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VORWORT

Diese März-Ausgabe von Texte zur Kunst beschäftigt sich mit Comedy, verstanden als humoristische Auseinandersetzung mit krisenhaften Erfahrungen. Sie fragt nicht nur nach dem Komischen in der Kunst, sondern untersucht auch massenmediale Formate wie Serien und Filme. Schon in der Antike, vor allem aber mit Entstehen der ­Commedia dell’Arte im 16. Jahrhundert bot die Komödie Trost, da sie angesichts eines banalen, jedoch auch von Abstiegsängsten, Ausbeutung und Diskriminierung geprägten Alltags Erleichterung verschafft. Indem sie das Tragische komisch erscheinen lässt und darin todernst ist, kann die Komödie dem politischen Unbewussten wie auch dem nur allzu schmerzlich Bewussten als Katalysator dienen. So sind einige der berühmtesten Komödien des 20. Jahrhunderts unmittelbar auf die Tragik einer sozialen Realität bezogen, gegenüber der der Witz, der Slapstick, die Groteske eine Art Probe aufs utopische Exempel darstellen: Man denke hier etwa an Charlie Chaplins Anti-Hitler-Satire The Great Dictator oder Stanley Kubricks parodistische Reflexion auf die atomare Bedrohung Dr. Strangelove. Komödien wie diese sind utopisch deshalb, weil sie die repräsentationspolitische Frage, auf wessen Kosten ein Witz jeweils geht, nicht als Übertreibung von Stereotypen und Klischees über die Unterdrückten (beispielsweise als Blackfacing oder Slutshaming) artikulieren, sondern weil sie die hegemonialen Ausschlüsse von ansonsten unmarkierten Weißen, Heterosexuellen, Kleinbürger*innen, katholischen Pfarrern etc. deutlich markieren. Nun bestimmte die Verkörperung von universal gültigen Typen lange Zeit die Narration der Komödie als Genre, während es das zentrale Merkmal von heutigem Internet-Slapstick ist, die eigene Besonderheit der Social-Media-User*innen zur größtmöglichen Allgemeinheit zu stilisieren. So lebt der Witz zahlreicher TikTok-Videos eher davon, dass jemand etwas ausgesprochen gut kann (oder zu können glaubt), und nicht so sehr von der Verkörperung einer Rolle und deren narrativer Einbettung in den Gag.

In der bildenden Kunst haben Mittel der Komik wie Witz und Ironie lange Tradition. Von den absurd anmutenden Dorfszenen in den Malereien Pieter Bruegels über Richard Princes joke paintings und Nicole Eisenmans karikaturhaft überzeichneten Figuren bis hin zu humoristischen Arbeiten neueren Datums wie den Video-Installationen von Mickalene Thomas – allein historisch sind Comedy und Kunst aufeinander bezogen. In einer Zeit, in der von Kunst zunehmend Politizität und Eigentlichkeit gefordert wird, ist das uneigentliche, komödiantische Sprechen jedoch in Misskredit geraten: Der ironisch-distanzierten Rede hält man ihre Ignoranz gegenüber den sozialen Ungleichheiten vor, ihren Lobbyismus, der grundsätzlich im Verdacht einer zynischen Reproduktion des Status quo zu stehen scheint. Das scheinbare Unbetroffensein von den gesellschaftlichen Verhältnissen zeigt sich vor allem dann, wenn die Thematisierung eines politischen Problems im geteilten Gelächter über eine Figur wie Donald Trump allein dem Wunsch nach Konsensbildung geschuldet ist, genauer: dem Wunsch, sich wenigstens in der Negation des Falschen mit anderen einig zu fühlen, anstatt Bedingungen der Möglichkeit von Alternativen zu formulieren. In einer Roundtable-Diskussion zwischen Lauren Berlant, Sianne Ngai und Alenka Zupančič, moderiert von der Redaktion, haben wir deshalb das Verhältnis zwischen dem Komischen und dem Politischen auf seinen Repräsentationsbezug hin überprüft. Eine der wichtigsten hier entwickelten Thesen lautet: Eben weil die Komödie sich über Erklärungsformen, die die Welt kohärent erscheinen lassen, lustig macht, ist auch das soziale „Wir“, das sie produziert, umstritten. Die Frage nach dem Komischen (auch als Gegenmittel zum Tragischen) ist so gesehen eine Frage nach der Möglichkeit oder Unmöglichkeit eines „Wir“ und damit nach dem Ort von Gesellschaft.

