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Vorwort

Dieses Heft steht unter dem Motto „Sexismen“ und setzt die Untersuchungen fort, die mit der „Feminismen“-Nummer im letzten Jahr begonnen wurden. Neben der wiederholten Feststellung, daß es nicht den einen Sexismus, sondern verschiedene historische Formen und Definitionen von Sexismus gibt, kommt es zu einer Schwerpunktverlagerung. Statt weiterhin abstrakt von „sexistischen Strukturen“ zu reden, die „Subjektivitäten“ hervorbringen, oder von „institutionellen Praktiken“, die reale Effekte haben und sich in weiblichen und männlichen Körpern „materialisieren“, war uns daran gelegen, eben diese Prozesse genauer zu betrachten.

Darunter ist keine Abwendung von feministischen Theorien zugunsten von empirischer Forschung zu verstehen. Vielmehr handelt es sich um eine Form von Theoriebildung, die nach den möglichen Erscheinungsformen ihrer Annahmen fragt. Anders ausgedrückt geht es um die Frage, welche Realitäten von Begriffen angesprochen, erzeugt oder auch übersehen werden können. Kann es z.B. für eine feministische Auseinandersetzung mit dem Reproduktionsbegriff ausreichend sein, sich die Reproduktionssphäre vorzunehmen, und das staatliche Interesse an Mutterschaft, den medizinischen Entwurf der Schwangeren oder den Zusammenhang zur Bevölkerungspolitik zu durchschauen? (Ruth Noack)

Nicht, daß diese Analysen beiseite gelegt werden müßten — schließlich gehen sie auch in Erfahrungsberichte „betroffener“ Frauen ein. Für die Interviews, die Jutta Koether mit Künstlerinnen zum Thema Mutterschaft führte, war ausschlaggebend, daß sich die Interviewpartnerinnen mit ihrem neuen sozialen Status und seinen Implikationen bereits beschäftigt hatten. Es wurde deutlich, daß sich soziologische Standards wie „Doppelbelastung“ oder die angebliche Unvereinbarkeit von Kunst und Kind nicht immer bewahrheiten.

Probleme und Konflikte, von deren Existenz Frauenforschung und staatliche Förderung einfach ausgehen, können ganz anders verlaufen, lassen sich aber auch nicht negieren.

Man muß nicht schon selbst Mutter sein, um mit der Option „Kind“ konfrontiert zu werden. Ebenso ist es nicht nötig, Frauenzeitschriften zu verschlingen, ein Fashion-victim zu sein oder sich den Schönheitsidealen gänzlich zu unterwerfen, um die machtvollen Auswirkungen von Mode- und Schönheitsdogmen anzuerkennen. Es ist zwar mittlerweile ein theoretischer Allgemeinplatz, daß Mode- und Frauenzeitschriften für die Wünsche und Identifikationen von Frauen mitverantwortlich sind, aber es gelingt selten, diese Vorgänge zu beschreiben. Frauen- und Mädchenzeitschriften verbreiten z.B. widersprüchliche Botschaften: Wie lassen sich die möglichen Effekte auf die von ihnen anvisierte Leserschaft analysieren, welche Modelle von Weiblichkeit werden lanciert? (Kerstin Grether, Leslie W. Rabine) Fragestellungen dieser Art sind auf die Institution Schule und Familie übertragbar, in denen jeder und jede viel Zeit seines Lebens verbringt. Für viele Künstlerinnen ist es die Kunstakademie, die eine entscheidende Rolle spielt. In ihr wird festgelegt, welche Chancen und Möglichkeiten von wem als solche wahrgenommen werden. Zukünftige künstlerische Positionen werden dort ausgehandelt, und Hindernisse können ganz unterschiedliche Formen annehmen, die speziell Künstlerinnen in den Weg gelegt werden. (Interview mit Chris Reinecke) Angebliches Scheitern oder sogenannter Erfolg lassen sich aber nicht mit individuellem Versagen oder als Einzelleistung erklären. Es gibt soziale Verhältnisse, die begünstigend oder verhindernd wirken können, auswegslose Situationen und machtvolle Konstellationen.

Sedef Gümen beschreibt, daß die Untersuchungen der bundesdeutschen Frauenforschung über „Rasse" oder „Geschlecht" meist identitätsbezogen bleiben und nicht mit soziopolitischen Daten verbunden werden. Der Wunsch, Geschlechter-verhältnisse an gesamtgesellschaftliche Analysen zurückzubinden, wird mittlerweile bei vielen feministischen Theoretikerinnen laut. Für den Kunstbereich gilt schon lange, was Sozialwissenschaflter für die „postfordistische" Gesellschaft feststellen, daß nämlich seine Lebens- und Arbeitsverhältnisse individualisert und leistungsorientiert sind. Diese Tendenz schlägt sich in weiblichen und männlichen Künstlerbiographien nieder, wie unsere Gesprächsrunde mit Künstlerinnen zeigt.

Die Versuche der Teilnehmerinnen, das soziale Klima eines Kunstmilieus zu beschreiben, lassen Rückschlüsse auf reale und imaginäre Handlungsmöglichkeiten von Künstlerinnen zu. Auf diese Weise werden natürlich die sog. Subjektivierungsprozesse nicht vollständig erfaßt. Mit definitiven Ergebnissen soll hier auch nicht aufgewartet werden.

Warum sich die Kategorien „Frau“ und „Mann“ oder auch geschlechtsspezifische Arbeitsplätze so hartnäckig halten, läßt sich mit einer isolierten Betrachtung von „Geschlechterverhältnissen“ nicht erklären. Es reicht auch nicht aus, sämtliche Faktoren aneinanderzureihen, die für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Unterschieden verantwortlich sind.

STEFAN GERMER / ISABELLE GRAW / TOM HOLERT