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„BEFORE YOU START CONNECTING THE DOTS, CONSIDER THIS“1. Jenni Tischer über Michael Hakimi in der Galerie Mezzanin, Wien.

 

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Michael Hakimi, "Noch so ein Sieg, und wir haben verloren", 2010, copyright: Michael Hakimi, courtesy: Galerie Mezzanin

Im Ladenfenster der Galerie Mezzanin in Wien eröffnet die Arbeit „Noch so ein Sieg, und wir haben verloren“ (2010) die Einzelausstellung des Künstlers Michael Hakimi. Deutlich ist sie von der gegenüberliegenden Straßenseite aus zu erkennen. Ein übergroßes, von Löchern zerstörtes, schwarz lackiertes Victory-Zeichen aus MDF. Je näher man kommt, desto mehr verliert sich aber seine Präsenz, die sich zugleich zu den Ausstanzungen hin verlagert. In diesem Perspektivwechsel vollzieht sich die Übersetzung des gestischen Zeichens hin zum konkreten Objekt als dessen Träger und seiner Verortung im Galerieraum.

„Connecting the Dots“, so der Titel der Ausstellung, bringt in drei aneinandergrenzenden Räumen ein Ensemble aus Objekten und Bildobjekten in einer Erzählung zusammen, die sich aus der Differenz von Objektivität suggerierenden medialen Formaten zur Vieldeutigkeit ihrer Bilder und der damit einhergehenden Widersprüche speist. Wie viele Schusslöcher erträgt das Victory-Zeichen ohne unkenntlich zu werden oder schlichtweg aus Instabilität in sich zusammen zu fallen? Das Fragile und die komplexen Bedeutungen von Medienbildern – wie den vielfachen Abbildungen von zum V gestreckter Finger, als Symbol der Anhänger der Opposition in Iran – auf die Hakimi anspielt werden an dieser Stelle sichtbar.

Explizit zeigte sich dies im letzten Jahr in der Ausstellung „Newsblast“ in der Krome Gallery in Berlin, in der sich der deutsch-iranische Künstler von Berlin aus und vor Ort in Teheran mit den medialen Phänomenen des vermuteten Wahlbetrugs und der damit verbundenen Proteste in Iran auseinandersetzte. Aus der Distanz ein derartig aufgeladenes Spektakel zu verfolgen, um eine Nähe mit den Menschen herzustellen und sensibilisiert zu sein bei der Suche nach Glaubwürdigkeit in der Berichterstattung, steht im Kontrast zu dem direkten Erleben der Situation vor Ort. Zwischen der Unmittelbarkeit und der Ferne findet zwangsläufig eine Übersetzung in journalistische Formate statt, die durch das jeweilige Medium, etwa dem Internet, geprägt sind und bestimmte Codes und Zeichen produzieren. An eben diesem Punkt setzt das Interesse Hakimis an. Dort, wo die Bilder hinter ihren unhintergehbaren Rahmungen durch Medien verschwinden und Affekte und plakative Zeichen zu vordergründigen Bedeutungsträgern werden.

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Michael Hakimi, "The Movement (Todos a la Plaza)", 2010, copyright: Michael Hakimi, courtesy: Galerie Mezzanin

„The Movement (Todos a la Plaza)“ (2010) ist eine der insgesamt sieben Arbeiten Hakimis aus verschiedenen reduziert eingesetzten Materialien wie z.B. Sperrholz, Papier, Aluminium und Beton, die gleichmäßig linear hinter- bzw. nebeneinander an den Wänden des Hauptraums der Galerie Mezzanin lehnen und hängen. Sie stellt ein aus weiß lackiertem MDF genageltes und geklebtes spiegelverkehrtes Z dar, an dessen oberem Querbalken Absätze von Schuhen in verschiedenen Größen und Formen nebeneinander angebracht sind. Der Titel ist eine Aufforderung zur Versammlung. Dabei handelt es sich um das Zitat einer politischen Parole („Todos a la Plaza“, dt. „Alle auf den Platz“). Hinter minimalen Gesten wie diesen verbergen sich große Themen, wie die der Massenbewegung, wie sie oftmals im Hinblick auf ihre ornamentale Darstellung in historischen Avantgarde-Filmen zu sehen ist. Bilder von Menschenansammlungen werden in ihrer filmischen Repräsentation zu einem abstrakten Formenspiel aus scheinbar endlos vorbeiziehenden Beinen und Schuhen. Hakimis aufgesammelte Absätze lassen sich durch ihre Anordnung morphologisch lesen und nehmen gleichzeitig Bezug auf die potenziellen Träger/innen. Sie haben also im weitesten Sinne eine performative Dimension. Dinge, die nach einer Versammlung, einer Demonstration am Ort vergessen werden, können auf körperliche Präsenz bzw. Absenz und auf ihre spezifische tagespolitische Lage deuten.

