Momentaufnahme der Künstlerin als Porträtistin, Ariane Müller über Friedl vom Gröller im Studio International der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig
Friedl vom Gröller, „Heidi Kim at W Hong Kong Hotel“, 2010, Filmstill
Ein Teil der Künstlerbiografie und der möglichen Strategien, sich eine solche zu erarbeiten, ist der Name und die Verknüpfung einer visuellen Form oder einer Visualisierungstechnik, einer konzeptuellen Bildfindung oder eines Konzeptes, mit dieser Buchstabenfolge. Bei ungünstigem Namen kann man sich auch mal einen neuen zulegen, den Künstlernamen, dessen Legalität ja von seiner Wichtigkeit zeugt, und von da an zum Beispiel Palermo heißen, sich jedenfalls dann einen Namen mit diesem Namen machen. Aber es zeugt von zumindest Risikobereitschaft, den schon mal existenten, unter dem vielleicht schon für einige Jahrzehnte Kunstwerke ausgestellt, verkauft, katalogisiert und gesammelt wurden, gegen einen neuen einzutauschen.
Friedl vom Gröller, „Filme 1971 – 2011“, Ausstellungsansicht, Studio International, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig 2011/12.
Friedl vom Gröller hat als Friedl Kubelka Bondy eine anerkannte Position innerhalb der österreichischen Konzeptkunstgeneration der 70er, 80er und 90er Jahre inne, in der zudem nur wenige Künstlerinnen öffentliche Aufmerksamkeit erhalten haben. Ihre bekanntesten fotografischen Arbeiten, die „Tages-“, „Wochen-“ und „Jahresporträts“ haben auf den ersten Blick einen weiblich konnotierten Ansatz, wie er in der Kunstgeschichte der Neudefinition des Privaten und des Öffentlichen im Ausbreiten der Gegebenheiten des Selbst, des eigenen Gesichts, der Familie zugeschrieben wird. Sie wird hier jedoch mit so viel Beharrlichkeit und konzeptueller Klarheit durchgezogen, dass der im einzelnen zunächst wie eine - eben - private Darstellung lesbare Inhalt in eine muster- und patternartige Form überführt, zu einer rhythmisierten Abstraktion wird und in ein Zwiegespräch mit den konzeptuellen Arbeiten vieler ihrer Zeitgenossen und Zeitgenossinnen tritt (Hanne Darboven, Tony Conrad, Peter Kubelka z.B.). Zumeist wurden ihre Arbeiten jedoch in Zusammenhang mit der Visualisierung feministischer Inhalte gezeigt, einem Kontext, in dem sie gerade aufgrund ihrer langen Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Bild ebenfalls in einem wichtigen Diskurs steht, der in den frühen 70er Jahren einsetzt. Einer Visualisierung eben der Frage, inwiefern die Arbeit an einem weiblichen Bild, sowie die Wiederaneignung des eigenen Bildes (der Frau, ihres Körpers), das sich ja als universelle und individuelle Projektionsfläche durch die Kunstgeschichte zieht, für die Stärkung der Position von Künstlerinnen in Kunstmarkt und Kunstgeschichte notwendig und sinnvoll sein könnte.
Friedl vom Gröller, „Filme 1971 – 2011“, Ausstellungsansicht, Studio International, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig 2011/12.
Friedl Kubelka Bondy ist, zumindest innerhalb der Wiener Kunstszene, auch immer eine aufregende, weil unvorhersehbare Figur gewesen. Dazu zählen sowohl ihre internationalen Kontakte, vor allem zur U.S. amerikanischen Filmszene, in der sie auch als Porträtistin auftrat, als auch ihre Gründung einer Schule für Fotografie und später für Film in Wien, die, völlig abseits staatlicher Kunstausbildung, kunsthistorische Momente, wie die Künstlerformation im Atelier und die finanziellen Möglichkeiten von Künstlern und Künstlerinnen abseits des Kunstmarkts als Ausbilder, selbstverständlich weiterführte, gleichzeitig damit aber auch Fragen des künstlerischen Selbstverständnisses und der Selbstorganisation aufgriff, die auch zur Zeit von großer Relevanz sind.
