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DIE STILLE LESEN LERNEN Soup du Jour über solidarisches feministisches Handeln gegen strukturelle Ungleichheiten

Protestors at the / bei der performance „A rapist in your path“ by the / der collective LASTESIS, Buenos Aires 2019

Protestors at the / bei der performance „A rapist in your path“ by the / der collective LASTESIS, Buenos Aires 2019

Die Machtgefälle des Kunstbetriebs machen es Einzelnen oft schwer bis unmöglich, gegen Fehlverhalten aufzubegehren. Daher agiert Soup du Jour als anonymes Kollektiv. So gelingt es, wichtige Themen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, wie zuletzt im vergangenen Sommer, als sich die Gruppe via Social Media in die Debatte um den Berliner Galeristen Johann König einschaltete. Die Redaktion von TEXTE ZUR KUNST befragte Soup du Jour nicht nur zu den aktivistischen Entscheidungen des Kollektivs, sondern auch zu dessen Gründungsgeschichte und aktuellen politischen Zielen. Das im Zusammenhang mit unserer aktuellen Ausgabe „Ohnmacht“ geführte Gespräch zeigt auf, welche Handlungsräume sich durch gemeinschaftliches, intersektional ausgerichtetes feministisches Agieren eröffnen.

TEXTE ZUR KUNST: Würdet ihr eure Entstehungsgeschichte mit uns teilen? Wie habt ihr zusammengefunden, wie definiert ihr eure Praxis oder deren materielle Ausprägungen (die Arbeit der Guerrilla Girls beispielsweise lässt sich in Teilen als autonomes Kunstwerk bezeichnen), und warum habt ihr diese spezielle Struktur – das anonyme Kollektiv – dafür gewählt? Wir gehen davon, dass es viel mit den bestehenden Machtstrukturen in der Kunstwelt zu tun hat, die es schwierig oder (scheinbar) unmöglich machen, als Einzelperson die Stimme zu erheben.

SOUP DU JOUR: Im September 2018 traf sich eine lose Gruppe von Feminist*innen, um in einem offenen Schreiben auf eine als international angekündigte Ausstellung am Düsseldorfer NRW-Forum zu reagieren, bei der die allermeisten der zahlreichen Künstler weiß waren und nur eine Frau eingeladen war. [1] Die öffentliche Debatte und die Unterstützung durch über 1000 Mitzeichner*innen motivierten die Gruppe, sich zu organisieren und effektiver zu werden. Anfang 2019 gründeten wir uns dann in Berlin als Soup du Jour. Als Kollektiv eint uns vor allem der Wunsch nach Veränderung innerhalb der kulturellen Institutionen. Wir glauben an die Macht der Solidarität und an das Veränderungspotenzial der kollektiven Aktion. Wir wählen die Anonymität, weil wir möchten, dass die Leute auf das achten, was wir sagen, und nicht auf uns als Individuen. Bestünden wir nicht auf Kollektivität, würde die gemeinsame Arbeit hinter dem öffentlichen Bild einiger weniger Vertreter*innen schnell unsichtbar werden. Wir möchten jedoch nicht die etablierten Hierarchien von Sichtbarkeit reproduzieren, sondern sie kritisieren. Natürlich ist unsere Entscheidung, anonym zu bleiben, mit einigen Einschränkungen verbunden, was das Agieren in der Öffentlichkeit betrifft. Wir nutzen deshalb die sozialen Medien als unsere primäre Plattform. Denn Online-Plattformen schaffen – trotz all ihrer Schwächen und Probleme – Raum für Stimmen, die in kulturell legitimierten Medien leicht ignoriert oder an den Rand gedrängt werden. Außerdem haben sie aus aktivistischer Sicht den Vorteil, niedrigschwelliges, spontanes und schnelles Handeln zu ermöglichen. In Diskursen der Kunsttheorie wird oft dazu geneigt, Online-Plattformen und Printmedien sehr unterschiedlich zu bewerten in Bezug auf ihre Fähigkeit, gehaltvollen Inhalt zu generieren. Das sehen wir etwas anders. Wir begreifen die sozialen Medien als integralen Bestandteil der Realität, über den politische Verhältnisse direkt beeinflusst werden können – denn nicht alle lesen Artforum oder TEXTE ZUR KUNST.

