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DIE AUFRECHTERHALTUNG ALTERNATIVER WELTEN: ÜBER DIE KOMÖDIE UND DIE POLITIK DER REPRÄSENTATION Ein Roundtable-Gespräch zwischen Lauren Berlant, Sianne Ngai und Alenka Zupančič, moderiert von der Redaktion

Aaron Long, „BoJack Horseman“, 2019, Filmstill

Aaron Long, „BoJack Horseman“, 2019, Filmstill

Vor zwei Tagen sind Lauren Berlant, Professor*in und Kulturtheoretiker*in, gestorben. Aus diesem traurigen Anlass veröffentlichen wir hier ein Gespräch, das wir für unsere Märzausgabe zum Thema „Comedy“ mit Berlant, Sianne Ngai und Alenka Zupančič geführt haben. Bei der Vorbereitung dieser Ausgabe fragten wir uns, was es bedeutet, sich gerade heute, inmitten einer weltweiten Pandemie und nach einem Jahr drängender und folgenreicher gesellschaftlicher Umbrüche und politischer Ereignisse, der Komödie zuzuwenden. Begleitet von konstruktiven Meinungsverschiedenheiten, geht das Gespräch der Frage nach, in welchem Verhältnis die Komödie zu Trauma, Repräsentation und Kapitalismus steht und worin sich die Leistung von politischer Satire und Insiderwitzen zeigt. Bei aller Erleichterung, die die Komödie uns verschafft, ist sie am Ende womöglich von allen Gattungen die am wenigsten geeignete, um unsere Probleme vergessen zu lassen, obwohl sie, wie sich im Folgenden zeigt, alles andere als unproduktiv ist.

TEXTE ZUR KUNST: Was bedeutet es, nach dem Jahr 2020, das ungeheure Verluste und Verwerfungen mit sich gebracht hat, über die Komödie zu sprechen?

LAUREN BERLANT: Zunächst einmal glaube ich, dass wir das Verhältnis von Komödie und Trauma möglicherweise unterschiedlich sehen, sei es als Form oder als Synonym für Geschichte. Ich spreche in meiner Arbeit immer davon, dass zwischen der Komödie und dem Trauma eine formale Resonanz besteht, und ich glaube, dass das auch für Alenkas Arbeit gilt. Es hat viel damit zu tun, bei aller Gebrochenheit weiterzumachen, und es geht um das Verhältnis zwischen verschiedenen Arten von Gebrochenheit. Ich spreche in meiner Arbeit eigentlich eher vom Komischen als von der Komödie – das heißt eher von Elementen des Komischen als über die Form eines Genres. Und zu den besonderen komischen Modi der Gegenwart gehört die zentrale Bedeutung sich aufblähender Formen der Verzerrung im Erscheinungsbild der Macht und des Widerstands gegen die Macht als eine Taktik der radikalen Rechten und eine Taktik des Faschismus und der faschistischen Ästhetik. Die Karikatur soll eigentlich die moralische Kleinheit aufdecken, doch die Rechte rechtfertigt sich mit einer buchstäblich verstandenen Größe. Etwas anderes, wozu die Akzeptanz von Grausamkeit und Satire als realistische politische Register geführt hat, war das Abstreifen der nationalen Sentimentalität, die lange eine feste Größe des Liberalismus war. Die Annäherung von rechter Komödie und massenhaftem Leid in den reicheren Staaten macht das Jahr 2020 weniger zu einer gemeinsam betrachteten Szene, sondern eher zu einem brodelnden Kessel.

ALENKA ZUPANČIČ: Ich möchte versuchen, die Frage so aufzugreifen, wie ihr sie formuliert habt, nämlich: Was ist die Komödie in den finstersten Zeiten, die man sich vorstellen kann? Das Erste, was mir dazu einfällt, ist ein Film von Ernst Lubitsch; er hat 1942, im wohl dunkelsten Moment der Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, eine der besten Filmkomödien gemacht, To Be or Not to Be. Komödien und Krisen oder schwere Zeiten sind nicht nur kompatibel, sie hängen oft sehr eng zusammen, vor allem auf dem Gebiet der Komödie, die auch das Politische thematisiert. Macht und die verschiedenen Machtfiguren waren immer schon ein bedeutendes Thema der Komödie. Aber wir sollten nicht vergessen, dass auch die Komödie selbst eine intrinsische Macht besitzt, und eben deshalb ist sie allen möglichen Regeln und Restriktionen der politischen Korrektheit unterworfen. Wir wissen alle, dass die Bekämpfung der Komödie nicht wirklich funktioniert, denn entweder siegt die Komödie und hat das letzte Wort, oder es ist keine Komödie. Das Verhältnis der Komödie zur Macht ist durchaus mehrdeutig, aber auch Macht ist ein mehrdeutiger Begriff: Man kann sie nicht einfach als schlecht abtun. Die Komödie kann mit einer starken Ethik der Ermächtigung einhergehen, besonders, wenn sie sich auf eine Art von Kollektivität bezieht. Das war bei To Be or Not to Be sicher der Fall; das Publikum in Europa, wo schon Krieg herrschte, mochte den Film sofort. Das Publikum in der Ferne, etwa in den Vereinigten Staaten, war sehr zurückhaltend, weil sich der Film vorgeblich über Nazis lustig macht, die man eigentlich viel ernster nehmen sollte. Menschen, deren Lage sehr viel schwieriger war, mochten den Film und schätzten ihn – nicht als Zerstreuung, sondern als etwas, das ihnen ermöglichte, in einem düsteren Moment als Subjekte hervorzutreten und zu existieren.

