadurch hatte ich dann bei der Produktion mehrere Stunden Musik zur Verfügung.

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Künstlergespräch mit Michaela Melián und Chris Dercon, 2010

Stakemeier: Zum Abschluss eine Frage nach dem Abschluss des Projektes. Memory Loops ist nun Online verfügbar. Ist das Projekt für dich damit abgeschlossen oder kannst du dir vorstellen, jetzt nach der Veröffentlichung noch weiter daran zu arbeiten?

Melián: Das Projekt ist abgeschlossen. Ich habe in einem von mir festgelegten Zeitraum eine Auswahl an Material getroffen und als „Monument“ produziert. Es wird daran also nicht weitergestrickt werden. Ich habe darüber hinaus auch keinen Blog oder sonstige Formen der Interaktion vorgesehen. Im Moment finden nur noch kleinere Nachjustierungen, Korrekturen statt. So wurden zum 1. November 2010 an 60 Stellen in der Stadt kleine Schilder angebracht mit Telefonnummern, über die man an bestimmten Orten ausgewählte Tonspuren anhören kann. Darüber hinaus liegen in einigen Museen MP3-Player zur kostenlosen Ausleihe bereit. Damit kann man die langen Loops, die die letzten Wochen im Bayerischen Rundfunk begleitend zum Projektstart als Hörspiele gelaufen sind, anhören. Für die Museen habe ich kleine Betonobjekte hergestellt, als Aufbewahrungsort für die Faltblätter zum Projekt. Dazu muss ich erwähnen, dass der Werbeetat Teil des künstlerischen Realisierungsbudgets war, alle Maßnahmen, die das Projekt an die Öffentlichkeit vermitteln sollten, liefen über meinen Schreibtisch: Ich habe Billboards, Litfasssäulen und Plakatflächen gemietet, Anzeigen in Printmedien und online geschaltet, sowie einen kleinen Film für die Infoscreens im öffentlichen Nahverkehr produziert. Das war zwar viel Arbeit, aber sehr sinnvoll, denn ich konnte alle Strategien mit Surface (Markus Weisbeck hat die Gestaltung umgesetzt) und Meso (Stefan Ammon hat die Webseite entwickelt) eigenständig entwickeln und genau und zielgerichtet steuern. 

Nun bin ich tatsächlich gespannt, wie es weiterläuft. Das Projekt ist jetzt an die Stadt München übergeben worden und sie ist für seine Pflege verantwortlich.  Bei einer Skulptur im öffentlichen Raum sind Wartungsaufgaben klar definiert, Rasen mähen, Einrüsten im Winter, Entfernung von Beschädigungen etc. Im Fall von Memory Loops muss eine Webseite betreut werden, man muss sich darum kümmern, dass die Seite nicht verschwindet im schwarzen Loch des Internets. Interessant ist dabei auch, dass bei hoher Besucherfrequenz, das heißt bei einer hohen Akzeptanz, sich die Kosten für die Auftraggeber erhöhen. Das Projekt liegt nicht, wie von mir eigentlich geplant, auf der Webseite muenchen.de, denn die Webseite der Stadt München ist eine GmbH, also kommerziell: Der Bayerische Rundfunk hat sich bereit erklärt, die Audiodateien für 10 Jahre über seinen Server zur Verfügung zu stellen, zwei weitere Server habe ich für 5 Jahre aus dem Budget bezahlt. Danach liegt die Verantwortung für das Projekt bei der Stadt München.