
„I believe this to be an authentically senseless chain of correspondences“, oder: Welche Orte entstehen in der Adaption und Aktualisierung von Materialien und Ideen?
Teil der Verkettung ist das:
Der Land Art hängt ja der Ruf nach, sich nicht für Menschen, sondern nur für Naturdesign interessiert zu haben. Wenn man sich die Bilder von Robert Smithson anschaut, wie er total befreit die aus Gestein, Matsch und Salzkristallen zusammengetragene „Spiral Jetty“ entlangläuft und dann am Ende, angekommen in völligem Alleinsein, auf den Great Salt Lake hinausblickt, liegt der Eindruck tatsächlich nahe, dass hier jemand den Weg in die Kontemplation gefunden hat. In der Peripherie, abseits von Museen, Medien und Massen, ist Transzendenz noch möglich, so ein Anfangsmythos der Land Art der 1960er und 1970er Jahre. In der Zwischenzeit wurde genau in die andere Richtung historisiert: Gerade in der vermeintlichen Distanz zu ökonomischen und sozialen Zentren entstanden demnach neue Distributions- und Präsentationsmodelle für Skulpturen im öffentlichen Raum. Dass die Medialisierung immer schon struktureller Bestandteil der Land Art war, beweisen auf jeden Fall die Bilder selbst: Der vertikale Kamerablick zeigt nicht nur, wie das Getöse des Helikopters Wasser und Frisur aufwirbelt, sondern erfasst auch die monumentale Spirale am Ufer des Salzsees erstmals als Ganzes. Im Gegensatz zu gegenwärtigen Drohnenbildern, die Raum eher nervös in Ausschnitten wiedergeben, oder zum abstrahierten Kontrollblick aus der Luft durch Google Earth kann der filmische aerial view , wie er in der Dokumentation der Land Art eingesetzt wurde, ja tatsächlich als Mittel verstanden werden, das die geomorphologischen Eingriffe in die Oberfläche der Erde überhaupt erst hervorgebracht hat. Das trifft auch auf die extrem abbildungstauglichen Klassiker „Double Negativ“ von Heizer oder „The Lightning Field“ von De Maria zu; die eigentlichen Arbeiten wurden längst durch Aufnahmen ersetzt. Oder waren Sie schon mal in Utah?
Die Geschichte von „Perimeters/Pavillions/Decoys“ von Mary Miss geht anders. „[A] slight mound, a swelling in the earth“, eine leichte Erhöhung, war ein aus der Ferne kaum erkennbares „warning“, das auf die Existenz der Arbeit hinwies, wie Rosalind Krauss zu Beginn von „Sculpture in the Expanded Field“ schreibt. Hinter der Erhöhung kam eine präzise ausgehobene, quadratische Grube zum Vorschein, aus der eine Leiter herausragte. Die 1978 temporär in einem Park in Roslyn, New York, installierten „Perimeters“ fanden in der Erde selbst statt, der Körper musste ins Loch. In einer Untergrundstruktur aus massiven, unbehandelten Holzbalken, wie sie für architektonische Konstruktionen eingesetzt werden, entspannte sich „under the skin of the earth“ ein Netz aus Zugängen, Korridoren und Türmen, das begangen und erforscht werden musste. Unter der Erde gibt es keine Markierungen der Oberfläche, sondern eine immer nur limitiert erfassbare und nur in Detailaufnahmen oder technischen Zeichnungen dokumentierte räumliche Topografie. Entsprechend ist das erweiterte Feld der Skulptur, von dem Krauss spricht, zwar ein abstrakter Ort, aber deswegen noch lange kein asozialer. Die Sehnsucht nach Austausch, Begegnung und vielleicht auch nach Paranoia ist eben mindestens so stark wie die nach Ewigkeit „creating situations where our interior life and the public realm can come together is important to me“, sagt Mary Miss.

- Mirjam Thomann, „Lean In 1–3“, 2016
Skulptur ist hier ein materiell-semiotisches Zusammenwirken, das sich in den sozialen und visuellen Beziehungen, die sie hervorbringt, im Bezug zum architektonischen und institutionellen Ort, an dem sie stattfindet, und in der Erfahrung des Umraums, der Natur und Materialität äußert. Atmosphäre und Präsenz entstehen irgendwo dazwischen, sie gehören weder zur Struktur der Arbeit selbst noch zu den sich darin bewegenden Körpern. Das erinnert mich an Luce Irigarays Begriff „of being two“, den sie in „How Can We Live Together in a Lasting Way?“ umschreibt: „The horizontal transcendence between the sexes creates space, spaces, whereas reducing it to a genealogy destroys them or at least fills them up. Of course spaces opened up by difference cannot figure directly in a home because they cannot be represented. However, they can be evoked and raised by maintaining and reawakening difference in the way of dwelling.“ Und: „In the activity of residing there must be some space fitted out for that which is particular to oneself, and also separate space for approaching the other.“ In räumlichen Anordnungen kann es also darum gehen, Differenz aufrechtzuerhalten und so Nähe und hospitality erst möglich zu machen. Für Irigaray gehen Raumangelegenheiten deswegen immer schon alle gemeinsam an, wie sie auch die Verwendung und Transformation von Materialien durch Technik und Technologie als Teil des Prozesses sieht. Meine Anschlüsse sind genau hier. Sie zeigen sich in Skulpturen für Vereinzelung und in Orten kollektiver Wahrnehmung, in temporären Eingriffen an architektonischen Rändern und Erweiterungen von vorhandenem Raum, in recycelten Stoffen und im Einsatz von Konstruktionsmaterial, Fleischfarben, Aschenbechern und Leder, in der Adaption historischer Milieus und der Aktualisierung geerbter Ideen, in dem Versuch, körperliche Erfahrung in Text zu übersetzen, und in der Suche nach Imaginationen für den abgeschafften öffentlichen Raum.
Titelbild: Mirjam Thomann, „Lean In 1–3“, 2016
Anmerkungen