SIANNE NGAI: Die Frage, die ich außerdem aufwerfen möchte und über die Lauren und ich in „Comedy Has Issues“ lange nachgedacht haben, ist die offene Frage, woran sich die Komödie ausrichtet. Diese Frage knüpft daran an, wie sich die Komödie zum Tragischen verhält. Aber wir haben unter anderem versucht, dem Gedanken nachzugehen, dass sich die Komödie in der allgemeinen Kultur radikal verbreitet hat. Oder dem Gedanken, dass die Komödie ein Genre ist, das ein außerordentlich breites Spektrum von Stimmungen aufnehmen oder andere Genres infiltrieren kann, und das mit einer Leichtigkeit, die anderen Genres fehlt. Die Komödie kann sich mit Pornografie, mit dem Melodram und dem Horror verbinden und dabei immer sie selbst bleiben. Die Tatsache, dass sie das kann, erklärt die verblüffende Lebendigkeit der Momente, in denen sie sich von diesen anderen Bezugsrahmen abhebt. Doch die Frage, ob das Tragische oder das Trauma die Antithese der Komödie ist – die Frage, wogegen die Komödie positioniert ist –, erscheint unklar zu einem Zeitpunkt, an dem die Komödie zu einem Bestandteil der alltäglichen Bewältigung des sozialen Lebens geworden ist, sei es bei der Arbeit, zu Hause oder online, als eine Möglichkeit, den Stress dieser Interaktionen zu bewältigen. Diese Lage macht die Überlegung, was das Material der Komödie ist, wogegen oder woran sie arbeitet, wieder zu einer entscheidenden Frage. Die Komödie richtet sich nicht nur an anderen Modi wie dem Tragischen oder dem Traumatischen aus, sei es als Gegenmittel oder einfach als Operator. Die Komödie kann sich auch an Formen der Komödie ausrichten. Alenka erwähnte die misslungene Komödie, und das wirft die interessante Frage auf, ob eine misslungene Komödie, trotz ihres Misslingens, immer noch eine Komödie ist oder nicht. Ich denke, es gibt tatsächlich ein ganzes Spektrum von Formen der Komödie, die sich spezifisch an anderen Formen der Komödie ausrichten, die nicht funktionieren.

BERLANT: Dem möchte ich wirklich zustimmen. Auch wenn ich einen Witz erzähle, der nicht zündet, bleibt es immer noch ein Witz. Wenn ich eine komödiantische Verwirrung stifte, die auch als solche erkennbar ist, kann man sie nicht für gescheitert erklären. Wenn Jack Bennys Figur in Lubitschs Film „Heil myself“ („Heil mich selbst“) sagt, besteht die Komik in der Verwirrung darin. was hier Komödie ist. Und ich glaube auch nicht – nur um das klarzustellen –, dass Trauma und Tragödie dasselbe sind, denn bei der Tragödie geht es um Endlichkeit und beim Trauma ums Weiterleben.

ZUPANČIČ: Ich bin absolut einverstanden mit dem, was Sianne gesagt hat: dass man die Komödie nicht einfach als etwas verstehen sollte, das ein traumatisches Ereignis als Ausgangspunkt braucht. Dadurch entsteht eine Vorstellung von der Komödie als etwas, das man braucht, um mit etwas anderem zurechtzukommen oder um eine Belastung erträglicher zu machen. Aber ich glaube, wir sind unterschiedlicher Meinung, weil es mir hilfreich zu sein scheint, die Komödie eben durch ihr Gelingen zu definieren, das immer auch unerwartet ist. Aber sie funktioniert trotzdem eher im Medium des Gelingens als in dem des Scheiterns, selbst wenn sie ein Scheitern nach dem anderen entlarvt. Wenn sie funktioniert, gibt es einen Moment, den ich hier auf den kurzen Begriff des Gelingens bringen möchte. Wenn die Komödie ins Leere geht, hat der Witz nicht funktioniert. Wenn der Witz in etwas eingebaut wird, das aus der Tatsache seines Misslingens einen ästhetischen Effekt machen will, ist das wieder etwas anderes. Aber wenn der Witz nicht gelungen ist, ist er einfach nicht gelungen. Ich meine, dass hier etwas anderes getan wird oder ungetan bleiben wird. Wenn der Witz floppt, bedeutet das für gewöhnlich, dass ein bestimmter Konsens oder ein unterstellter Konsens nicht entstanden ist und dass sich die Leute einfach weigern, die Pointe des Witzes zu unterschreiben oder mitzumachen.

