Kai Althoff
untitled (2025)
Im Vordergrund von „ohne Titel“ (2025) schleicht eine Figur mit Stiefeln in der Hand in gekrümmter Haltung davon, vorbei an einer weiteren, die in einer simplen Zelle oder Torkonstruktion kauert, ihre Stiefel neben sich. Als verbindendes Element macht das Stiefel-Motiv die beiden zu unheimlichen Doppelgängern. Doch ihre Situationen könnten unterschiedlicher nicht sein: Während die eine Figur sich buchstäblich vom Acker macht – die wogende Landschaft im Hintergrund ist in Grün- und Gelbtönen gehalten –, verharrt die andere an Ort und Stelle. Die mystische Atmosphäre, die sich durch Althoffs dichte Malweise noch intensiviert, erinnert an symbolistische Gemälde. Zugleich scheint diese Szene auf die Willkür zu verweisen, mit der derzeit Geflüchtete in Lagern festgehalten werden, wohingegen sich Bürger*innen des Westens frei bewegen können. Passend zu einer aus den Fugen geratenen Welt lässt der verzogene Keilrahmen des Originals das Bild zur Raute kippen. Wir haben es offenkundig mit Eindrücken zu tun, die den Rahmen sprengen.In puncto Bildsprache lässt diese düster anmutende Szene an die Malerei von Pierre Bonnard denken, speziell an dessen Porträts seiner Frau Marthe, die auf vergleichbare Weise etwas Verhängnisvolles verströmen. Althoffs Bild, das wir gemeinsam mit ihm für seine Edition ausgewählt haben, wurde Ende vergangenen Jahres in einer von der Galerie Neu, Berlin, kuratierten Ausstellung gezeigt, für die der Künstler die Räume eines Palazzo in Genua wie ein Interieur mit Möbeln und durchscheinenden Vorhängen gestaltet hatte. Neben Galerien oder Institutionen hat Althoff immer wieder an vergleichsweise abgelegenen Orten ausgestellt, die auch in diesem Fall das perfekte Pendant zu seiner eigenwilligen Bildsprache und Malweise bilden.