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Viola Schmitt

Was machen wir mit Udo Walz? Liebe in der "Bunte"

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Wer die "Bunte" regelmäßig liest, steigt nicht nur in den wirren Kosmos des Liebeslebens prominenter Figuren wie Jette Joop, Martin Kesici, Xenia Seeberg, Sven Martinek oder Marie-Jeanette Steinle ein, sondern sieht sich auch dem begrifflichen bzw. rhetorischen Instrumentarium dieser Zeitschrift ausgesetzt. Mit diskursanalytischem Werkzeug hat sich Viola Schmitt das sprachliche Darstellungs- und Klassifizierungssystem der "Bunte" vorgenommen. Das Ergebnis ist so amüsant wie bestürzend.

Es gibt Momente, in denen die Bunte die Fassung verliert. Dann zitiert sie entweder Rainer Maria Rilke ("Großer Gott, dieser Rilke" (21/2003, S. 19)) oder sie reagiert unter "Leute von gestern" auf die Drohung des Indianers Tom Lablanc, seiner Ex-Frau Ingrid Steeger den Schädel zu spalten, mit einem irren "Er kann kein Deutsch" (42/2003, S. 18). Während in anderen Unterhaltungszeitschriften Fälle von Einsamkeit (Rilke) und Irrationalität (Lablanc) ganz natürlich abgehandelt werden, zeigt die Bunte hier ein Unvermögen, das vielleicht folgendermaßen begründbar ist: Einerseits interessiert sich die Bunte, im Gegensatz zu anderen Zeitschriften, in ihrem Inhalt nicht für ihre Leser/innen und erfährt somit auch keine Abhärtung durch private Einsendungen irgendeiner Familienschweinerei, sondern lebt ausschließlich für ein nahezu abgeschlossenes System der Münchner Prominenz und Semi-Prominenz. Andererseits sieht es aber auch so aus, als verfüge sie über ein begrenztes theoretisches Instrumentarium, was die Exegese einer bestimmten Art von Vorkommnissen von vornherein ausschließt.

Wie aber müssen die Feinheiten dieses Rahmenwerks aussehen, wenn dieses nicht in der Lage ist, einen wütenden Indianer zu analysieren, sich jedoch am verfallenden Harald Juhnke (via Susanne Juhnke) immer wieder neu delektiert?