TZK: Wann habt ihr euch zum ersten Mal mit den Vorwürfen gegen Johann König beschäftigt, und was hat euch dazu bewogen, euch öffentlich dazu zu äußern?

SDJ: Es ist rechtlich etwas schwierig, darauf einzugehen, da der Anlass, der unser kollektives Augenmerk zuerst auf diesen Fall lenkte, nicht genannt werden darf. Es ging für uns daher auch nie um eine Entscheidung, uns äußern zu wollen, sondern um ein Ausloten der Möglichkeiten, uns überhaupt äußern zu können. In Deutschland ist die Unschuldsvermutung nicht nur ein juristisches Prinzip, das in Gerichtssälen Anwendung findet, sondern sie bestimmt auch ganz entscheidend, was in Bezug auf Anschuldigungen im öffentlichen Diskurs auftaucht und was nicht. [2] Besonders wenn Beschuldigte die Mittel haben, sich juristisch umfassend vertreten zu lassen, ist es gerade ohne strafrechtliche Verurteilung beinahe unmöglich, zu konkreten Fällen öffentlich Stellung zu beziehen. [3] Zumindest nicht ohne das Risiko empfindlicher finanzieller Folgen. Letztendlich hat es uns der in der ZEIT erschienene Artikel ermöglicht, [4] durch Zitate und Verweise auf die Recherchen etwas öffentlicher mit dem konkreten Fall umzugehen. Der Presse kommt rechtlich die besondere Stellung zugute, die Anonymität ihrer Quellen schützen zu dürfen. [5] So können unter bestimmten Umständen fundiert recherchierte Artikel auch dann veröffentlicht werden, wenn alle Quellen anonym bleiben. Die Hürden für solche Veröffentlichungen sind jedoch hoch. Unsere Haltung war und ist, den Frauen* zu glauben, die unabhängig voneinander mit den Journalist*innen gesprochen haben. Statistiken zeigen deutlich, dass falsche Behauptungen über Machtmissbrauch und/oder sexuelles Fehlverhalten so selten vorkommen, dass sie beinahe vernachlässigbar sind. [6] Die meisten Menschen schweigen, wenn sie mit Machtmissbrauch konfrontiert werden; aus Angst vor Repressalien und öffentlicher Bloßstellung, um weitere Gewalt und Retraumatisierung zu vermeiden, aus Mangel an finanziellen Mitteln, aus Sorge um ihren Lebensunterhalt und um ihre persönlichen Beziehungen zu schützen, und tragischerweise, weil Frauen* und anderen Betroffenen von Machtmissbrauch und/oder sexualisierter Gewalt in der Vergangenheit sehr selten Glauben geschenkt wurde, wenn sie das Risiko eingingen, ihre Geschichten zu teilen.

Soup du Jour, „Achtung Weisswurst”, 2019, protest campaign / facebook post*

Soup du Jour, „Achtung Weisswurst”, 2019, protest campaign / facebook post*

TZK: Wärt ihr bereit, eure Beziehung zu den Betroffenen des Falls Johann König offenzulegen? Steht ihr in Kontakt mit ihnen, habt ihr Feedback von ihnen bekommen?

SDJ: Über die genannten Gründe hinaus ist es uns – nicht nur bezogen auf diesen Kontext –wichtig, dass, wenn Menschen im Vertrauen mit uns sprechen, wir davon nichts weitertragen. Wir wollen nicht nur unsere Anonymität geschützt wissen, sondern auch die Anonymität von anderen schützen.

