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Isabelle Graw

Kurzer Eintrag zum Milimeterpapier

Bridget Riley, Scale Study: Ochre, Cerise and Turquoise in Closed Discs, 1970

Heute kommt mir der Gedanke, dass eine Studie zum Thema Millimeterpapier sicherlich einmal lohnend wäre. Man müsste dafür zeigen, wie das Millimeterpapier in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren zu einer ästhetischen Konvention in der bildenden Kunst avancierte. Denn es findet sich allerorten – nicht nur bei (proto-)konzeptuellen Künstler/innen wie Douglas Huebler, Sol LeWitt oder Hanne Darboven, die eine Vorliebe für graph paper hegten und dieses als Träger für ihre Arbeiten nutzten, was diesen einen dezidierten Entwurfscharakter verlieh. Auch in der gestern in der Galerie Max Hetzler eröffneten Ausstellung von Bridget Riley, wo ihre „Circle Colour Structures Studies“ von 1970/71 gezeigt wurden, traf man zuweilen auf Millimeterpapier. Man könnte sagen, dass diese Zeichnungen von Riley, in denen bunte Scheiben seriell angeordnet und in unterschiedliche Konstellationen zueinander gebracht werden, schon aufgrund dieses Trägers ein architektonisch-rationales Flair verströmen. Hinzu kommen handschriftliche und mit Bleistift in die Zeichnungen hineingeschriebene Vermerke, die sich wie die näheren Erläuterungen eines Wissenschaftlers zu einer Projektzeichnung lesen. Millimeterpapier zu benutzen heißt demnach, einen Anspruch auf Objektivität und Nüchternheit zu erheben. Das hier Präsentierte hat Modellcharakter und soll möglicher Weise eines Tages realisiert werden. Die Verwendung von Millimeterpapier steht somit für die Ausweitung des Kompetenzprofils des Künstlers in Richtung Architektur und Design, wird Millimeterpapier doch traditionell in diesen Bereichen verwendet. Im materiellen Träger des Millimeterpapiers ist, anders gesagt, der Anspruch festgehalten, dem Leben eine Form zu geben, es zu gestalten. Gleichwohl gelangt man bei der Betrachtung der besagten Zeichnungen von Bridget Riley zu dem entgegengesetzten Eindruck, dass sie es nämlich keineswegs auf eine mittelbare räumliche Umsetzung oder gar Realisierung angelegt haben. Es handelt sich zwar explizit um Studien, die den möglichen Positionen von Scheiben im Bildraum ebenso nachgehen, wie sie als Vorstudien zu ihren Bildern oder als Skizzen für ein zu realisierendes Projekt zu lesen wären. Und dennoch erwecken sie den Eindruck, sich selbst zu genügen. Sie mögen Forschungscharakter haben und Hinweise auf eine eher systematische Vorgehensweise geben – indessen spielen sie sich in dem vom Blatt gesteckten Rahmen ab, innerhalb dessen sie verbleiben. Es ist allein das Millimeterpapier, das potentiell aus diesem Rahmen herauszuführen mag und dies aufgrund der in ihm abgelegten symbolischen Ansprüche auf Wissenschaftlichkeit, Lebensgestaltung und Systematik. Womöglich liegt hier der Grund für meine ästhetische Vorliebe für diesen Träger. Ich habe Zeichnungen auf Millimeterpapier immer gemocht.