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Andreas Fanizadeh

Die Toten ruhen nicht Zur Vorstellung des Terrors: die Raf-Ausstellung in den Kunst-Werken, Berlin

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Vor zwölf Jahren verübte die Rote Armee Fraktion (RAF) ihren letzten Anschlag. Vor sieben Jahren reichte die Untergrundgruppe ihre Auflösungserklärung hinterher. Eine Ausstellung in den Berliner Kunst-Werken präsentierte jetzt Kunstobjekte, die sich im Laufe der letzten dreißig Jahre mit Bezug auf die RAF angesammelt haben. Um die Schau "Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF-Ausstellung" ist in Deutschland allerdings schon früh ein wütender Streit entbrannt. Das hat nicht unwesentlich mit der historischen Faktenlage zu tun.

Die Ausstellung widmet sich schließlich der Interpretation einer nicht abgeschlossenen Periode der deutschen Nachkriegsgeschichte. Insbesondere die Attentate der RAF zwischen 1985 und 1991 auf Führungsfiguren des "militärisch-industriellen Komplexes" gelten als nicht aufgeklärt. Viele der Täter/innen sind der Öffentlichkeit unbekannt, nach einigen wird in aller Stille gefahndet. Und auf der anderen Seite hat der Schriftsteller Christoph Hein gerade einen Roman veröffentlicht, der die merkwürdigen Todesumstände des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams 1993 auf dem Bahnhof in Bad Kleinen zum Inhalt hat.

Besichtigung Des Schlachtfelds

Das Thema ist nach wie vor "sensibel" und bewegt in Deutschland Medien und Publikum. Stellungnahmen zum Konflikt Staat/Guerilla werden genauestens beäugt, gerade sofern sie aus der Mitte der Gesellschaft stammen. Und die Kunst-Werke in Berlin sind nicht gerade ein randständiges Unternehmen. Auf ein kleines Skandälchen hatten die Macher/innen der RAF-Ausstellung anfänglich sicherlich kalkuliert. Nicht aber darauf, dass sie dann auf einmal tatsächlich im Zentrum einer handfesten politischen Kontroverse landen würden. Ausläufer des monatelangen Sperrfeuers bekamen die Verantwortlichen um den Kurator Klaus Biesenbach noch letzte Woche zu spüren. Da veröffentlichte die als liberal eingestufte Wochenzeitung 'Die Zeit' eine Schmähschrift gegen Künstler/innen im Allgemeinen und die RAF-Ausstellung im Besonderen.

"Und wieso befassen sich überhaupt so viele Künstler mit der RAF?", fragte da der genervte 'Zeit'-Autor Hanno Rauterberg. Und behauptete sodann: "Manche spürten wohl eine Art Wesensverwandtschaft. Vielleicht sahen sie in den Terroristen sogar die besseren Künstler." Der Tonfall steigert sich bis zur Ungeziefermetaphorik. "Also blieb ihnen nur, sich dem Parasiten als Parasit zu nähern." Dies wurde zu Papier gebracht, zwei Tage bevor die Ausstellung in den Kunst-Werken für die Presse zu besichtigen war.

Am Wochenende drängelten sich nach den Hundertschaften der Presse Tausende Besucher/innen in dem mehrere Stockwerke umfassenden Hinterhofgebäude der Galerie in der Auguststraße. Lange Wartezeiten musste in Kauf nehmen, wer sich selber ein Bild über den medialen Aufruhr machen wollte. Die Schau versammelt Werke, die von der Hochphase der Auseinandersetzung in den siebziger Jahren unmittelbar geprägt sind, aber auch jüngere, die sich eher retrospektiv mit der Ära der Eskalation in Deutschland beschäftigen. Die älteren Arbeiten zeugen dabei von einer größeren Dringlichkeit und erscheinen kontextuell selbstverständlicher. Vor allem diesen scheinen die jetzigen Attacken zu gelten. Joseph Beuys hat zum Beispiel 1972 zwei Stecken genommen, an denen er zwei gelbe Schilder befestigte. Die Stecken hat er in Filzpantoffeln gestellt und auf die Schilder gemalt: "Dürer, ich führe persönlich Baader + Meinhof durch die Dokumenta V". Sein dadaistisches Statement, seine Ästhetik, die Parteiergreifung in eigener Sache ist, ärgert bis heute viele.

