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Vorwort

Nur wenige nennen sich uneingeschränkt Feministin oder gar Feminist. Das liegt zum einen an dem unvorteilhaften Bild, das sich in Deutschland eine Mehrheit von der Feministin macht, mit dem sich kaum eine Frau und erst recht kein Mann identifiziert wissen möchte. Zum anderen scheint sich der Begriff nur auf Frauen zu beziehen — Feminismus betrifft Frauen, sein Gegenstand reduziert sich auf Frauenfragen. Mit leichten Verschiebungen („Feminismen") und anderen Definitionen (Feminismus als Studie von männlichen Subjektivitäten) lassen sich die Konnotationen eines Begriffes zwar nicht rückgängig machen. Aber jede theoretische Anknüpfung an Feminismus muß zu definieren versuchen, was es im jeweiligen Kontext heißt, feministisch zu sein.

In den 60ern war es für Feministinnen wichtig, den Sexismus als ursprüngliche, erste Unterdrückung zu propagieren. Heute betonen feministische Theoretikerinnen, daß für sie die Frage nach dem Ursprung bedeutungslos ist, und daß sie sich nicht ausschließlich mit Geschlechterverhältnissen befassen, weil sie andere Strukturen, die für Identitäten verantwortlich sind, für genauso wichtig halten. Damals war es wirkungsvoll und richtig, in der Logik des Hauptwiderspruchs zu verbleiben, und der von linken Männern betriebenen Fixierung auf Klasse die geschlechtsbedingte Unterdrückung als die „fundamentalere" entgegenzuhalten. Heute hat sich die exklusive Verbindung zwischen Feminismus und „Frau" gelockert. Für primär Identifizierte müßte es möglich sein, sich mit Männern oder Konjunkturen feministisch zu befassen.

Unter Feminismus wird im Brockhaus sowohl eine Bezeichnung für die Theorie und Lehre der Frauenbewegung als auch für die Bewegung selbst verstanden. Damit erklärt sich auch die Angst vor den Feministinnen — Feminismus und Militanz werden imaginär gleichgesetzt.

Die Debatte, die viele Texte dieses Heftes durchzieht, betrifft den Bezugspunkt von feministischer Theorie und Praxis. Feministische Theorien (in dieser Nummer Butler, Lorey und Monahan) problematisieren ihren Gegenstand: Was wurde wann und wo unter Frau verstanden? Kann „Frau" nicht mehr als „natürliche" Referenz gelten, dann riskiert man aber auch den halb Verlust einer Grundlage für politische Forderungen. Deshalb muß die Identität „Frau“ eine Waffe bleiben, ohne die der Kampf z.B. gegen den Sexismus am Arbeitsplatz oder die geschlechtsspezifische Bewertung von Kunst nicht wirksam sein könnte. Von Frauen muß auch deshalb allgemein gesprochen werden, weil sich dieser Universalismus gegen den in Deutschland institutionalisierten Differenz-Feminismus richten könnte.

Wenn sich die Medien und die Gesetze alle Mühe geben, die Frauen auf ihre Differenz festzulegen, unter dem Vorwand, sie anerkennen zu müssen, dann ist ein Bestehen auf ihren gemeinsamen, weil gesellschaftsbedingten Erfahrungen sinnvoll. Die Setzung eines „wir“ ist nach wie vor eine Möglichkeit, wenn die damit verbundenen universellen Anmaßungen und Auslassungen mitbedacht werden. Ein „wir“ zu schreiben ist aber ein anderer Schritt als ein „wir“ zu formieren. Damit wären wir bei dem performativen Widerspruch von neueren feministischen Theorien. Feministische Theoretikerinnen, die in den Universitäten arbeiten, betonen zwar immer ihre Verbindung zur Frauenbewegung: Ihre Theorien reflektieren Handlungsmöglichkeiten und wenden sich an eine imaginäre Gemeinschaft feministisch engagierter Frauen. Ihre Aktivitäten haben aber die Form des Diskurses. Aktionen sind heute die theoretischen Auseinandersetzungen, schnelle Repliken auf neue Thesen.

Der Bereich, von dem wir ausgehen, ist der Kunstbetrieb, in dem sexistische Äußerungen und Handlungen an der Tagesordnung sind. Deshalb haben wir beschlossen, die Quotenregelung im Kunstbetrieb nicht nur einzufordern, sondern in Zukunft auch selbst zu praktizieren. Diesen reformistischen Vorschlag machen wir, weil er auch in kulturellen Bereichen erst durchgesetzt sein muß, um dann angreifbar werden zu können. Ganz selbstverständlich ergab es sich themenbedingt auch für dieses Heft, daß in ihm mehr Frauen als Männer geschrieben haben. Für jede Selbstverständlichkeit gibt es eine Erklärung: In diesem Fall ist es die hier nicht zu beanstandende Arbeitsteilung, die Frauen für feministische Themen zuständig erklärt und macht. Darüber muß sich eine ausdrückliche Förderung legen. Damit es nicht bei festgelegten Zuschreibungen bleibt, die zwar einer Realität entsprechen und auch nicht bestritten werden sollen. Denn die als Frau Identifizierte wird sich von feministischen Überlegungen immer eher angesprochen fühlen als ein Mann. Ihre grundsätzliche Förderung in allen Bereichen ist eine ausdrückliche Absage an die (gern geduldete) Beschränkung der Frauen auf Frauenthemen.

ISABELLE GRAW / TOM HOLERT / SABINE WILMES