NGAI: Um bei der Frage zu bleiben, ob eine misslungene Komödie immer noch eine Komödie ist, könnte es hilfreich sein, an ein Gegenbeispiel zu denken. Othello ist ein klassisches Beispiel für eine Tragödie, deren Gelungenheit von Anfang an umstritten war; schon ein Kritiker des 17. Jahrhunderts, Thomas Rymer, bezeichnete das Stück in einem berühmten Essay vernichtend als „The Tragedy of the Handkerchief“. Doch ganz unabhängig davon, ob man Othello für eine gelungene Tragödie hält oder nicht, neigt man nicht zu der Behauptung, dass es keine Tragödie ist, weil es uns genügt, dass das Stück dieser kulturellen Konvention entspricht. Die Tatsache, dass die Leute es für eine Tragödie halten, scheint zu genügen. Was ist also das Besondere an der Komödie, das ihr ermöglicht, in dieses anstrengendere und zwangsläufig polemische Genre ästhetischer Urteile hineinzurutschen, bei dem wir dazu verurteilt sind, von anderen eine allgemeine Zustimmung zu verlangen? Es scheint etwas zu geben, das die Komödie auf eine Weise mit dieser philosophischen Krux verbindet, die für andere Genres nicht gilt. Ein anderes Gegenbeispiel hängt mit Laurens Argument zusammen, dass die Komödie ihren eigenen Kontext erzeugt. Jemand erzählt einen so dummen Witz, dass es wirklich ärgerlich und nicht witzig ist. Und die andere Person sagt ganz fies: Ich habe deinen Witz nicht verstanden, kannst du ihn mir erklären? Und dann dreht die erste Person, die den Versuch der anderen durchschaut, den Spieß um, indem sie sagt: Okay, der Witz war, dass ich das gesagt habe und du dann das gesagt hast, deshalb ist das der Witz. Das ist im Grunde der Witz von Stewart Lee, über den Lauren und ich schreiben, bei dem er den quälenden Versuch, einen gescheiterten Witz zu erklären, absichtlich in die Länge zieht. Und das Verlängern dieser Qual verlängert die Qual des ursprünglichen Witzes auf eine Weise, die ihn irgendwie kippt.

ZUPANČIČ: Aber ich würde hier nicht von einem Witz sprechen. Das ist eine Comedy-Nummer, eine Stand-up-Nummer, bei der es um einen misslungenen Witz geht. Die Analyse des Witzes und seiner Funktionsweise ist Teil der Nummer. Ich würde diese Nummer nicht als Witz bezeichnen, weil sie wirklich eine andere Zeitlichkeit hat; sie ist etwas, das man mit der Möglichkeit gemacht hat, dass der Witz misslingt. Welche sozialen Spannungen und Interaktionen spielen in dieser Situation eine Rolle? Daraus kann man sicher eine Komödie machen, aber das ist kein misslungener Witz. Es ist ein gelungener Sketch.

BERLANT: Richtig. Aber das war mein Argument, dass der Witz seine eigene Welt auf eine Weise erzeugt, für die der Unterschied, den du machen willst, eigentlich nicht zählt. Es geht immer um die Frage, was in der Folge passiert. Bei Siannes Anekdote geht es darum, wie man den Ausgang des Ereignisses offenhalten kann, indem man darin mehr Sprache produziert. Bei komischen Stücken meinen die Leute oft, dass sie auf Beschleunigung beruhen: Ein Darsteller hat etwas kaputtgemacht, und jetzt muss man herausfinden, was gerade passiert ist. Aber es geht auch um Entschleunigung, weil man den Ausgang offenhalten kann, indem man mehr Fragen dazu stellt. Dein Widerstand, Alenka, entspricht also gewissermaßen deinem Argument, dass das, was wie das Ende von etwas aussieht, in Wirklichkeit einfach ein Moment in seiner Ausdehnung ist.

TZK: Es ist offensichtlich, dass ihr unterschiedliche oder sogar widersprüchliche Auffassungen vom Verhältnis der Komödie zur Repräsentation habt. Sianne und Lauren, ihr habt in „Comedy Has Issues“ über „supremacist pleasure“ – ein auf „weißer Überlegenheit“ beruhendes Vergnügen – geschrieben; euer Text behandelt die Wirkung eines Humors, der in der dominanten weißen Kultur verankert ist. Alenka, du argumentierst, dass komische Kunstwerke die Repräsentation aufheben. Wenn in der Komödie das Universelle am Werk ist, in welcher Beziehung steht die Komödie dann zur Repräsentation? Oder genauer gefragt: Wie sollten wir eine Kunst verstehen, die soziale Normen und Formen von Diskriminierung anspricht oder kritisiert?