TZK: In den Wochen nach der Veröffentlichung der Vorwürfe gegen Johann König in der ZEIT wart ihr in den sozialen Medien sehr aktiv und habt genau verfolgt, welche Künstler*innen sich entschieden haben, die Galerie zu verlassen. Im November 2022 habt ihr euch schließlich gezielt an Monica Bonvicini gewandt und ihre Unentschlossenheit adressiert. Während einige eurem Vorgehen zustimmten, den Druck zu erhöhen und Bonvicini aufzufordern, ihrer feministischen Haltung klare und transparente Taten folgen zu lassen, waren andere davon irritiert und fragten sich zum Beispiel, warum ihr euch nicht an die von der Galeristin vertretenen männlichen Künstler gewandt habt. Würden ihr uns die Gründe für euer Vorgehen darlegen? In eurem offenen Brief unterstreicht ihr die Bedeutung von Transparenz. Wäre es für euch auch eine Option gewesen, euch direkt an Monica Bonvicini zu wenden und dann zum Beispiel eine gemeinsame oder gleichzeitige Erklärung zu veröffentlichen?

SDJ: Wir haben damals über diese Frage auch gesprochen und sie deshalb auch in dem offenen Brief aufgegriffen. [7] Wir stimmen zu, dass es Aufgabe aller ist, sich gegen Missstände zu positionieren. Allerdings haben wir keinen Anlass dafür gesehen zu glauben, dass die, die sich nie öffentlich solidarisch mit Frauen* gezeigt haben, dies in diesem Fall nun plötzlich tun würden. Es ist zwar wichtig, an Idealen festzuhalten, aber politische Interventionen können nur dann wirksam zu einem echten Wandel beitragen, wenn sie in ihren Strategien realistisch sind. Im Aktivismus ist es deshalb üblich, zunächst die Unterstützung von Gleichgesinnten zu suchen, bevor man sich an Personen wendet, die bislang kein Interesse an der angestrebten Veränderung gezeigt haben. Im Fall von Monica Bonvicini war es so, dass ihr Werk eine klare feministische Haltung vorgibt und wir sie genau deshalb als mögliche Verbündete adressiert haben. [8] Da ihre Positionierung in Bezug auf die Anschuldigungen für uns unklar war, haben wir sie in dem Brief ermutigt, ihre Haltung zu klären. Feministische Botschaften sind seit langer Zeit wichtiger Teil von Bonvicinis künstlerischer Praxis. [9] Wir hatten Grund zur Annahme, dass diese Inhalte auch Einfluss darauf haben, wie sie ihre beträchtliche politische Handlungsfähigkeit innerhalb der Strukturen nutzt, die ihre Arbeit ausstellen bzw. ihre Interessen am Markt vertreten. Unser Wunsch nach Veränderung im Kunstfeld bedeutet für uns, politische Gesten in künstlerischen Werken in Bezug zu setzen zu konkreten Formen des politischen Handelns außerhalb des Werks. Wir halten es für zynisch, sich damit abzufinden, dass die reine Geste genügt.

TZK: Wie begegnet ihr dem Vorwurf, euch auf andere Feminist*innen anstatt auf männliche Täter und Zuschauer zu konzentrieren und gemeinsam, über Unterschiede hinweg, gegen diese zu kämpfen? Wie habt ihr auf solche Kritik reagiert und euch mit ihr auseinandergesetzt, als sie an euch herangetragen wurde?

SDJ: Wir haben keine direkte Antwort bekommen auf unseren offenen Brief. Monica Bonvicini selbst war nicht bereit, mit uns in den Dialog zu treten, obwohl sie mehrfach Gelegenheit dazu gehabt hätte. Wir haben jedoch zur Kenntnis genommen, dass die König Galerie sich von der Künstlerin getrennt hat, um diese – einem später gelöschten Instagram-Post der Galerie vom 11. November 2022 nach – „zu schützen“. [10] Es ist tatsächlich Kern unserer Praxis, über Unterschiede hinweg Netzwerke zu schmieden, um gegen diskriminierende Strukturen im Kunstbetrieb vorzugehen. Darin muss es aber auch möglich sein, sich gegenseitig bezüglich der Integrität des Handelns zu befragen. Unrecht geht nicht von Einzelnen aus, sondern entsteht in Kontexten und Systemen, die es begünstigen. Das Befragen und Ausloten unserer Verstricktheiten in solchen Kontexten und Systemen sehen wir als einen politischen Prozess, der tief verwurzelt ist im feministischen Denken und Handeln. Im Diskurs können wir uns unserer Handlungsmacht innerhalb unserer Umfelder bewusst werden. Dabei wäre es natürlich naiv anzunehmen, dass alle selbst ernannten Feminist*innen unter denselben Lebensbedingungen operieren, Zugang zu denselben Ressourcen haben, dieselben Ziele anstreben oder in ihrem Verständnis der feministischen Praxis dieselben Prioritäten verfolgen. Wir können zum Beispiel keinen Feminismus unterstützen oder befürworten, der die Emanzipation von weißen cis Frauen im globalen Norden bevorzugt und auf individuelle statt auf kollektive Ermächtigung zielt. Von dem Moment an, als wir uns zusammenfanden, war es immer eine Priorität, eine gesunde Distanz zum white feminism herzustellen. [11]