Indexikalität und Ikonizität als Repräsentationsweisen finden in Resonanz zueinander über Ähnlichkeit und Berührung, deren Dialektik sich im Abguss, im Lineal und der Schablone einstellt. Das dialektische Bild zeichnet sich durch das Zusammenfallen von Vergangenem und Gegenwärtigem aus, wodurch die zumeist linear wahrgenommene Zeit sich an jenem Punkt potentiell in alle Richtungen öffnet. Insofern entsteht im Abguss, den ich hier in Anlehnung an die von Didi-Huberman essayistisch untersuchte künstlerische Methode des Abdrucks sehe, ein Verhandlungsort über „(...) das Einmalige oder das vielfach Verstreute? Das Auratische oder das Serielle? Das Ähnliche oder das Unähnliche? Die Form oder das Formlose? Die Berührung oder die Distanz?“2

imageMichael Hakimi, "Connecting the Dots", Galerie Mezanin, Wien, 2010, Installationsansicht, copyright: Michael Hakimi, courtesy: Galerie Mezzanin

Die Stadtkulisse wird in „Skyline-Lineal“ (2010) zu einem beliebig oft zu vervielfältigendem Muster und dadurch zu einem exemplarischen, letztlich aber asignifikantem Zeichen, indem sich die mediale Bezuglosigkeit zu einem spezifischen Ort äußert. Es mag nahe liegen, einer rein formalistischen Orientierung anhand einer Deklination von Grundformen wie dem Kreis und dem Quadrat von links nach rechts zu folgen. Doch die schon erwähnten Verflechtungen, die sich nach näherer Betrachtung zeigen, lassen erkennen, wie Hakimi auf mehreren Ebenen agiert. In der Ausstellung „Newsblast“ waren die Objekte expliziter räumlich zueinander in Verbindung gesetzt und die dadurch entstehenden Blickachsen deutlicher im Gegensatz zu der semiotischen Anordnung in den Räumen der Galerie Mezzanin. Hier setzt uns Hakimi vielmehr der Leerstelle aus, die zwischen den entkoppelten Elementen entsteht und sich in der Abwesenheit eines Medienbildes offenbart.

image Michael Hakimi, "Ohne Titel", 2010, copyright: Michael Hakimi, courtesy: Galerie Mezzanin

Im letzten Raum der Galerie Mezzanin hängt die Arbeit „Ohne Titel“, (2010) und auf dem Boden daneben liegt das Pendant zu dem sich im Hauptraum befindenden Betonabguss einer Satellitenschüssel „Satellite-Dish 2“, (2009). „Ohne Titel“, (2010) ist eine in drei Farben über einen gerissenen Papierstreifen gesprühte Linie auf schwarzer aufgespannter Baumwolle. Die Farbe in reiner Selbstbezüglichkeit, als ein auf sich selbst weisendes Signal, markiert ein Irritationsmoment, das die Betrachter/innen zurücklässt in der unerfüllten Erwartung einer dokumentarischen Repräsentation. Die Linie als Negativabdruck des zerrissenen Papiers löst sich an den Seiten zu einem kontrollierten Farbverlauf hin auf: Es ist nicht das, woran sie denken!

Ausgehend von der räumlich exponierten Stellung dieser Arbeit, lässt sich ein veränderter Blick zurück werfen, den die unnahbar anmutenden Werke mit einer diffusen Idee einer nahenden oder schon passierten Katastrophe anstoßen die sich insbesondere in der Zeitverzögerung der Nachrichtenübermittlung als Unsicherheit äußert und letztlich die Frage nach Wahrheit oder einem Ursprung der Geschichte negiert. „Doch der Abdruck ist auch die ´Morgendämmerung der Bilder`.“3

Zwischen Abstraktion und Repräsentation macht sich in Michael Hakimis Arbeiten jener brüchige, ratlose, dadurch jedoch produktive und selbst bestimmte Raum auf, der durch die zumeist schablonenhaften Reaktionen auf affektgeladene politische Äußerungen und plakative Medienbilder überlagert wird. Vor diesem Hintergrund entscheidet sich in der Frage nach der Art und Weise wie sich die Punkte verbinden, ob ein schwarzes Loch daraus wird, oder ein Sternenbild.

Anmerkungen

1 Les Blough: „Iran: Some Dots You May Want To Connect“ (14.06.2009), http://www.axisoflogic.com (04.02.2010).

2 Georges Didi-Huberman, Ähnlichkeit und Berührung, Archäologie, Anachronismus und Modernität des Abdrucks, DuMont, Köln 1999, S. 10.

3 Georges Didi-Huberman, Ähnlichkeit und Berührung, Archäologie, Anachronismus und Modernität des Abdrucks, DuMont, Köln 1999, S. 22.

Michael Hakimi, Connecting the Dots, 27.01.2010 – 13.03.2010, Galerie Mezzanin, Wien