Friedl vom Gröller, „Filme 1971 – 2011“, Ausstellungsansicht, Studio International, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig 2011/12.
Die Filme, die unter dem Namen Friedl vom Gröller in diesem Winter im Studio International, dem Ausstellungsraum der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, zu sehen waren, sind parallel zur fotografischen Arbeit über einen Zeitraum von 40 Jahren entstanden, jedoch erst in den letzten Jahren öffentlich gezeigt worden. Die Ausstellung ist die erste Einzelpräsentation der Künstlerin in Deutschland. Sie ist vor allem auf die Filme fokussiert, zeigt jedoch auch einige fotografische Arbeiten, mehr als Hinweis auf ihre Parallelexistenz als Fotografin, die mit Modefotografien begonnen hatte. Die „Porträts“ sind nicht vertreten. Die Ausstellung wurde von Rike Frank, der Leiterin des Studio International zusammengestellt, kuratiert als eine Art Studienausstellung, die die Filme in einer großen Auswahl entlang ihrer Chronologie in drei Werkblöcken präsentiert.
16mm-Filme und generell zeitbasierte Medien auszustellen, ist eine eigene Schwierigkeit. Im Ausstellungskontext wird ihr zumeist mit der sogenannten Black Box, dem abgeschlossenen dunklen Raum, begegnet. Die Ausstellungsarchitektur in Leipzig von Julian Göthe und Etienne Descloux und das kuratorische Konzept hingegen platzieren in den dunklen Raum eine Art Fächer, der drei Projektionsflächen rund um eine offene Mitte ermöglicht. So entsteht zum einen ein funktionaler Präsentationsraum, zum anderen sieht man nebenbei die Nähe von Göthes eigener künstlerischer Arbeit, die der, der sie kennt, wiedererkennt, zum Filmsetting. Aufzuzeigen, dass ein künstlerisches Konzept als Architektur die Kunst eines anderen so befördern kann, ist eines der großen Verdienste der Ausstellung in Leipzig.
Friedl vom Gröller, „Filme 1971 – 2011“, Ausstellungsansicht, Studio International, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig 2011/12.
Die frühen Filme sind zum großen Teil Porträts einzelner Menschen, die Titel der Filme häufig Vornamen, wodurch eine Nähe zu und Vertrautheit mit den Abgebildeten angedeutet wird. Sie ähneln in der grundlegenden Auseinandersetzung mit einer Person, genauer gesagt mit ihrem Gesicht, ihrer Mimik, ihrem Porträt eben, den fotografischen Arbeiten, den „Tages-“, „Wochen-“ und „Jahres-Porträts“ Kubelka Bondys, die in der Aneinanderreihung einer Folge von Bildern in der immer gleichen Kadrierung, einem Gesicht in der Mitte des Bildausschnittes, im Grunde ebenfalls jeweils einen sehr gerafften Film ergeben könnten. Beide Medien verbindet darüber hinaus die diesen Untersuchungen zugrunde liegende Neugierde, zusammen mit einem Fasziniertsein von der Anwesenheit, der Schönheit der Dauer des jeweils Anderen, des Abgebildeten. Dieses Fassen der Dauer der Anwesenheit des Anderen wandert auf einer dünnen Linie zwischen dem Persönlichen und dem Öffentlichen, das der Betrachter am stärksten daran spürt, dass sich, ähnlich wie bei Fotografieausstellungen, ein größeres Interesse bei bekannten Namen (Franz West z.B.) einstellt. Es liegt darin auch viel Zeitgebundenes, die Präsenz verschiedener Aspekte des Experimentalfilmes, der als Kunstform Anfang der 70er Jahre, wenn die Filme zeitlich einsetzen, weitaus präsenter war. Der 16mm-Film war in der Wiener Kunstszene dieser Zeit ein selbstverständliches und gebräuchliches Medium. Ebenfalls durch die Zeit entfernt lässt sich das Interesse an amerikanischer Populärkultur sehen, an den Noir- oder Gangsterfilmen und die einzelnen Unberatenen, nicht Sprechenden, die diese Filme entworfen hatten, die zur selben Zeit Fassbinder, Godard, Schamoni, Brinkmann und viele mehr ebenfalls fasziniert haben.
