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„Die Letzte macht das Licht aus", Eva Scharrer über Maria Eichhorn in der Galerie Barbara Weiss, Berlin

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Maria Eichhorn, „Figuren", 2011

Seit ziemlich genau zwanzig Jahren gehen Galeristin Barbara Weiss und Künstlerin Maria Eichhorn bereits gemeinsamen Weges – 1991 hatte Maria Eichhorn die erste Einzelausstellung in der Galerie Wewerka Weiss, heute feiert die Galerie Barbara Weiss ihr 20-jähriges Bestehen. „Zimmerstrasse 88/89, 10117 Berlin“ ist Eichhorns neunte Ausstellung mit Barbara Weiss, und die letzte der Galerie an eben jener Adresse. Das Motiv der Einladungskarte ist eine Fotografie aus der neuen Werkgruppe „Figuren" (2011), die zur Wandtapete vergrößert auch im Eingangsbereich der Galerie die Besucher empfängt. Es zeigt die Künstlerin und ihre Galeristin von der Seite gesehen vor einem dunklen Hintergrund mit energischem Schritt voranschreiten – wenn auch in entgegengesetzte Richtungen. Der Vermutung, dass hier eine Trennung angedeutet sein könnte, widerspricht die Verschmelzung der beiden Figuren: eine Bewegung, synchron und doch konträr – ein Wesen, janusköpfig wie der Kunstbetrieb, dessen Tage avantgardistischen Voranschreitens lange vorbei zu sein scheinen. 


Fest steht, dass sich die Galerie von dem Ort trennt, an dem sie sich die letzten zehn Jahre befand, und damit auch so etwas wie eine Ära beendet: die Nuller-Jahre sind vorbei – zum Glück, möchte man fast sagen – und die Aufbruchszeit der 90er sowieso. Das Umziehen ist in der Berliner Galerienszene fast so etwas wie eine Sportart – in kaum einer anderen Stadt wird sich so sehr durch den Standort definiert, vermehren und verschieben sich die „Zentren“ so schnell wie hier. Seit längerem schon geht der Trend wieder weg aus Mitte, wo der Hype irgendwann einmal begann. Die Gegend um den Checkpoint Charlie wird heute hauptsächlich von Touristen frequentiert, und deren Bedürfnissen passt sich das Straßenbild zunehmend an. Nachdem bereits die Galerien Max Hetzler, Nordenhake, Arndt & Partner sowie Klosterfelde den ehemals angesagten Standort in dem geschichtsträchtigen Gebäudekomplex am ehemaligen Mauerstreifen verlassen haben, geht nun auch Barbara Weiss. Nicht etwa zurück in die neue, angesagte Meile um die Potsdamerstraße herum (in das Haus, in dem sich die erste Galerie Barbara Weiss befand, ist nun übrigens Klosterfelde eingezogen), sondern ins südliche Kreuzberg, in die Kohlfurterstraße 41/43, in eine vom Mäzen und Investor Nicolas Berggruen sanierte Fabrikanlage aus den letzten Jahren des Kaiserreichs. Um 1980 war die Gegend am Fränkelufer Zentrum der Straßenschlachten zwischen Polizei und der autonomen West-Berliner Hausbesetzerszene, heute ist sie erneut Hotspot – für eine internationale, jüngere und eher gemäßigte Kultur- und Hipster-Szene.