Vielleicht hängt dies mit dem konzeptuellen Apparat der Bunten zusammen. Dieser lässt sich anhand von zwei Paradigmen, die beide um einen Liebesbegriff zirkulieren, beschreiben. Das erste unterscheidet sich vom zweiten hinsichtlich seines Zugriffs auf die möglichen Beziehungen der Prominenz und beinhaltet die Befragung sowie die Assertion eines Attributs. "Verliebt?" (Herbert Grönemeyer) steht hier gegen "Verliebt." (Claudia Roth auf Mallorca), "Trennung?" (Nadja Auermann und Wolfgang Grandezka) gegen "Trennung!" (Berti und Monika Vogts) etc. Das zweite Paradigma ist bei gleichem Operationsrahmen zeitlich linear angelegt, hier finden sich "Verliebt", "Hochzeit", "Baby" und "Trennung", ein striktes Schema von Stationen also, die einerseits beispielsweise von Frauke Ludowig und Jessica Stockmann-Stich durchlaufen werden können, andererseits aber auch einen festen und, wie es scheint, eine kausale Relation implizierenden Rahmen vorgeben. Da dies bereits eine erschöpfende Beschreibung des diskursiven Systems der Bunten darstellt, wird klar, dass hier auch nur auf Personen zugegriffen werden kann, die Andockstellen für die erwähnten Begriffe bieten (was ja nicht zuletzt Rudolf Scharping zu Fall brachte) und somit vom konzeptuellen Apparat der Bunten verarbeitet werden können. Ereignisse und Vorfälle, die nicht vermittels dieses begrifflichen Inventars beschrieben oder aber vorausgesagt werden können, wie beispielsweise die Tom Lablanc unterstellte mörderische Absicht in Hinblick auf Ingrid Steeger, müssten demnach also notwendigerweise ausgeschlossen werden. Die Frage jedoch, inwiefern Zustände und Zustandsänderungen der Prominenz innerhalb des Begriffsnetzes beschrieben und vor allen Dingen prognostiziert werden können, bleibt bestehen: Inwiefern ist das Ereignis "Verliebt: Ralph Siegel" im Ereignis "Ralph Siegel: verliebt?" verankert, oder wie schaffen es Liza Minelli und David Gest eigentlich innerhalb kürzester Zeit von "Hochzeit" zu "Trennung"? Wo befindet sich der kritische Punkt, der als Auslöser für den prädikativen Wandel gelten darf? Normalerweise gäbe es zwei Felder, in denen dieser Punkt zu finden sein könnte, zum einen Koinzidenzen gleich wel- cher Art, zum anderen die inneren Zustände des Individuums sowie seine Geschichte. Letzteres muss jedoch in der Bunten allein durch die Art der Repräsentation (die gleichzeitig Analyse ist) ausgeschlossen werden. Das Subjekt (wie etwa Ralph Siegel) wird eben nicht als eine komplexe Persönlichkeit dargestellt, der verschiedene Prädikate, also Eigenschaften zugeordnet werden können, vielmehr durchläuft es eben nur die oben genannten Stationen und wird den vorgegebenen Eigenschaften (wie "verliebt") untergeordnet, sozusagen als semantische Anreicherung oder Argument derselben. Da diese Prädikate (wie eben "Trennung") immer zwei Argumente verlangen, wird zudem jedes Individuum in ein geordnetes Paar (mit einer anderen Person, im Falle von Ralph Siegel entweder Naddel oder die Sängerin Kriemhild Jahn) gefasst. Demnach ist das Auftreten eines allein stehenden Prominenten in der Bunten sehr problematisch, was auch am Fall Udo Walz deutlich wird. Nachdem dieser nicht mit einer zweiten Person gepaart werden kann, wird schließlich auf Gebäude ausgewichen, so dass die Bunte statuiert: "Wunderschön: Udo Walz und Berliner Altbauwohnung". Das Verhältnis zu ihrem jeweiligen Partner macht aber auch andere Personen trotzdem nicht beschreibbar. Das sie verbindende Prädikat fordert nämlich kein Agens und setzt somit nicht voraus, dass Alexander von Schaumburg-Lippe in irgendeiner Form handelt, um Jette Joop zu heiraten. Gleichzeitig hat es aber auch keinen echt transitiven Charakter, d.h. es fehlt hier die Eigenschaft, seine Argumente in eine bestimmte Relation zueinander zu stellen, die beide auch in gewisser Weise spezifizieren würde, und damit fehlt auch Sven Martinek die Fähigkeit, Xenia Seeberg in irgendeiner Form zu beeinflussen, auch wenn sie beide noch so oft unter "verliebt" oder jetzt sogar "Hochzeit" aufge- führt sein mögen. Damit fällt ein Konzept, das Zustandveränderungen in irgendeiner Form auf die internen Prozesse eines Individuums zurückführen wollte, schon einmal weg. Ebenso wenig sind sie aber aus der Geschichte zu erklären. Einerseits erhalten die Personen durch die bloße Zuordnung zu "verliebt" etc. stativischen Charakter, andererseits zeichnet sich die Bunte-Berichterstattung auch dadurch aus, dass die letzte Ausgabe kategorisch vergessen wird und somit ein Ereignis immer wieder neu geschieht und neu zu begründen ist. Dies ist am Fall des armen Harald Juhnke sehr schön zu erkennen, der wieder und wieder zum Alkoholiker werden muss, um seine Demenz ableitbar zu machen. Hierdurch ergibt sich ein Zustand der Starre, der zur Konsequenz hat, dass die Prädikatsveränderungen nicht auf analysierbare Prozesse zurückzuführen sind, die in der tatsächlichen oder historischen Tiefe des Individuums angesiedelt werden können, die vorgebliche kausale Verkettung also im Einzelnen nicht nachvollzogen werden kann. Daraus resultiert aber auch eine gewisse Willkür in der Paarung und eine Unfähigkeit zur gerechtfertigten Vorhersage, die, im Zusammenspiel mit dem Nichtvorhandensein einer Geschichte, dazu führt, dass in der jeweiligen Bunte festgelegte Zustände und Ordnungen so lange final und unanzweifelbar bleiben, bis sie in einer der nächsten Ausgaben innerhalb des Schemas weiter bearbeitet werden. Damit wird natürlich auch außer Frage gestellt, was denn ein Verliebtsein begründet, was nach der Hochzeit geschieht und worauf eine Trennung zurückzuführen ist.