Soup du Jour, „Whitey on the Moon”, 2019, sticker**

Soup du Jour, „Whitey on the Moon”, 2019, sticker**

TZK: Würdet ihr sagen, dass sich in der Kunstwelt durch die #MeToo-Bewegung etwas verändert hat? Gibt es Fortschritte im Kampf für eine gerechtere Kunstwelt? In eurem Interview von 2019 sagt ihr: „[…] wenn man die Privilegien mancher weißer Männer analysiert, wird das als ‚Identitätspolitik‘ abgetan. Diese herabsetzende Sprache, die sich bei Alt-Right-Rhetoriken bedient, wird auch von denen verwendet, die sich in Deutschlands Kulturleben eigentlich als links definieren.“ [12] Das liest sich heute genauso wahr wie damals.

SDJ: Der Diskurs um sexualisierte Gewalt und sexuelles Übergriffsverhalten hat sicherlich eine Präsenz bekommen, die er vorher nicht hatte, und von Machtmissbrauch Betroffene sind nun weniger geneigt, sich stillschweigend damit abzufinden. Bezogen auf die Kunstwelt bleibt aber dennoch vieles im Symbolischen stecken, da sich die Institutionen zeitgenössischer Kunst in ihren Strukturen nicht verändert haben. Machtmissbrauch wird begünstigt von Strukturen, die von großem Machtgefälle geprägt sind. Diese bestehen unverändert im Museum, auf dem Kunstmarkt, in den Ateliers der Großkünstler*innen, an den Akademien und an den Kunsthochschulen. Noch dazu bleibt ein anderer Punkt: Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch haben oft keine Zeug*innen, was das Gros der Vorkommnisse de facto unbeweisbar macht. Was strafrechtlich wiederum nicht belangbar ist, kommt, wie erwähnt, im öffentlichen Diskurs häufig nicht vor. Daher hören wir immer noch viel Schweigen, wir sehen aber auch den Kampf dagegen.

TZK: Was sind eure aktuellen Prioritäten im Kampf für eine gerechtere Kunstwelt? Und auf wessen Solidarisierung hofft ihr? Steht der Fall König noch auf eurer Agenda?

SDJ: Unsere Netzwerke werden immer stärker und größer, da immer weniger Menschen bereit sind, wegzusehen, wenn Machtmissbrauch im Spiel ist. Die langsame, aber unausweichliche Ankunft der #MeToo-Welle in der deutschen Kulturlandschaft ermutigt uns. Wir verfolgen aufmerksam die Diskussionen in der Öffentlichkeit um Til Schweiger, Julian Reichelt, Till Lindemann und verschiedene andere Personen, die derzeit mit Vorwürfen des Machtmissbrauchs und/oder sexuellen Fehlverhaltens konfrontiert sind. Dabei liegt unser Augenmerk aber vor allem auf strukturellen Fragen und nicht auf einzelnen Fällen. Gleichzeitig ist es so, dass, wenn man strukturelle Probleme beleuchten möchte, man konkrete Beispiele nicht aussparen kann. Es zu vermeiden, über konkrete Fälle zu sprechen, würde es unmöglich machen, politische Arbeit zu leisten. In den letzten Jahren haben wir uns dann zu bestimmten Einzelpersonen geäußert, wenn wir davon überzeugt waren, dass dies dazu beitragen würde, die Aufmerksamkeit auf die zugrunde liegenden Machtdynamiken und -verhältnisse zu lenken, die ein solches Fehlverhalten ermöglichen und begünstigen. Wenn man es konsequent verfolgt, Beispiele anzuführen, dann wird mit der Zeit klar, dass das, was als Einzelfälle verharmlost wird, sich zu einem systemischen Problem summiert. Wir beobachten in diesem Zusammenhang oft, dass es vergleichsweise reibungsfrei ist, im Abstrakten zu bleiben und Strukturen zu beklagen. Die strukturelle Kritik scheint uns überraschend konsensfähig zu sein. Sobald es konkret wird, wenden sich die Dinge jedoch schnell, da das Sprechen über Konkretes Konsequenzen hat und Menschen ganz explizit Stellung beziehen müssen. Wir verstehen es als politisch unabdingbar auf konkrete Zusammenhänge und Personen einzugehen, wenn wir einen Wandel wollen.