Es überrascht nicht, dass Eichhorn, deren Arbeit sich analytisch-konzeptionell mit dem Betriebssystem Kunst und ihrer Institutionen – als Immobilie und als Ereignis – beschäftigt, diesen Standortwechsel zum Thema ihrer Ausstellung macht. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang unter anderem der Erwerb des „Grundstück Ecke Tibusstraße / Breul, Gemarkung, Münster, Flur 5" (1997) für die Skulptur. Projekte in Münster; „Das Geld der Kunsthalle Bern" (2001), wofür Eichhorn ihr Ausstellungsbudget dazu verwandte, die vor allem durch ihre Konzeptkunst- ausstellungen bekannte Kunsthalle sanieren zu lassen, im Katalog deren Finanzierungsgeschichte aufbereitete und eine unlimitierte Edition an Anteilscheinen herausgab; oder die „Maria Eichhorn Aktiengesellschaft" (2002) für die Documenta11, einer mit dem eigenen Produktionsetat gegründeten Aktiengesellschaft die durch das Einfrieren des Kapitals ihr eigenes System ad absurdum führte und die Mechanismen des Kapitalismus und des Kunstbetriebs von innen heraus aufzeigte. 


Maria Eichhorn Galerie Barbara Weiss

Maria Eichhorn, „Seekieferplatten", 2011

Von außen sieht es aus als wär schon geschlossen: Die Fenster hat die Künstlerin mit Seekieferplatten (so auch der Titel der Arbeit) verkleidet, wie es bei Immobilienleerstand bzw. Sanierungsobjekten üblich ist. Ein eher ungewohnter Anblick in dieser längst instand gesetzten Gegend, heute. Die Holztafeln laden dazu ein, Plakate oder Graffiti auf ihnen anzubringen, der suggerierte Leerstand regt zu Spekulationen über die zukünftige Nutzung der Immobile, über ihre Bedeutung als Kultur- oder Geschäftsstandort, und ihres aktuellen Marktwertes an. Man könnte hier Vergleiche anstellen etwa zu „Closed Gallery Piece" (1969-70) von Robert Barry, der ebenfalls die Galerie als sozialen Raum thematisierte, aber auch zu jüngeren Arbeiten wie Christoph Büchels „Deutsche Grammatik“ in der Kunsthalle Fridericianum (2009), wo Holzplatten die Fenster des temporär leerstehenden Ostflügels verschlossen, und Plakatwände den bevorstehenden Umbau des Museums zur Bundesanstalt für Arbeit bekannt gaben, während in anderen Teilen ein Mäc Geiz oder ein Fitnessstudio eingezogen waren; oder zu Pawel Althamers Verwandlung der damals, 2003, niegelnagelneuen Galerie Neugerriemschneider in Mitte in einen Ort der konstruierten und temporären Verwahrlosung. Eichhorns und Althamers Arbeit könnten als Kommentare zur fortschreitenden Gentrifizierung gelesen werden, beide Künstler setzen sich dabei mit der Geschichte „ihrer Galerie“ auseinander – während Althamer jedoch weitaus allgemeiner mystifiziert und eine Geschichte erzählt, bleibt Eichhorn bei den Fakten – und zieht mit um.


Maria Eichhorn Galerie Barbara Weiss

Maria Eichhorn, Ausstellungsansicht, ”Zimmerstraße 88/89 10117 Berlin", „Licht", 2011

Die Galerie Barbara Weiss war zum Zeitpunkt der Ausstellung jedenfalls weder geschlossen noch leer, auch wenn es auf den ersten Blick so aussah. Wenn auch dunkel, denn die Künstlerin ließ in den Ausstellungsräumen die Lampen abmontieren (”Licht", 2011), war sie voll mit quasi-immaterieller Ware – und Arbeit. Der Galeriebetrieb lief weiter, der Empfangsraum in dem die Galeriemitarbeiterinnen arbeiteten war sichtbar funktionstüchtig. Jedes Werk der Ausstellung existiert in unlimitierter Auflage und kann – obwohl auf die Räume bezogen – an jedem beliebigen Ort neu geschaffen werden – für 900 bis 18.000 Euro. Der Schriftzug  „Zimmerstrasse 88/89, 10117 Berlin" (2011) war in weißen Lettern in mehreren, ein zartes Hochrelief bildenden Farbschichten auf die weiße Wand aufgebracht. Das Weiß auf Weiß erinnert an die Ästhetik des berühmten, von Richard Hamilton gestalteten „White Album“ (1968) der Beatles, als auch an die des „White Cube“ – der jedoch durch die Entfernung des Lichts seiner Definition nicht mehr entspricht. Die Wand-/Schriftarbeit ist in ihrer Abstraktion so ortsspezifisch wie On Kawaras „Date Paintings“ datumsspezifisch sind und kann mit verändertem Text für jede Adresse ausgeführt werden. An einem anderen Ort mit anderem Text ausgeführt verliert die Arbeit jedoch ihre Kontextspezifität – und offenbart damit fetischisierende Züge.