ZUPANČIČ: Die Frage der Repräsentation ist sehr interessant, und in meinem Buch The Odd One In habe ich meine Argumentation unmittelbar von Hegels Behandlung dieser Frage in der Phänomenologie des Geistes hergeleitet: In der Komödie geht es nicht um Repräsentation. Wir können dieser Behauptung auf den Grund gehen, indem wir uns ansehen, wie Hegel in seinen Vorlesungen über Humor – nicht über die Komödie, sondern über Humor – spricht, nämlich als Gipfel der subjektiven Kunst, aber auch als eine Art Ende der Kunst. Der Gedanke ist, dass es beim Humor nicht darum geht, dass das Subjekt über verschiedene Dinge Witze macht. Der Stoff ist nicht das Thema, und zwar unabhängig davon, welcher Stoff auch immer mit Humor oder im Humor behandelt wird – dieser Stoff ist nicht der Gegenstand des Humors. Was in der humorvollen Kunst zur Schau gestellt wird, ist der Humor, die Witzigkeit, die Cleverness selbst – mit anderen Worten: das Subjekt. Genau genommen sagt Hegel, dass das Subjekt nicht einfach Witze über Dinge macht; das Subjekt ist der Witz. In der Komödie geht es um Bewegung, um eine alles verschlingende Bewegung, die für Hegel das Subjekt ist und alle Substanzen und Götter verschwinden lässt, wie er sagt.

BERLANT: In gewisser Hinsicht stimme ich Alenka zu, aber ich denke, wir sind uneins, was die Autonomie oder die Dynamik angeht. Ich denke, die Frage der Bewegung der Form – wie bringt man ein Objekt in Bewegung? – ist für die Einbettung des Komischen im Festgefahrensein entscheidend. Wie erzeugt deine Reaktion diese Stimmung, von der wir hier sprechen, wenn die Situation ausweglos ist? Ich gehe in meiner Arbeit immer davon aus, dass es bei der Komik um Form und Bewegung geht und nicht um Repräsentation. Es geht um die Logik der Situation. Und Situationen entstehen als Störung einer Logik, ohne dass eine herrschende Logik zur Verfügung steht. Viele Formen von Komik entstehen dort, wo man sich der vermeintlichen Folgerichtigkeit des Klassenantagonismus, der Misogynie, des Rassismus, des nationalen Exzeptionalismus und der Xenophobie entgegenstellt und zeigt, dass sie keine logische Kausalität besitzen, obwohl sie den Anspruch auf eine höhere Wahrheit erheben. In der Komödie der Vernunft und des Interesses wirken Erklärungsformen, die die Welt sinnvoll erscheinen ließen, lächerlich, darum haben Komödien so viel mit Ängsten und mit der Befürchtung zu tun, sich klein zu fühlen. In meiner Arbeit ist das der Ort der Fantasie; Menschen stellen sich vor, dass die Welt logisch zusammenhängend und sinnvoll ist, und das Komische bringt diese Fantasievorstellung einfach ständig durcheinander. Deshalb ist sie für die Leute ebenso ein Vergnügen wie ein Ort des Leidens. Alenkas Arbeit hat eine spezielle Auffassung hiervon. Ich stimme mit dieser Auffassung nicht ganz überein, aber ihre Darstellung der affektiven Erfahrung, wie die eigene Welt so spezifisch wird, dass es keine Welt mehr gibt, ist absolut beeindruckend.

NGAI: Alenka, ich verstehe deine Argumentation gegen die Repräsentation so, dass sie sich gegen eine Herangehensweise an die Komödie richtet, die ihre synchronen Aspekte überbetont – ich meine die Karikatur, das Klischee. Ich stimme dir zu, dass die Diachronizität oder Zeitlichkeit der Komödie das Wichtigste ist. Ich frage mich nur, ob man sich wirklich zwischen Repräsentation und Bewegung entscheiden muss? Ich glaube, es ist wirklich schwierig, über die Komödie ohne die Repräsentation nachzudenken.

ZUPANČIČ: Nein, aber Repräsentation ist, wie Lauren gesagt hat, ein großes Wort, das für viele Leute für verschiedene Dinge steht. Es gibt in Hegels Vorlesungen eine andere sehr interessante Passage, wo er seltsamerweise die Idee der Möglichkeit eines objektiven Humors einführt, was für Hegel ein bemerkenswerter, paradoxer Gedanke ist. Für ihn ist Humor eigentlich der Inbegriff der Subjektivität. Was heißt dann „objektiver Humor“? Es geht dabei nicht um eine objektive Beschreibung von etwas, sondern darum, aus einer rein subjektiven Bewegung ein neues Objekt zu schaffen. Heute würden wir das wahrscheinlich als Partialobjekt bezeichnen, aber schon Hegel legt das nahe. Die Idee ist, dass aus dieser subjektiven Bewegung eine – wenn auch partielle – Substanzialität hervorgehen muss, sonst laufen wir Gefahr, für immer in ihr hängen zu bleiben.