Oft entsteht in der Öffentlichkeit nämlich der Eindruck, dass selbst nach dem Bekanntwerden von Anschuldigungen eine Stille eintritt. Die Umstände dafür, weshalb diese Stille eintritt, gelangen dabei aber meist nicht an die Öffentlichkeit. Viele Personen und auch Medien können es sich – selbst wenn sie im Recht sind – schlichtweg nicht leisten, gegen strategisch versandte Unterlassungsforderungen vorzugehen und mit mächtigen Kanzleien in einen möglicherweise langen und kostspieligen Rechtsstreit zu treten. Es ist interessant zu verfolgen, wie viele Plattformen und Personen – möglicherweise deshalb – ihre ursprünglichen Berichte und Kommentare über konkrete Anschuldigungen nach einigen Wochen oder Monaten wieder offline nehmen. Das Schweigen, das die Vorwürfe gegen Johann König seit ihrem Erscheinen in der ZEIT umgibt, könnte zum Beispiel möglicherweise Folge der Aktivitäten seines Anwaltsteams sein, und nicht notwendigerweise Zeichen öffentlicher Gleichgültigkeit.

Soup du Jour setzt sich dafür ein, einen Raum zu schaffen, in dem intersektionale Feminist*innen Solidarität finden, eine Gemeinschaft aufbauen und Positionen gegen patriarchale und weiße Vorherrschaftsideologie beziehen können, ohne Stigmatisierung oder Vergeltung fürchten zu müssen. Die Verbündeten von Soup du Jour sind in einer Vielzahl von Institutionen und auf allen Ebenen der Hierarchien des kulturellen Lebens in Deutschland präsent und aktiv – als Künstler*innen, Kurator*innen, Museumsdirektor*innen, Kritiker*innen und Akademiker*innen, aber auch als eher prekär beschäftigte Kulturschaffende in Galerien, Museen, Theatern, Universitäten und in der freien Szene. Einige unserer Interventionen haben zwar die Aufmerksamkeit der Presse und der Öffentlichkeit erregt, aber diese Momente der Sichtbarkeit machen nur einen winzigen Teil dessen aus, was wir tun und wo wir aktiv sind. Der überwiegende Teil unserer Arbeit findet im Stillen und im Alltag statt, wo unsere Mitstreitenden – in dem Maß, in dem sie dazu in der Lage sind – die vielen strukturellen Ungleichheiten angehen, die in unserem privaten und öffentlichen Leben fortbestehen.

Weitere aktuelle Beiträge zum Thema: „Vom Private View ans Licht der Öffentlichkeit“: Überlegungen zur Sichtbarmachung sexualisierter Gewalt im Kunstfeld von Sabeth Buchmann, Christina Clemm, Iris Dressler und TEXTE ZUR KUNST und „Bürgerliches Recht und soziale Praxis“ von Thomas Locher.

/ * Das Posting war Teil einer Kampagne, die darauf aufmerksam machte, dass 75% der Künstler*innen deren Arbeit im Kontext des Gallery Weekend Berlin 2019 gezeigt wurde, weiße Männer waren. Im Zuge der Veranstaltung wurden zudem Aufkleber verteilt.