Gleichermaßen werden Koinzidenzen, also das Zusammenspiel eines geordneten Paares mit einem Vorfall, ebenfalls ausgeschlossen, die Personen sind zwanghaft monogam, und erst durch Perspektivwechsel kann über einen nebulösen Folgerungsprozess auf Nebenstränge geschlossen werden, wie zum Beispiel auf die Geliebte von Claus Theo Gärtner. Eine direkte Gegenüberstellung erfolgt jedoch nie, und so bleiben auch hier die Konsequenzen aufgrund der unterspezifizierten Grundlagen im Dunklen.

Es gibt jedoch auch Fälle, die in einem solchen Schema keinen Platz mehr finden. Dazu gehört beispielsweise Boris Becker, dessen glückliche Ehe mit Barbara bis zu einem Grad gefeiert wurde, dass eine plötzliche Unterordnung der beiden unter ein Trennungsprädikat nicht einfach ablaufen könnte, ohne dass die Unbestimmtheit der Schlussmechanismen offen zutage treten würde. Genauso wenig ist Dr. Dieter Wedel, der mit zwei Frauen, nämlich Uschi und Corinne, gleichzeitig unter "verliebt" aufgeführt werden müsste, mit dem gängigen Begriffsinventarium fassbar, und auch Martin Walser bleibt aus mehreren Gründen inkommensurabel. Hier tritt nun der Bunte-Reporter Paul Sahner als Instanz auf, der die komplexeren Fälle (die gleichzeitig alle männlich und seine Freunde sind) übernimmt und damit aus den schlichten Ordnungsverhältnissen reißt. Hier werden Heiner Lauterbach und Boris Becker plötzlich zu Personen mit eigener Geschichte und damit frei für Beschreibungen, Charakterisierungen und einen unbegrenzten Rahmen an Attributen, so dass Boris Becker sich selbst erklären darf mit Sätzen, die paraphrasiert meistens auf "Ich habe nachgedacht" hinauslaufen, während Martin Walser gleich einem schönen Schwan durch den Bodensee gleitet und Dr. Dieter Wedel die Geschichte seiner Promotion nachzeichnet. Hier werden die Personen also vielschichtig und zeigen Brüche, Einschränkungen in der Partnerwahl sowie ein damit einhergehendes Potenzial für Probleme wie Trunksucht und Depression (Heiner Lauterbach nach der Trennung von Jenny Elvers), die jetzt aus persönlichen Befindlichkeiten heraus erklärt werden können und somit auch, zumindest in Grenzen, die Grundlage für Vorhersagen bilden ("Boris Becker heiratet kein zweites Mal").

Somit stellt Paul Sahner jenen Kanal dar, durch den Weltwissen in die Bunte hinein- und aus der Bunten herausgelangt.Welche Problemfälle allerdings von ihm aufgegriffen werden bzw. sich mit ihm befreunden, liegt ebenso verborgen wie das Treiben Ralph Siegels.