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Vorwort

Die vorliegende Ausgabe von Texte zur Kunst ist dem Thema „Design“ gewidmet. Alle Beiträge teilen die Diagnose, dass sich derzeit eine inhaltliche Neubewertung dieses Begriffs in Kunst, Ästhetik, Architektur, Urbanismus und Produktgestaltung vollzieht. Nachdem einerseits die tendenziell dirigistischen Design-Utopien der Moderne, die sich bevorzugt in Masterplänen für ganze Städte und Regionen niederschlugen, ihre Überzeugungskraft verloren haben, und sich andererseits die Versuche der Avantgarde, die „Lebenswelt“ des Individuums in der Massengesellschaft unter ästhetischen Vorzeichen umfassend neu zu gestalten, als trügerische Ambition offenbart hat, scheint sich mit dem funktionalen Anspruch von Design erneut ein emanzipatorisches Versprechen zu verbinden. Gleichzeitig war der Begriff Design noch nie so weit gefasst wie heute – Corporate Design, Interior Design, Interaction Design und Creational Design sind nur einige Schlagworte in diesem fortwährenden semantischen Expansionsprozess. All diese Termini werfen ein und dieselbe, altbekannte Frage auf: Folgt Form (wieder) der Funktion?

Vor diesem Hintergrund unternimmt diese Ausgabe den Versuch gegen gängige Verfallsdiagnosen und -erzählungen, denen zufolge „Design“ gleich „Crime“ (Hal Foster) sei – Argumente für ein Verständnis von Gestaltung als relevanter Praxis zur Lösung sozialer Krisen zu liefern. Ein so gewendeter Begriff von Design kann zudem als Anschlusspunkt für aktuelle künstlerische Praktiken, die mit einer Rekonstruktion oder Aktualisierung der Formensprachen moderner Gestaltung operieren, aktiviert werden. Lange dominierte der Tauschwert von Design die Diskussion. Dekoration und Oberflächenmanipulation in der industriellen Warenproduktion schienen einzig als Aufgabenfeld zu verbleiben. Diese historische Hypothek zeigt sich auch in den Zeichentauschwert-Zitaten von Designklassikern, wie sie in der bildenden Kunst im Zuge „relationaler Ästhetiken“ hoch im Kurs standen. Dem wäre nun das kritische Potential des Gebrauchswert von Design-Lösungen und die Analyse der damit verbundenen arbeitsteiligen Produktionsprozesse entgegenzusetzen. (siehe dazu den Beitrag von Sven Lütticken – und die Covergestaltung von Jorge Pardo). Im Beharren auf der Funktionalität von Planung und Entwurf ist das entscheidende Moment einer emanzipatorischen, utopischen Vorstellung von Design zu suchen. (siehe dazu das Gespräch zwischen Jesko Fezer und Tomás Maldonado).

Dieser Fokus ist an die Einsicht geknüpft, dass die Kontext schaffende Gestaltung von Ausstellungen als konstitutiver Bestandteil einer kritisch-reflexiven ästhetischen Produktion zu gelten hat. Sie stellt darin sowohl Autonomievorstellungen als auch allzu bruchlose Transfers zwischen kulturellen Institutionen und gestalteter Lebenswelt auf den Prüfstand (siehe den Beitrag von Helmut Draxler). Auch die philosophische Ästhetik hat ihren Anteil an der anhaltenden Neufassung von Design; insbesondere die politische Ästhetik von Jacques Rancère, die um die „Aufteilung des Sinnlichen“ und deren Einfluss auf die Möglichkeit von Demokratie kreist, erweist sich auf den zweiten Blick als Versuch, das Austauschverhältnis zwischen Kunst und Design jenseits der Dichotomie von Autonomie und angewandter Gestaltung zu denken (siehe dazu den Beitrag von Ruth Sonderegger).

Die in dieser Ausgabe vorgeschlagene Abwendung von einer kulturpessimistisch-moralisierenden Abwertung von Design weiß allerdings, dass die modernistische Utopie des Designs aufgrund universalistischer bis kolonialistischer Ansprüche zu Recht kritisiert worden ist und unter den Bedingungen der „creative industries“ des Postfordismus neuerlich problematisiert gehört (siehe dazu den Beitrag von Regina Bittner). Tatsächlich hat sich die Relevanz von Design insofern ausgeweitet, als dass das gesamte Feld der Wissensproduktion an Modellen von Gestaltung partizipiert. Dennoch lohnt der Blick zurück auf die Ansprüche historischer Fälle eines erweiterten Designverständnisses; diese können sich in der Rückschau als produktive Korrektive und Impulse erweisen: für die gegenwärtig wieder geführten Debatten um die demokratisierenden Implikationen von Planung und Gestaltung ebenso wie in Hinblick auf biopolitische Zugriffe auf das immer wieder neu zu entwerfende Leben (siehe dazu den Beitrag von Tom Holert).

Seit März 2006 macht Texte zur Kunst nun schon sämtliche Beiträge zum Hauptteil durch eine englischsprachige Sektion auch einer nichtdeutschsprachigen Leser/innenschaft zugänglich. Wie schon in vorangegangenen Ausgaben werden zudem ursprünglich auf Englisch verfasste Rezensionen nicht nur auf deutsch abgedruckt, sondern finden sich ebenfalls in der „English Section“.

TOM HOLERT / STEFANIE KLEEFELD / ANDRÉ ROTTMANN