Beuys und anderen Künstler/innen dieser Jahre nimmt man übel, dass sie in der Auseinandersetzung mit dem autoritären bundesdeutschen Staat den Knicks vor der Obrigkeit verweigerten. Bei den reduktionistischen Forderungen, Kunst ausschließlich auf einen ohne Anstrengung erkennbaren Symbolgehalt lesen und auf ihren staatstragenden Gehalt hin prüfen zu wollen, bleibt eine adäquate Bewertung ästhetischer Sprachen und Verfahren immer auf der Strecke. Aber einmal in die Enge gedrängt, zwangen die Ausstellungsmacher/innen die an der RAF-Ausstellung beteiligten Künstler/innen, sich und ihre Kunstwerke zu erklären. Dem Betrachter soll mit außerbildlichen Mitteln eine ideologische Rezeption vorgegeben werden. Bei dieser Gesinnungsprüfung sollen die Motive der Künstler/innen offen gelegt werden - die begleitenden Texte im Ausstellungskatalog werden so teilweise zur tatsächlichen 'chronique scandaleuse'. Groß scheint die Furcht vor einem Rest an nicht beherrschbarer Uneindeutigkeit in der bildnerischen Kunst.

Von Glück können da jene Bildproduzent/innen sprechen, die für ihre Werke ohnehin eine scheinbar sich selbst erklärende Formsprache wählten. Direkte bildliche Kommentare zum Geschehen hatten sie sich bei der Härte der damaligen Auseinandersetzungen genau zu überlegen. Sigmar Polke ließ in einem Bild von 1978, "Ohne Titel (Dr. Bonn)", den Lichtkegel auf einen gesichtslosen Menschen richten, der am Schreibtisch sitzt. Der Gesichtslose experimentiert mit einer gegen sich selbst gewendeten Steinschleuder. In den Bildhintergrund zeichnete Polke Bilder von Jan-Carl Raspe und Andreas Baader. Diese Szene ist eine leicht erkennbare Anspielung auf den sagenumwobenen Tod der RAF-Mitglieder Raspe, Baader und Gudrun Ensslin am 18. Oktober 1977 im Gefängnis von Stuttgart-Stammheim. Ironisch zielt Polkes Motiv mit der Subtitelung "Dr. Bonn" auf eine Gesellschaft, die nicht ganz plausibel machen konnte, wie denn die Staatsfeinde im Gefängnis gestorben sind. Mehr nicht. Ästhetisch hat das Bild bis heute Bestand.

Deutsche Befindlichkeit

Gleiches gilt für die plakativen älteren Arbeiten von Jörg Immendorff, "Parlament I (Café Deutschland X)", von 1981 oder Katharina Sieverdings "Schlachtfeld Deutschland" von 1978. Wer die RAF-Ausstellung in den Kunst-Werken als Historienausstellung anschaut, bekommt auch hier Symbolisches zu sehen. Doch treiben die ästhetischen Verfahren bei beiden über eine platt propagandistische Wirkung hinaus. Auf der konkret lesbaren Symbolebene lässt sich bei Immendorffs Gemälde allerdings durchaus eine ironisierende Haltung zur deutschen Befindlichkeit nach 1977 erkennen. Der frühere Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, den die RAF 1977 entführt hatte, findet sich 1981 in Immendorffs Gemälde immer noch im Zentrum des Geschehens. Klein und unauffällig, umgeben von Menschen mit roten Fahnen und erhobenen Zeigefingern, Vögelnden, Lesenden und Deutschlandflagge, hat ihn der Maler mit dem Schild "Gefangener der Bewegung" ausgestattet und mitten in sein Bild gesetzt. Wie gesagt: 1981. Schleyer war da schon vier Jahre tot.

Ungegenständlichere Arbeiten wie Olaf Metzels "Tegeler Weg" sind da schon schwieriger zu deuten. Sind die voraussetzungsvolleren Arbeiten in diesem Zusammenhang deswegen die weniger interessante Kunst? Wohl kaum. Im positiven Sinne abstrakt zu nennen ist auch eine neuere Arbeit, die sich älterer fotografischer Vorlagen bedient. Hans-Peter Feldmann hat 1998 in "Die Toten" eine Serie mit Bildern über die Opfer und Täter zusammengestellt. Es ist eine schlicht angeordnete Arbeit, die ohne jeglichen Kommentar auf eine Kette miteinander verbundener Ereignisse verweist. Die ausgewählten Momente der Aufnahmen, die Erinnerungen an die umgekommenen Individuen verleiten unwillkürlich zum Grübeln. Wer die Deutungshoheit im Historikerstreit um die früheren Ereignisse beansprucht, wird sich gerade diesen Bildern stellen und davor bestehen müssen.