In dem etwas kleineren, ebenfalls dunklen Nebenraum steht an die Wand gelehnt ein Besen mit überdimensionierter „Kehrseite“ („Großer Besen", 2011) – ein Multiple, das Begriffe wie „Kehraus“ oder „Ausfegen“ suggeriert – Joseph Beuys Aktion „Ausfegen" kommt einem natürlich in den Sinn, in der der Künstler 1972 am Karl-Marx-Platz in Neukölln die Überreste der 1. Mai-Demonstration öffentlich beseitigte. Die wenigsten Besucher waren wohl bei der Performance dabei, die meisten kennen jedoch die gleichnamige Vitrine, in der der benutzte Besen mit samt des aufgekehrten Detritus ausgestellt wurde (auch wenn diese Inszenierung nicht von Beuys selbst, sondern von seinem Galeristen und Sammler René Block stammt). Dieser hier ist jedoch augenscheinlich unbenutzt, denn auszufegen gab es in dem leeren, besenreinen Raum – nicht mehr ganz White Cube aber doch noch Galerie – noch nichts bzw. nichts mehr. Es ist jedoch sicher kein Zufall, dass Maria Eichhorn im Rahmen der im Oktober 2010 von Marcus Steinweg kuratierten Ausstellung „Aphorismen der Liebe“ zu einer „Performance“ an den oben genannten Platz einlud. Dabei passierte weiter nichts – außer dass die der Einladung Gefolgten anwesend waren und gefilmt wurden. 


Eichhorn Galerie Barbara Weiss Großer Besen

Maria Eichhorn, Ausstellungsansicht, „Großer Besen", ”Licht", 2011

Maria Eichhorn zitiert in ihrer prozessualen Arbeit Konzeptkunst, soziale Plastik und das eigene Werk („Ausstellung vom 12. September bis 28. Oktober 1995“ in der Galerie Barbara Weiss thematisierte die Galerie als wandelbaren Raum für Produktion, Information, Begegnung  und Ausstellung) – sehr bewusst, faktisch-analytisch und mit gewohnt kargen visuellen Mitteln. Wenn sie Strategien der Institutionskritik wiederholt, so in dem Bewusstsein, dass diese fest im Betriebssystem Kunst verankert sind, und dass der Kunstraum, ob Galerie oder Museum, immer sowohl ein sozialer Raum als auch ein ökonomischer ist. Gleichzeitig thematisiert sie hier die langjährige und sehr persönliche Beziehung zu ihrer Galeristin, die als ebenso eng wie dynamisch-spannungsvoll dargestellt wird, wodurch die kohärente künstlerische Auseinandersetzung über Jahrzehnte hinweg erst möglich wurde. Gerade in der Wiederholung befragt Eichhorn konsequent die Umstände ihrer Arbeit zum jeweiligen Zeitpunkt an einem bestimmten Ort. Und da diese Befragung sowohl die Vergangenheit reflektiert wie auch Spekulationen über die Zukunft anstellt, bleibt am Ende die Frage, wie ihre Analyse zum renovierten Gewerbehof in der zur Gentrifizierung freigegebenen Kohlfurterstraße 41/43, zu einem heute noch unbekannten Datum, aussehen wird. 

Galerie Barbara Weiss, Maria Eichhorn,
„Zimmerstrasse 88/89, 10117 Berlin", 
8. Februar – 19. März 2011