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Isabelle Graw

Paris Toujours

Was den Bereich „Lebensstil" betrifft, ändert sich Paris eigentlich nie. Man geht in Cafés und Restaurants, die man bereits in den 1980er Jahren aufsuchte und trifft auf die gleiche Speisekarte, den gleichen Ober, das gleiche Publikum. Auch die Flaniererfahrung, die man auf den Straßen, etwa von St.Germain, machen kann, ist seit dem späten 19. Jahrhundert im Grunde unverändert geblieben - die Leute bewegen sich wie auf dem Präsentierteller und setzen die anderen Passanten ihrem unverhohlenen Voyeurismus aus. Stundelang wird in Cafés gesessen und einfach nur geguckt. Es sind vor allem Frauen, die sich geradezu unbarmherzig gegenseitig mustern, den Blick innerhalb von einer halben Sekunde am Körper ihres Gegenübers bis zu den Schuhen hinabschweifen lassen, sein modisches Outfit in allen Details registrierend und bestimmte Schlüsse für die eigene Inszenierung daraus ziehend. Doch im Unterschied zu früheren Jahren scheint in Paris im Moment tatsächlich eine Art „vorrevolutionäre" Stimmung zu herrschen, wie kürzlich in einer deutschen Tageszeitung festgestellt. Diese schlägt einem auf Schritt und Tritt entgegen - in einem Seminar an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales beispielsweise, wo während der im Anschluss an meinen Vortrag heftig geführten Diskussion die Bereitschaft zur kollektiven Aktion, zur Militanz im Raum stand. Hier waren Leute, die für die Freilassung des Vordenkers des französischen Autorenkollektivs „Tiqqun" zu kämpfen bereit waren, der augenblicklich im Gefängnis sitzt. Aber auch im Frühstücksraum meines kleinen Hotels konnte ich das Telefonat des Concierge mit der Telefongesellschaft verfolgen, in dem er diese heftig und unnachgiebig für deren Monopolstellung kritisierte. Es sei ein Skandal, dass sie sich in einer „position dominante" befände und er würde dies nicht hinnehmen. Es macht offenkundig einen Unterschied für die kollektive Gestimmtheit eines Landes, ob es historisch über eine Revolutionserfahrung verfügt oder nicht. Interessant ist dabei, dass die ökonomiekritische Einstellung den Parisern nicht ihre Lebenslust und Kauflaune zu verderben scheint. In allen Läden und Cafés war wie immer viel los und noch in der noblen YSL-Boutique am Place St.Sulpice wusste man zu berichten, dass der Umsatz zwar in Folge der Wirtschaftskrise zurückgegangen, der Einbruch aber deshalb nicht so dramatisch sei, weil man jeden Tag mindestens einen der notorischen Smokings (der um die 3500 Euro kostet) verkaufen würde.  Das Interesse an „Klassikern" ist demnach ungebrochen. Nicht mehr zeitgemäß erscheint jedoch die Art und Weise, wie die Gegenwartskunst im „Espace Vuitton" von der Mode eingespannt wird. Dort gab es eine reichlich kopflose, so inhaltistische wie hohl formalistische Ausstellung zu sehen, die unterschiedlichste Arbeiten der Conceptual Art (Kosuth, Weiner) oder Appropriation Art (Kruger, Holzer) unter die Themen „Schrift" und „Abdruck" subsumierte. Als „cutting edge"-Erfahrung wurde einem jedoch der Fahrstuhl von Olafur Eliasson präsentiert, den man benutzen musste, wollte man in die Ausstellungsräume gelangen. Während der Fahrt sah man sich in absolutes Dunkel getaucht, für wenige Minuten hatte man nur schwarz vor den Augen und vermochte selbst die eigene Hand nicht zu sehen. Zuvor wurde man selbstredend gefragt, ob man zu einer solch radikal ästhetischen Erfahrung bereit sei. Das Problem ist nur, dass man jenseits eines infantilen „huch, hier ist es aber dunkel"-Erlebnisses keinen erkentnistheoretischen Gewinn aus dieser Fahrstuhlerfahrung ziehen konnte. Es ist einfach nur eine Zumutung, in stickiger Luft auszuharren um dem Ende dieser kurzen Fahrt entgegenzufiebern. Als besonders perfide empfand ich, dass man auf dem Rückweg direkt in der Vuitton-Boutique abgesetzt wurde. Man kann die Ausstellung per Fahrstuhl nur über den Umweg der Boutique verlassen, muss also an zahlreichen der notorischen Vuitton-Taschen vorbei, um den Ausgang zu erreichen. Der Fahrstuhl gibt sich als eine ästhetische Erfahrung aus, die letztlich nur um den Preis eines Konsumerlebnisses zu haben ist. Erstaunlich, dass sich ein Künstler mit dieser Funktionalisierung seiner Arbeit einverstanden erklärt. Sie fungiert am Ende nur als Einstimmung auf jene Luxusgüter, mit denen künstlerische Arbeiten zwar prinzipiell viel gemein haben, von denen sie sich im Idealfall aber auch unterscheiden. Eliasons Fahrstuhl hingegen hat die Vorzüge, über die die bildende Kunst traditionell verfügt (etwa das ihr zugeschriebene intellektuelle Vermögen) aufgegeben, um sich stattdessen, frei nach