Frans Hals, „Merrymakers at Shrovetide“, 1616–17

Frans Hals, „Merrymakers at Shrovetide“, 1616–17

BERLANT: Das meinte ich, als ich darüber sprach, wie man eine Störung im Objekt erzeugt und dann trotzdem mit diesem Objekt weitermachen muss. Es ist kein neues Objekt, es ist die Lockerung eines Objekts. Aber ich habe den Eindruck, dass uns bei der Beschäftigung mit dieser Frage ihr politisches Gewicht abhandengekommen ist. Ich möchte nochmals darauf zurückkommen und sagen, dass es einen Drang gibt, ein Insiderpublikum für eine Insidergeschichte zu schaffen, die eine bestimmte Community von denjenigen fernhält, die nicht Teil dieser Community sind. Die ganze Idee des Insiderwitzes und die Art der öffentlichen Zirkulation von Insiderwitzen als etwas, das kollektiv wahrgenommen werden kann, ist ein wirklich wichtiger Aspekt der Auseinandersetzung mit Komik und Politik. Der Insiderwitz ist ein sehr gutes Beispiel für die Hervorbringung von Welten durch das Komische, weil er die Kraft hat, auf einer zentralen politischen und affektiven Ebene Brüche zu erzeugen, was nicht heißt, dass alle Individuen seine Mischung aus Angst, Aggression und Vergnügen auf eine bestätigende Weise wahrnehmen können.

TZK: Fördert die Pandemie als umfassende kollektive affektive Erfahrung daher die Komödie, weil sie einen starken Bezugspunkt schafft, auf den die Komödie aufbauen und den sie für ihre Zwecke nutzen kann? Oder funktionieren die anderen weitreichenden Ereignisse des vergangenen Jahres auf diese Weise? Sie alle wurden dadurch erschwert, dass man im Lockdown zu Hause saß und im Internet scrollte – daraus wurden (und werden) Komödien produziert, und sie schlagen Kapital daraus.

BERLANT: Doomscrolling ist das komische Genre der andauernden Krise, der Alltäglichkeit der Krise. Die Leute mussten schnell ein Genre finden, in dem sie sich darüber lustig machen konnten, dass sie ihr Ohnmachtsgefühl nicht mehr durchbrechen konnten, als wenn Wissen Macht wäre.

NGAI: Es ist ein Gemeinplatz, aber ich denke, dass die Pandemie den Leuten erlaubt hat, es zu genießen, unsere kollektive Abhängigkeit von Unterhaltung zu offenbaren. Ich habe exzessiv alle Folgen von Pen15 gesehen, und das Ende der Serie hat in meinem Leben ein riesiges Loch hinterlassen. Aber eure Frage zum Jahr 2020 spricht etwas an, das für die Komödie von zentraler Bedeutung ist, und das ist ihr Präsentismus. Ágnes Heller erwähnt das, und auch du, Alenka, sprichst darüber in deinem Buch. Heller sagt, dass die Komödie eine einzigartige Beziehung zur Gegenwart hat. Die Tragödie blickt stattdessen immer zurück auf etwas in der Vergangenheit, das nicht verarbeitet wurde oder immer wiederkehrt. Heller bemerkt, dass es keine Tragedia dell’Arte gibt. Es gibt nur eine Commedia dell’Arte, weil nur die Komödie Improvisation erfordert, was damit zu tun hat, dass man etwas herausfinden muss, während man versucht, sich an die Situation anzupassen, in der man gerade steckt.

ZUPANČIČ: Wir sollten nicht einfach die Politik abtun und dann in der Komödie oder der Tragödie oder anderswo nach einer realen politischen Subversivität suchen, die es uns erlaubt, die politische Arbeit liegen zu lassen. Selbstverständlich gibt es in verschiedenen Arten von Komödien starke politische Implikationen. Deshalb bestehe ich darauf, sie voneinander zu unterscheiden, was viel Skepsis hinsichtlich guter und schlechter, wahrer oder falscher Komödien ausgelöst hat. Als ich The Odd One In geschrieben habe, war mir das Problem dieser Unterscheidung sehr bewusst, aber ich habe trotzdem versucht, einen gewissen Unterschied festzumachen, der nicht bloß normativ oder eine Frage des Geschmacks oder ästhetischer Urteile ist.

Um auf das zurückzukommen, was Lauren über Insiderwitze sagte und über das, was nicht auf diese Weise funktioniert: Insiderwitze sind ein gutes Beispiel für gescheiterte Komik, weil es in ihnen keine echte Bewegung gibt. Man adressiert ein Publikum, das bereits einer Meinung ist, und verfestigt diesen Konsens einfach noch mehr. Man hat das oft in den zahlreichen Anti-­Trump-Komödien gesehen, die während seiner gesamten Amtszeit florierten: jene Shows, die einem Publikum, das überwiegend die demokratische Partei wählt, das Vergnügen bieten, sich über Trump lustig zu machen und sich darin einig zu fühlen. Das war das perfekte Beispiel für den Insiderwitz. Wir wissen alle, wo wir stehen, und nichts verändert sich. Das kann natürlich lustig, sehr intelligent und interessant sein, aber im Grunde tut sich da nichts. Ich glaube, das ist eine der Möglichkeiten, eine schlechte Komödie zu machen, auch wenn es einem guten Zweck dient.

