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Vorwort

Großausstellungen wie die „Biennale" in Venedig, die „documenta" in Kassel und „Skulptur. Projekte in Münster" versuchen in regelmäßigen Abständen, einen Überblick über die Kunstentwicklungen der letzten Jahre zu geben und jeweils für aktuell' und ,relevant' befundene Tendenzen vorzustellen. Das Diktum der Aktualität' ebenso wie Kanonbildungen und Meister-Schüler-Konstellationen lassen sich dabei kaum umgehen.

In dieser Ausgabe lenken wir die Aufmerksamkeit auf historische Hintergründe und analysieren die Positionen von inzwischen zu Altmeistern' avancierten Künstlern, die Schule gemacht haben und von jüngeren Künstlergenerationen als Vorbilder bzw. Orientierungspunkte zitiert werden, um bisher vernachlässigte Aspekte ihrer Vorgehensweisen ins Blickfeld zu rücken bzw. Bedeutungsverschiebungen zu untersuchen: So spürt Simon Watney den vergessenen subkulturellen Verflechtungen der Produktion Andy Warhols nach, und Stefan Germer untersucht die Funktion des Privaten in der Malerei Gerhard Richters. Neben der Erinnerung an vergessene, erst vor kurzem ,wiederentdeckte' Positionen wie etwa die David Lamelas (Eric de Bruyn) und der kritischen Analyse von künstlerischen Strategien, die wie Louise Lawler (George Baker) und Simon Leung (Pamela M. Lee) in den siebziger Jahren formulierte Konzepte aktualisieren, wird auch die Wandlung des Konzepts der Ortsspezifität bei einem Künstler wie Michael Asher analysiert (Mathias Poledna). Ebenso zeigt die Geschichte der Appropriation art (Stefan Römer), daß der Begriff der künst- 1 lerischen , Strategie' durchaus zwiespältig ist: Einerseits steht künstlerische Strategie' für den Versuch, die Einsicht in die Mechanismen des kulturellen Apparats im Foucaultschen Sinne zu nutzen als die „Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden". Andererseits geht damit die Gefahr einer zunehmenden Bezogenheit auf eben diesen Apparat einher, der künstlerische Handlungsmöglichkeiten geradezu dominiert. An den Begriff der Strategie wird nämlich häufig eine Uberschätzung des Subjekts geknüpft, der wir durch die Betonung der Entstehungszusammenhangs und der Entwicklungsbedingungen eines bestimmten künstlerischen Formvokabulars und seiner Rezeptionen entgegenzusteuern versuchen.

Eine derartige Herangehensweise charakterisiert auch unsere Beschäftigung mit Martin Kippenberger, dem ein Großteil dieses Hefts gewidmet ist: In Gesprächen mit den Personen, die an Kippenbergers Produktion beteiligt waren — seinen Unterstützern, Förderern, ehemaligen Assistentlnnen und befreundeten Künstlerlnnen --, wird deutlich, auf welche Weise persönliche, professionelle und ökonomische Beziehungen in Kippenbergers Werk zusammenspielen. Eine solche Annäherung an seine künstlerische Produktion soll zum einen der nach seinem Tode einsetzenden, unvermeidlich reduktionistischen Rezeption entgegenwirken, zum anderen ist es eine Hommage an Martin Kippenberger.

STEFAN GERMER/ ISABELLE GRAW/ ASTRID WEGE