Vorwort
Konzepte wie „Originalität", „Authentizität", „Heldentum" oder „Universalismus" gelten seit Ende der sechziger Jahre zwar als fragwürdig, vor allem in der Debatte um den Abstrakten Expressionismus dominieren sie jedoch bis heute zahlreiche kunsthistorische Forschungsansätze. So dominant diese Ideen in den fünfziger Jahren auch gewesen sein mögen — ihre kritische Analyse allein vermag die Frage nach der bis heute andauernden Anziehungskraft des amerikanischen Modells „Modernism" nicht zu klären, das heute zumeist mit der spezifischen Interpretation von Clement Greenberg gleichgesetzt wird. Während in den achtziger Jahren die negative Fixierung der progressiven Kunstkritik auf Greenberg ihren Höhepunkt erreichte, wurde in den neunziger Jahren eine differenziertere Auseinandersetzung mit seinen Schriften vorangetrieben. Gerade aufgrund ihrer mitunter apodiktischen Setzungen scheinen sie als Herausforderung für eine durch die dekonstruktivistische Schule gegangene Kunstkritik attraktiv zu sein.
Auch für Künstlerlnnen stellt sich aus heutiger Sicht die Frage, inwieweit das Künstlermodell des Abstrakten Expressionismus, prototypisch verkörpert durch Jackson Pollock, Anknüpfungspunkte bietet, die über eine Verwerfung der Idee des zumeist männlichen Künstlerheroen hinausgehen. Anlaß für diese Überlegungen war die vielbeachtete Pollock-Retrospektive dieses Winters im Museum of Modern Art, zu der wir mehrere Künstlerlnnen befragt haben („Pollock and After"). Mit der künstlerischen Rezeption von Pollock wiederum setzt sich Cathy Skene in ihrer Bildstrecke auseinander.
Eine andere Zielrichtung verfolgte Joseph Kosuth in seiner zu Beginn seiner Künstlerkarriere lancierten Attacke auf den Modernismus Greenbergs, die gleichwohl in einer ähnlich autoritären Rhetorik gehalten war. Der Frage, wieso eine Fraktion der amerikanischen Kunstkritik in den frühen neunziger Jahren gerade Kosuth die Kenntnis und geschickte Nutzung kunstbetrieblicher Mechanismen — im Gegensatz zu sogenannten institutionskritischen Künstlern — zum Vorwurf machte, geht Sabeth Buchmann nach.
Ein Blick auf den Mythos Pollock als Inbegriff des modernistischen Künstlers scheint sich auch in Anbetracht der aktuellen kunsttheoretischen Pebatten zu lohnen, die zwischen den Polen „Ästhetik" und „politisches iegen" zu vermitteln suchen. Inwieweit die vorherrschende Rezeption on Pollock als „unpolitischer" Künstler, die mit seinem Einzelgängertum seiner Konzentration auf formal-ästhetische Fragestellungen begründet wird, haltbar ist, bleibt jedoch zu diskutieren. Dasselbe gilt für die daran anknüpfende Frage, wie sinnvoll das stereotype Gegeneinanderausspielen von Begriffen wie „Medium", „Materialität" oder „Autonomie" und sich politisch verstehenden künstlerischen Ansätzen überhaupt ist. Wie etwa eine feministische Modernismus-Kritik aussehen könnte, die sich nicht nur als Antipode zum modernistischen Künstlerbegriff versteht, sondern semiotische mit kontextuellen Analysen verbindet, dazu nimmt Mary Kelly Stellung. Mit einem auf den ersten Blick durchaus vergleichbaren Ansatz kommt Mieke Bal zu ganz anderen Ergebnissen. Ihre vergleichende Lektüre zwischen barocker und zeitgenössischer Kunst sucht künstlerische Prämissen der Vergangenheit für die Gegenwart produktiv zu machen.
Für einen anderen Rückgriff auf Avantgarde-Strategien steht die Hamburger Akademie Isotfop, deren Ausstellungen in Berlin und Köln zu intensiven Diskussionen führten („Shortcuts") : ein Auftakt zu weiteren Aus& Gabbana einandersetzungen mit dem Komplex „Avantgarde"