Ernst Lubitsch, „To Be or Not to Be“, 1942, Filmstill

Ernst Lubitsch, „To Be or Not to Be“, 1942, Filmstill

BERLANT: Ich bin wirklich anderer Meinung, was Insiderwitze angeht, wenn du meinst, dass das Predigen zu den Bekehrten eine Nichtaktivität wäre. Das sehe ich anders. Die Reaktion auf etwas Komisches verlangsamt unter anderem den Ablauf eines Ereignisses. Man kann die Komödie nutzen, um das, was gerade passiert ist, von einem anderen Standpunkt zu betrachten; man kann die Gestalt des Ereignisses transformieren; man kann die Frage transformieren, was nach allgemeiner Übereinkunft die Gegenwart ist. Es gibt einen Unterschied zwischen der formalen Gegenwart der Komödie und der historischen Gegenwart eines gemeinsamen Empfindens. Das Komische erzeugt Momente, das Ästhetische erzeugt Momente; es erzeugt Situationen, die aufkommen. Aber das bedeutet nicht, dass dies ein historischer Moment ist. Trotzdem ist der Insiderwitz nicht nur eine Vorführung dessen, was man schon kennt, sondern eine Auffrischung des Gefühls, dass es ein Innerhalb und ein Außerhalb der kollektiven Reaktion gibt. Die politische Rechte wusste das – die Rechtsradikalen der Gegenwart haben gesagt, dass die Politik der Kultur vorgelagert ist, sodass sie als Erstes das Empfinden erschüttern und das als Freiheit bezeichnen. Und dann versuchen sie, daraus eine politische Welt zu erzeugen. Das ist nicht meine Theorie der Gemeinschaft. Aber es ist einfach die Tatsache, dass Leute versuchen, die Schlacht des Konsenses über das Kausalitätsverhältnis zu gewinnen, und das ist der Grund, warum der Insideraffekt des Komischen eine Bewegung auslösen kann.

Der Insiderwitz hat noch andere umwälzende Wirkungen, die hier von Bedeutung sind. Die Ablehnung von kollektiver Humorlosigkeit durch die Komödie hat großen Anteil daran, wie Leute etwas produzieren, das Stanley Cavell Anerkennung nennen würde. Der politische Kampf erfordert eine Umstrukturierung der Humorlosigkeit. Und das hat einen wirklich wichtigen Anteil an der Aufrechterhaltung alternativer Welten im Verhältnis zur dominierenden Welt. Die Zirkulation von Insiderwitz-Komödien in einem breiteren Publikum war ein wirklich wichtiger Teil der antinormativen Pädagogik von unten. Und PC, die ganze Frage der Politik der politischen Korrektheit als eine Form von Humorlosigkeit, die den Leuten das Recht nimmt, mit ihrem Objekt zu spielen, ist in den gleichen Räumen aufgekommen wie alle anderen aktuellen Katastrophen, und ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist. Weil es darum geht, wessen Lust an der Belästigung privilegiert wird.

Und schließlich: Wie verhält sich die Tatsache, dass alle mit der Pandemie zu tun haben, zu so etwas wie einem kollektiven subjektiven „Wir“? Das ist ein anderer Schauplatz, an dem die Untersuchung des komödiantischen Insidertums produktiv sein könnte. Das ist eine der Fragen, die wir in den aktuellen Debatten über Ästhetik, und vor allem über Popästhetik, behandeln. Man kann kein „Wir“ voraussetzen, und man keine Welt voraussetzen. Das sind die beiden Bedingungen, unter denen das Komische entsteht. Ich möchte dafür eintreten, dass man über die zentrale Bedeutung des Komischen als eine Version der Frage nachdenkt: Gibt es ein „Wir“? Und wie verhält sich die Tatsache, dass wir eine bestimmte Zeit durchmachen, dazu, dass wir ein „Wir“ sind? Ich fühle mich außerordentlich unwohl, wenn es heißt: We’re all in it together, wir stehen es zusammen durch. Nicht so sehr wegen des „Wir“, sondern wegen des „es“. Und das hat mit der Sehnsucht nach der Komödie als Zufluchtsort zu tun, gegen die, glaube ich, auch Alenka argumentiert hat. Aber ich bin weniger wütend darüber, weil ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, in der wir ein wenig hilflos nach dem „Wir“ und dem „es“ herumrudern.

ZUPANČIČ: Die Frage nach dem „Wir“ taucht jetzt in anderer Form wieder auf; es geht nicht mehr um die Frage eines universellen „Wir“ oder dessen Abwesenheit, sondern wir sehen im Grunde zwei Arten von „Wir“, als ob es zwei Welten gäbe. Ich denke, die USA sind hierfür das offensichtlichste Beispiel. Es ist mehr als eine Redewendung, wenn man sagt, dass die Unterstützer*innen von Trump in ihrer eigenen Welt leben. Und infolgedessen auch wir, die wir von ihnen irritiert sind. Ich glaube, es wäre besser, wenn wir dagegen Widerstand leisteten. Nicht in dem romantischen Sinne, dass man auch für andere Welten offenbleibt, sondern indem man ein anderes „Wir“ anstrebt und dieses bestimmte „Wir“ nicht vorschnell akzeptiert. Darum habe ich mit Blick auf die Insiderwitze gesagt, dass es nicht reicht, wenn man einfach nur die eigene Welt nimmt und versucht, diese gegen die andere Welt zu verteidigen. Die Komödie kann die politischen und ökonomischen Verhältnisse nicht verändern, aber sie kann dazu beitragen, zu erkennen, dass es in der Gegenwart nicht hilft, an unserer Welt festzuhalten, weil diese beiden Welten zwei Seiten derselben politischen und ökonomischen Konfiguration, nämlich der Verwüstung sind.

