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Isabelle Graw

Krisengerede

3. März 2009

Es ist kaum auszuhalten, aber man hört es derzeit überall –die Krise habe doch auch ihre guten Seiten, denn jetzt ginge es endlich wieder um „die Kunst“ oder, wahlweise, um die Rückkehr der ebenfalls gern beschworenen „Inhalte“. Eine neue Ära der Ernsthaftigkeit wird ausgerufen, was im Gegenzug die Rückkehr eines so humorlosen wie politisch naiven und beflissenen Realismus befürchten lässt. Gerade jene, die am meisten vom Boom profitierten, äußern im Brustton der Überzeugung ihre Befriedigung darüber, dass der „Zirkus“ nun endlich vorbei sei. Mit dieser der Krise doch noch etwas Gutes abgewinnen wollenden Rhetorik scheinen sich sämtliche Mitglieder des Kunstbetriebs augenblicklich gewappnet zu haben. Der Kritiker Holland Cotter ging sogar so weit, sich darüber zu freuen, dass Künstler nun wieder „day jobs“ annehmen müssten. Das ist zynisch und beweist die tiefe Verankerung des romantischen Künstlerbilds. Auch Händler suchen aus der Not eine Tugend zu machen wenn sie betonen, dass es ihnen ohnehin niemals ums Verkaufen, sondern selbstredend immer nur um „die Kunst“ gegangen sei. So als kehrten sie jetzt zu ihrem Kerngeschäft zurück. Einmal mehr wird „die Kunst“ zum ganz Anderen des Marktes erklärt, so als handele es sich bei „Kunst“ und „Markt“ um absolute Gegenpole. Das Festhalten an diesem Dualismus scheint für die überzeugende Vermarktung von Kunstwerken tatsächlich unerlässlich. Man muss den inneren Zusammenhalt, der zwischen „Kunst“ und „Markt“ besteht, nicht nur verkennen, sondern mehr noch die historische Wahrheit ausblenden, dass sich der Boom durchaus positiv auch auf weniger markterfolgreiche Künstler auswirkte. Zwar wurde zu Boomzeiten viel Quatsch hochgejazzt, aber zugleich fiel auch für all jene ein paar Brocken ab, die mit anspruchsvolleren, weniger leicht zu integrierenden Angeboten aufwarteten. Damit will ich nicht sagen, dass sämtliche Künstler/innen und Theoretiker/innen gleichermaßen von den Auktionsrekorden profitiert hätten. Weit gefehlt. Aber es bestand zumindest die theoretische Chance, im Windschatten des Markterfolgs der Anderen mitzusegeln. So haben in den letzten Jahren einige Kritiker und Theoretiker gute Honorare kassiert und es kam vor, dass jungen Künstlern extrem hohe Produktionskosten von ihren Händlern vorgeschossen wurden. Wer jetzt einwendet, dass das locker sitzende Geld zu übertriebenen, dekadenten Exzessen geführt habe, der sei darauf hingewiesen, dass dieses Argument eine Norm des Angemessenen impliziert. Doch wer wollte das rechte Maß bestimmen? Wann fängt der Exzess, die Verschwendung an? Die Vorstellung, dass gewisse Übertreibungen des Marktes nun in Form einer Marktbereinigung korrigiert würden, reproduziert zudem nur den neoliberalen Glauben an die reinigen Kräfte des Marktes. Von einer ausgleichenden Gerechtigkeit kann in Wahrheit keine Rede sein. Wie immer, wird es auch dieses Mal die falschen treffen und jene, die sich ohnehin schon in der Vip-Vip-Zone aufhalten, sprich die Premiumliga von Koons zu Hirst, werden von der Krise schon deshalb kaum betroffen sein, weil sie ihre Schäfchen längst im Trockenen haben.

Rembrandt Harmensz van Rijn: “Das Gleichnis vom Reichen (Der Geldwechsler).” 1627