Adorno, unter die Luxusgüter einzureihen. Was den Bereich „Lebensstil“ betrifft, ändert sich Paris eigentlich nie. Man geht in Cafés und Restaurants, die man bereits in den 1980er Jahren aufsuchte und trifft auf die gleiche Speisekarte, den gleichen Ober, das gleiche Publikum. Auch die Flaniererfahrung, die man auf den Straßen, etwa von St.Germain, machen kann, ist seit dem späten 19. Jahrhundert im Grunde unverändert geblieben – die Leute bewegen sich wie auf dem Präsentierteller und setzen die anderen Passanten ihrem unverhohlenen Voyeurismus aus. Stundelang wird in Cafés gesessen und einfach nur geguckt. Es sind vor allem Frauen, die sich geradezu unbarmherzig gegenseitig mustern, den Blick innerhalb von einer halben Sekunde am Körper ihres Gegenübers bis zu den Schuhen hinabschweifen lassen, sein modisches Outfit in allen Details registrierend und bestimmte Schlüsse für die eigene Inszenierung daraus ziehend. Doch im Unterschied zu früheren Jahren scheint in Paris im Moment tatsächlich eine Art „vorrevolutionäre“ Stimmung zu herrschen, wie kürzlich in einer deutschen Tageszeitung festgestellt. Diese schlägt einem auf Schritt und Tritt entgegen – in einem Seminar an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales beispielsweise, wo während der im Anschluss an meinen Vortrag heftig geführten Diskussion die Bereitschaft zur kollektiven Aktion, zur Militanz im Raum stand. Hier waren Leute, die für die Freilassung des Vordenkers des französischen Autorenkollektivs „Tiqqun“ zu kämpfen bereit waren, der augenblicklich im Gefängnis sitzt. Aber auch im Frühstücksraum meines kleinen Hotels konnte ich das Telefonat des Concierge mit der Telefongesellschaft verfolgen, in dem er diese heftig und unnachgiebig für deren Monopolstellung kritisierte. Es sei ein Skandal, dass sie sich in einer „position dominante“ befände und er würde dies nicht hinnehmen. Es macht offenkundig einen Unterschied für die kollektive Gestimmtheit eines Landes, ob es historisch über eine Revolutionserfahrung verfügt oder nicht. Interessant ist dabei, dass die ökonomiekritische Einstellung den Parisern nicht ihre Lebenslust und Kauflaune zu verderben scheint. In allen Läden und Cafés war wie immer viel los und noch in der noblen YSL-Boutique am Place St.Sulpice wusste man zu berichten, dass der Umsatz zwar in Folge der Wirtschaftskrise zurückgegangen, der Einbruch aber deshalb nicht so dramatisch sei, weil man jeden Tag mindestens einen der notorischen Smokings (der um die 3500 Euro kostet) verkaufen würde. Das Interesse an „Klassikern“ ist demnach ungebrochen. Nicht mehr zeitgemäß erscheint jedoch die Art und Weise, wie die Gegenwartskunst im „Espace Vuitton“ von der Mode eingespannt wird. Dort gab es eine reichlich kopflose, so inhaltistische wie hohl formalistische Ausstellung zu sehen, die unterschiedlichste Arbeiten der Conceptual Art (Kosuth, Weiner) oder Appropriation Art (Kruger, Holzer) unter die Themen „Schrift“ und „Abdruck“ subsumierte. Als „cutting edge“-Erfahrung wurde einem jedoch der Fahrstuhl von Olafur Eliason präsentiert, den man benutzen musste, wollte man in die Ausstellungsräume gelangen. Während der Fahrt sah man sich in absolutes Dunkel getaucht, für wenige Minuten hatte man nur schwarz vor den Augen und vermochte selbst die eigene Hand nicht zu sehen. Zuvor wurde man selbstredend gefragt, ob man zu einer solch radikal ästhetischen Erfahrung bereit sei. Das Problem ist nur, dass man jenseits eines infantilen „huch, hier ist es aber dunkel“-Erlebnisses keinen erkentnistheoretischen Gewinn aus dieser Fahrstuhlerfahrung ziehen konnte. Es ist einfach nur eine Zumutung, in stickiger Luft auszuharren um dem Ende dieser kurzen Fahrt entgegenzufiebern. Als besonders perfide empfand ich, dass man auf dem Rückweg direkt in der Vuitton-Boutique abgesetzt wurde. Man kann die Ausstellung per Fahrstuhl nur über den Umweg der Boutique verlassen, muss also an zahlreichen der notorischen Vuitton-Taschen vorbei, um den Ausgang zu erreichen. Der Fahrstuhl gibt sich als eine ästhetische Erfahrung aus, die letztlich nur um den Preis eines Konsumerlebnisses zu haben ist. Erstaunlich, dass sich ein Künstler mit dieser Funktionalisierung seiner Arbeit einverstanden erklärt. Sie fungiert am Ende nur als Einstimmung auf jene Luxusgüter, mit denen künstlerische Arbeiten zwar prinzipiell viel gemein haben, von denen sie sich im Idealfall aber auch unterscheiden. Eliasons Fahrstuhl hingegen hat die Vorzüge, über die die bildende Kunst traditionell verfügt (etwa das ihr zugeschriebene intellektuelle Vermögen) aufgegeben, um sich stattdessen, frei nach Adorno, unter die Luxusgüter einzureihen.