BERLANT: Deshalb denke ich, dass Trump postsentimental ist. Trump bedeutet, dass es kein universelles Subjekt mit einem gleichen Maß an Empathie oder Anerkennung oder irgendetwas gibt. Es bedeutet, dass es keine universelle, sondern eine deuniversalisierte politische Kultur gibt, so wie du sie gerade beschrieben hast.

ZUPANČIČ: Trump ist gerade dadurch interessant, wie er den grundlegenden Widerspruch der amerikanischen Gesellschaft verkörpert. Er ist nicht nur einfach eine Seite oder ein Element dieses Widerspruchs, er ist auch die grundlegende Verkörperung oder „Repräsentation“ des Widerspruchs der neoliberalen kapitalistischen Gesellschaft in ihrer amerikanischen Version. Und es ist eine traurige Tatsache, dass dieser Widerspruch bleibt, auch wenn Trump verschwindet. Covid ist ein neuer Faktor, aber es gibt auch die Umweltkrise und eine sehr, sehr tiefe gesellschaftliche Krise mit zunehmender sozialer Ungleichheit, Unsicherheit und Verwüstung. Ich bin mit Lauren ganz einer Meinung, dass wir keineswegs im gleichen Boot sitzen; im Gegenteil, diese letzten universellen Fragen verstärken nur die Unterschiede, die es schon vorher gab, und haben sie sogar noch schlimmer gemacht.

TZK: Wir haben festgestellt, dass die Komödie nicht einfach nahtlos in Unterhaltung übergeht. Es gibt ein dialektisches Verständnis der Komödie: Einerseits bieten die verschiedenen Formate der Komödie eine Befreiung oder Entlastung von den Arbeitsanforderungen im Neoliberalismus und sie bestätigen diese Anforderungen auch in der Unterhaltung und ihren Produktionsbedingungen. Andererseits ist die Komödie, wie Alenka in The Odd One In schreibt, „eine Weigerung, aufzuhören, sobald die Dinge nicht mehr einem unmittelbaren Zweck dienen“; die Komödie bricht also mit der kapitalistischen Logik der Reproduktion und der Zweckmäßigkeit. Ist diese Dialektik spezifisch für die Komödie?

NGAI: In meiner Arbeit über das Gimmick als kapitalistische Form (und auch als ambivalente ästhetische Wertung) behaupte ich, dass es in enger Beziehung zur Komödie steht. Gimmicks sind „arbeitssparende“ Mittel. Deshalb behandelt man sie in einer Ökonomie, die Arbeit im Prozess ihrer Reduzierung paradoxerweise austreibt, mit Misstrauen – und manchmal auch mit Bewunderung. In diesem affektiven Urteil liegt also eine Ablehnung. Trotzdem ist das komödiantische Gimmick nicht transgressiv; es ist eher eine Synekdoche des Systems, aus dem es hervorgeht. Es bezeichnet unsere wiederholte Erfahrung, dass man den „Wert“ nicht an der versprochenen Stelle findet. Die meisten Theoretiker*innen greifen nach der Kategorie des Erhabenen, wenn sie über den Spätkapitalismus sprechen wollen – über massive Finanzdesaster, den Klimawandel, enorme Ungleichheit oder den Aufstieg des Faschismus. Aber es gibt verschiedene Größenordnungen der ästhetischen Reaktion darauf, was es bedeutet, ein Subjekt zu sein, das in dieser Gesellschaft lebt. Das Gimmick ist eine eher alltägliche Reaktion hierauf, in der sich die Komödie und der Kapitalismus überschneiden.

BERLANT: Also „eine Weigerung, aufzuhören, sobald die Dinge nicht mehr einem unmittelbaren Zweck dienen“ – das ist eine großartige Formulierung für etwas, das ein Gimmick tut. Es reproduziert sich jenseits der Situation, in der es entsteht. Und es beginnt, autonom und abgetrennt von seinen Produktionsbedingungen zu erscheinen. Das Gimmick der Toilette, das Gimmick des Kapitals in Siannes Beitrag in der Ausgabe der Critical Inquiry hängen eng mit Alenkas Modell der Form der Komödie als einer Art Wiederholung jenseits ihres Sinns zusammen, mit dem Unterschied, dass sich Sianne für Wertschöpfung auf zwei unterschiedlichen Gebieten interessiert: für das ästhetische Urteil und den kapitalistischen Wert. Ich habe den Eindruck, dass es da eine formale Annäherung gibt. Kurze Momente der Entlastung, wie das Betrachten von TikTok-Videos, kleine Räume der Absorption, die komödiantisch sind – das tun die Leute zum Vergnügen.