Merkwürdigerweise findet sich auch Giangiacomo Feltrinelli unter den von Feldmann Abgebildeten. Der Verleger Feltrinelli gehörte zu den Begründern einer bewaffneten Formation in Italien und kam dort 1972 ums Leben. Wie passt er zu Feldmanns auf Deutschland fokussierter Serie? Es bleibt rätselhaft. Es mag Verbindungen gegeben haben, aber müssten dann nicht noch ganz andere Personen auftauchen? Feltrinellis Bild ist jedenfalls ein versteckter Hinweis auf die Internationalität einer Auseinandersetzung, die die national orientierte Schau in Berlin zumeist ignoriert.

Das Bild als Polizeibild

Astrid Proll, die sich schon früh von der RAF verabschiedete und deren Bildband "Hans und Grete. Bilder der RAF 1967-1977" gerade neu aufgelegt worden ist, sprach in einem Interview anlässlich der Ausstellung davon, dass "das Bild der RAF ein Polizeibild" sei. Nach einer romantisierenden Frühphase, aus der viele von Prolls Fotodokumenten stammen, war die Untergrundgruppe darauf bedacht, den Fahndungsbehörden kein neues Bildmaterial zu liefern. Das verschwommene Bild der Gesellschaft auf die RAF, und der RAF auf sich selbst, sollte 1988 bei Gerhard Richters "Stammheim-Zyklus" zum Ausgangspunkt einer sehr umstrittenen Arbeit werden. In der Berliner Ausstellung sind Nebenarbeiten Richters aus dem ein Jahr später zusammengestellten "Atlas" zu sehen. Richter arbeitete an der Leerstelle, von der Proll im Interview sprach.

Die Berliner RAF-Ausstellung beherbergt allerdings auch eine Menge trivialer, an der Thematik gescheiterter Versuche. Rudolf Herz hat 1996 ausgebrannte Autobatterien auf Betonstelen gestellt. Auf den Beton hat er die Namen inhaftierter RAF-Mitglieder wie "Hogefeld" oder "Pohl" geschrieben. Der beziehungsreiche Titel dieser Arbeit: "Entladung der Militanz". Kaum weniger einfältig agiert auch Lutz Dammbeck. Er nähte Ende der achtziger Jahre die Konterfeis von RAF-Mitgliedern mit Abbildungen von Arno Brekers faschistischen Skulpturen zusammen. "Nibelungen" nennt er seine erdfarbenen Leinwandcollagen. Die RAF als Wiedergänger der Nazis - eine so populäre wie geschichtsverdrehende These.

Die Ausstellung gefällt sich im Ausstellen des "Sowohl-als-auch" und verwischt dabei, so gut es geht, eine eigene Position. Der hier inszenierte Pluralismus soll offensichtlich gegen weitere Prügel schützen, die man anfänglich so reichlich kassierte.

Wo alles geht, sind auch die Harmlosen und die Egomanen am Start. Künstler/innen mit einem Näschen für Trends bauten Ende der neunziger Jahre das Design der siebziger Jahre nach und nannten ihre Rauminstallationen "Konspiratives Wohnkonzept". Jemand anderes installiert in roter Neonleuchtschrift die zwei Wörter "Neue Strassenverkehrsordnung" an die Wand. Neue Straßenverkehrsordnung, so lautete die Tarnbezeichnung einer frühen Guerillaschrift. "Die Form einer Acht dieser Arbeit erinnert an eine Carrerabahn, ein unverzichtbares Spielzeug für jeden Jungen, der in den siebziger Jahren aufwuchs", heißt es dazu im Katalog. 1960 geboren, sei dieser Künstler "zu jung, um mit der Studentenbewegung und der RAF zu tun zu haben", er repräsentiere aber "den Prototyp des politischen Künstlers".

Einige der in Berlin zu sehenden biografischen Annäherungen "jüngerer" Künstler an das Thema RAF wirken vor der "Macht der Geschichte" doch zu naiv, auch wenn nicht jede von biografischem Interesse gespeiste Kunst als Projektion abzutun ist. Einige der gelungenen neueren Arbeiten wie die von Johannes Wohnseifer oder Franz Ackermann entschädigen dafür aber kaum. Ackermann hat im Innenhof der Kunst-Werke ein zum Hubschrauber umgebautes Auto aufgestellt. Militante sollen 1971 an einem solchen Flugobjekt gebaut haben. Ackermanns "Helicopter No. 21 (Flucht- und Befreiungsfahrzeug)" von 2003 spielt mit den voluntaristisch-heroischen und tragisch-lächerlichen Anfängen der westdeutschen Guerilla. 1971, das war noch vor der ersten großen Anschlagsserie der RAF, ihrer so genannten Mai-Offensive von 1972.