Ein relationales Verständnis vom Sozialen offenbart sich auch in den fünf Kurzgeschichten der Autorin und Kritikerin Lynne Tillman. Allesamt Miniaturen absurder Alltagsszenen, haben Till­mans Stories keinen Plot im klassischen Sinne und verfügen doch stets über eine Punchline. Das Komische ergibt sich hier aus der bitteren Lakonie, mit der die Missverständnisse und Unzulänglichkeiten beschrieben sind, die die Figuren zielsicher aneinander vorbeileben lassen. Das psychosoziale Moment des Humoristischen, die Ein- und Ausschlussmechanismen seiner Gruppendynamiken spielen auch im Beitrag des Medientheoretikers Lukas Foerster eine entscheidende Rolle. Am Beispiel der US-amerikanischen Serie Seinfeld zeichnet er die Geschichte eines Subgenres nach: der Sitcom. Eigentümlich für Seinfeld sei es bis heute, so Foerster, dass sie im Gegensatz zu anderen Sitcoms eine eigengesetzliche Gegenwelt zu den überfordernden Ansprüchen der Leistungsgesellschaft aufbaue. Einen besonderen Fall unter den Serien der Gegenwart stellt How To with John Wilson dar: Durch die Straßen von New York ziehend, nimmt der Filmemacher John Wilson mit seiner Kamera einen schier endlosen Bilderstrom von meist unfreiwilligen Slapstick-Momenten im öffentlichen Raum auf. Was auf den ersten Blick wie ein klassischer Social-Media-Feed aussieht, ist tatsächlich ein Rückbezug auf den Experimentalfilm der 1960er Jahre, so Kevin B. Lee in seinem Essay.

Dass solch ein Loop aus potenziell unendlich miteinander kombinierbaren Kalauern die Grenzen der Komödie überzustrapazieren droht, wenn sie der erdrückenden Konkretheit des Tragischen lediglich Rückzugsmöglichkeiten ins Individuelle gegenüberstellt, argumentiert Bert Rebhandl im Durchgang durch einige der erfolgreichsten Filmkomödien der letzten Jahre. Das differenzpolitische Moment, das in diesen Filmen zuweilen bis zur rassistischen Karikatur aufgerufen wird, hat in der Stand-up-Comedy von Richard Pryor sowie der Kunst von Glenn Ligon und Martine Syms genau den gegenteiligen Effekt. Wie die Kunsthistorikerin Jennifer Greenhill darlegt, erschöpft sich deren Komik nicht im linearen Zustreben auf eine zum Lachen anregenden Pointe, sondern entsteht gerade in der Diskrepanz einer losen Narration zu der Dramatik eines sich hartnäckig haltenden Rassismus. Das Prozessuale, das hier betont wird, war und ist auch stets tonangebend in der Kunst von Andrea Fraser, wie Gregory H. Williams in seinem Beitrag erläutert. Frasers Performance Kunst muss hängen, deren Titel auf einen Ausspruch Martin Kippenbergers zurückgeht, eines Altmeisters des (Altherren-)Künstlerwitzes, parodiert die Witzreden, die Kippenberger bei Eröffnungen schwang. Was als feministische Aneignung patriarchaler Gesten in der Kunst verstanden werden kann, weist ebenso auf die Existenz geografischer Eigenheiten des Komischen hin (hier: ­Kippenberger–Deutschland vs. Fraser–USA). Angesichts seiner jüngeren Geschichte – Nationalsozialismus, Kalter Krieg – ist Deutschland nicht unbedingt ein Land, das man gemeinhin mit Comedy assoziiert. Womöglich gelingt deutscher Comedy bestenfalls, was Matthias Dell in seinem Text über Jan Böhmermann feststellt: dass Entertainment-Formate wie Böhmermanns Late-Night-Show ebenso ernst zu nehmende Informationsquellen zur Tagespolitik sind wie klassische Nachrichtenmedien.

Inwiefern Comedy in einer Zeit, in der das Politische oft nur noch satirisch gelesen wird, die langfristigen Herausforderungen diverser Krisenszenarien eher trügerisch befriedet, als sie tatsächlich anzugehen, ist eine Frage, die einen Horizont auch für die Lektüre dieses Heftes eröffnen könnte.

Katharina Hausladen, Genevieve Lipinsky de Orlov und Bert Rebhandl