Um auf eher Cavell’sche Weise auf deine vorige Antwort zurückzukommen: Es geht um die Frage der Anerkennungskomödie; es gibt diese vielen Momente, in denen Leute eine gewisse Kompetenz vorführen, die sie gerade erfunden haben. Schau her, ich kann diese Tanzbewegung 70 Mal wiederholen. Ich bin gut darin, ein Gimmick zu sein. Ich bin gut im Wiederholen. Ich bin gut darin, nicht überraschend zu sein. Und das finden die Leute unterhaltsam.

Robert Sikoryak, „The Impeachable Trump“, 2020

Robert Sikoryak, „The Impeachable Trump“, 2020

TZK: Es gibt auch ein ganzes Genre völlig absurder TikTok-Videos. Sie sind vollkommen sinnfrei, und das ist schon an sich lustig. Aber sie verschaffen auch Erleichterung.

BERLANT: Das ist eine Verlangsamung des Alltäglichen, eine Verstärkung der Geste. Es gibt darin viele komödiantische Elemente. Und es ist einfach witzig, wenn Leute gewissermaßen sagen: Meine Konkretheit ist lustig und unterhaltsam. Und das mag ich daran. Aber bei manchen Leuten geht es auch darum, dass es keine Arbeit gibt. Ist es möglich, das Leben mithilfe des Banalen und Alltäglichen aufrechtzuerhalten? Um auf Siannes Buch zurückzukommen – es ist gewissermaßen so, dass die einzige Arbeit, die ich gerade habe, die Arbeit der Selbstreproduktion ist. Deshalb biete ich dir eine Folge davon an, und vielleicht folgst du mir, und dann werde ich versuchen, dich davon zu überzeugen, dass meine Alltäglichkeit unterhaltsam ist. Aber ich glaube auch, dass es viele Leute gibt, deren Wiederholungen nicht einfach nur absurd sind, sondern dass sie auch in etwas gut geworden sind. Das ist möglicherweise das Gegenteil von Alenkas Argumentation, weil hier nicht das Universelle zum Konkreten wird, sondern weil sich das Konkrete auf gewisse Weise selbst verstärkt. Das ist eigentlich keine Dialektik, sondern das Eintreten in eine komödiantische Öffentlichkeit.

ZUPANČIČ: Ich möchte gern auf einen Begriff zurückkommen, der in dieser Diskussion häufiger gefallen ist: Widerstand. Es ist nur eine Hypothese, aber ich würde sagen, die Eröffnungsgeste der Komödie ist keine Geste des Widerstands, sondern eher eine des Mitläufertums. Doch die Komödie kommt richtig in Gang, wenn ihre Charaktere zu weit gehen, wenn ihr Mitläufertum zu lange dauert oder wenn sie zu viel Zeit brauchen. Aber bei dieser Art der Wiederholung, dieser irgendwie dummen, geschickten Aufführung von etwas, kann etwas Interessantes passieren; es entstehen starke Momente, die durchaus widerständig sind, aber nicht auf Widerstand ausgerichtet sind. Komische Charaktere sind oft völlig distanzlos, sie sind unironisch gegenüber dem allgemeinen oder größeren Kontext. Und das ist definitiv anti- oder unkapitalistisch, weil der Kapitalismus als Weltordnung und als eigene politische Kultur zumindest bis jetzt auf einer gewissen ironischen Distanz beruht.

Und was den Unterhaltungswert angeht, gibt es nicht nur oder in erster Linie die Komödie, sondern auch ernste Dramen. Wir nutzen, auch in Corona-Zeiten, alles Mögliche, um uns abzulenken oder um diese Zeit besser zu überstehen, und ich vermute, das sind nicht in erster Linie Komödien. Sondern Kriminalgeschichten, Familiendramen, Science-Fiction. Ich würde sagen, dass die Komödie am wenigsten dazu beiträgt, unsere Sorgen und Nöte zu vergessen. Weniger, als wenn man beispielsweise andere Menschen in ernsthaften Schwierigkeiten und dramatischen Verhältnissen sieht. Man könnte sagen, dass die Komödie uns nie erlaubt, unsere Gegenwart und unsere Verhältnisse ganz zu verlassen, aber sie könnte dabei helfen, ein neues „Wir“ zu erfinden.

Übersetzung: Barbara Hess

Referenzen:

  • Lauren Berlant/Sianne Ngai, „Comedy Has Issues: An Introduction“, in: Critical Inquiry 43, Winter 2017, S. 233–239.
  • Sianne Ngai, Theory of the Gimmick: Aesthetic Judgment and Capitalist Form, Cambridge: Harvard University Press, 2020.
  • Alenka Zupančič, The Odd One In: On Comedy, Cambridge: MIT Press, 2008.