Friedl vom Gröller, „Filme 1971 – 2011“, Ausstellungsansicht, Studio International, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig 2011/12.
Die Kadrierung, der Schnitt in der Kamera, die statischen Einstellungen und die Interaktion des Porträtierten mit dem Filmer, erinnern in den frühen Filmen auch an Andy Warhols „Screen Tests“. Über diese gemeinsame Form entdeckt man auch einen gemeinsamen grundsätzlichen Ausgangspunkt, der in der Faszination an Schönheit, Nähe, Intimität, Scham des Betrachteten, momentaner und durch das Filmen ausgedehnter Anwesenheit liegt. Diese Faszination am Bild des Anderen durchzieht das Porträt als Genre natürlich seit jeher und hat quer durch alle Medien einen Ausdruck gefunden. Der forschende Blick, in den vielen „Bildnis eines jungen Mannes“-Gemälden über die Jahrhunderte gebannt, findet sich hier sowohl im Porträt der Freunde wie auch im Selbstporträt.
Die späteren, seit den 1990er Jahren entstandenen Filme werden in jeder Hinsicht lebendiger, geraten in Bewegung. Die Abgebildeten werden zu Akteuren, werden in Erzählungen verstrickt. Am geheimnisvollsten vielleicht in diesen durchgehend geheimnisvollen Filmen, in „Le Barometre“, in dem sich in Augen und Mimik des Porträtierten die Filmemacherin spiegelt, von der auch der Betrachter eine undeutliche Spiegelung in den Kacheln des Hintergrunds sieht. Plötzlich erscheint auch Sprache, die bis dahin nicht vorgekommen ist - die Filme sind alle ohne Ton -, als eine Auslassungsstelle, etwas, das man sieht, aber nicht hört. Und, da man hier einer Porträtistin über Jahrzehnte zusehen kann, lässt sich sehen, wie sich über die Jahre das Licht in ihren Filmen ändert. Die frühen im wenig kontrastreichen, neo-veristischem Schwarz-weiss, ihre späteren Filme, zwar ebenfalls schwarz-weiss, aber in ein südliches Licht, das fast greifbar wird, getaucht, bis es in den Filmen in den 2000er Jahren zum bestimmenden Element wird („Menschen am Sonntag“ z.B.).
Friedl vom Gröller, „Filme 1971 – 2011“, Ausstellungsansicht, Studio International, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig 2011/12.
An einem Punkt, nach 40 Jahren Filmen, hat Friedl vom Gröller beschlossen, diese Arbeiten zu zeigen. Ähnlich der „Jahresporträts“ bekommen wir dadurch ein Porträt ihres Filmemachens in Einzelfilmen, dessen Wert vor allem auch im Ablauf liegt, so wie es in den Fotoreihen Kontinuitäten, Instabilitäten und diese plötzlichen Ausreißer eines inkommensurablen Tages gab. Die Sicherheit, eine solche Arbeit langfristig durchzuführen und dabei immer die notwendige künstlerische Distanz zu sich selbst zu halten, in dieser doch „kleinen“, persönlichen Form künstlerisches Konzept und Klarheit zu wahren, ist das Bemerkenswerte. Es ist zudem spannend, eine solche Ausstellung in Leipzig zu zeigen, wo klassische Themenstellungen wie Lichteinfall und -temperatur, Porträt und individueller Ausdruck ja zumeist als malerische Probleme verhandelt werden. Im öffentlichen Bild zumindest, um das sich, ungewöhnlich für das Genre Porträt, diese Filme ohnedies nicht viel scheren.
Friedl vom Gröller, „Filme 1971 – 2011“, Studio International der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig, 15. Dezember 2011 bis 28. Januar 2012.