/ ** Die Kampagne wurde als Reaktion auf die Ausstellung “Milchstraßenverkehrsordnung” im Künstlerhaus Bethanien konzipiert. Dem Begleittext zufolge war diese von “afrofuturististischen Konzepten” inspiriert, allerdings beinhaltete Sie nur eine einzige PoC Position. Unter den 22 gezeigten Künstler*innen war nur eine Frau.

Image credit: 1. Carol Smiljan / Alamy Stock Photo, 2 + 3: Courtesy of Soup du Jour

Anmerkungen

[1]„Open Letter Regarding Lack of Diversity in NRW Forum Exhibition“, e-flux conversation. Anm. d. Red.: Bei der Ausstellung handelte es sich um „Im Zweifel für den Zweifel: Die Große Weltverschwörung“, NRW Forum, Düsseldorf, 21. September bis 18. November 2018.
[2]Siehe Birthe Berghöfer, „Mundtot gemacht: Frauen, die öffentlich über sexualisierte Gewalt sprechen, werden oft schnell wieder zum Schweigen gebracht“, in: nd, 8. April 2021.
[3]Caitlin L. Chandler, „The Doctor vs. #MeToo“, in: Columbia Journalism Review, 19. Januar 2021.
[4]Luise Hommerich/Anne Kunze/Carolin Würfel, „Ich habe ihn angeschrien und beschimpft, damit er weggeht“, in: DIE ZEIT, 31. August 2022.
[5]Bestätigt im Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg im Streit zwischen dem Galeristen Johann König und der ZEIT: „Es besteht ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit daran, darüber informiert zu werden, dass gegen einen bedeutenden und international tätigen Angehörigen des Kulturbetriebs der Vorwurf erhoben wird, er würde immer wieder Frauen sexuell bedrängen. […] Wenn denn in einem Bereich des öffentlichen Lebens eine Vielzahl von Vorwürfen solcher Art gegen eine Person laut werden, besteht daran ein Interesse der Öffentlichkeit, das über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht und auf die Erlangung echter Informationen gerichtet ist. Dieses Interesse zu befriedigen sind die Presse und die anderen Publikationsorgane im Grundsatz berechtigt.“ Beschluss des OLG Hamburg, zitiert in: Pressemitteilung der ZEIT Verlagsgruppe, 20. Dezember 2022. Der vollständige Beschlusstext des Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg ist online verfügbar.
[6]Siehe David Lisak/Lori Gardinier/Sarah C Nicksa/Ashley M. Cote, „False allegations of sexual assault: an analysis of ten years of reported cases“, in: Violence Against Women, Dezember 2010, 16. Jg., Nr. 12, S. 1318–34; „Myths about Sexual Assault Reports“, in: B’Well Health Promotion, Brown University.
[7]Offener Brief a Monica Bonvicini, 8. November 2022.
[8]Vgl. im Werk von Bonvicini: Grab Them by the Balls (2019), https://monicabonvicini.net/grab-them-by-the-balls/; I Cannot (2019), https://monicabonvicini.net/i-cannot/; I Won’t (2021), https://monicabonvicini.net/editions/i-wont/.
[9]Bonvicini im Interview mit Saskia Trebing: „Die #Metoo-Debatte war wichtig. Es war wichtig, dass es einen Raum gab, wo all die Dinge geäußert werden konnten, und Betroffene mit einem Mal das Gefühl hatten, nicht mehr allein dazustehen. Sicher hat es zu einem sensibleren Umgang mit der Thematik von sexuellen Übergriffen geführt. Ob sich dadurch aber langfristig etwas ändert, muss sich erst noch erweisen.“ Saskia Trebing, „,Wir müssen reflektieren, was uns umgibt‘“, in: Monopol, 20. Februar 2019.
[10]Statement der Galerie König, 11. November 2022, als Screenshot archiviert auf der Facebook-Seite von Soup du Jour.
[11]Für weiterführende Kritik siehe: Rafia Zakaria, #Against White Feminism*, München: Hanser Verlag, 2023 (English: Rafia Zakaria, Against White Feminism, New York City: WW Norton & Co, 2021).
[12]Catrin Lorch, „Sexuelle Übergriffe: ‚Wir wissen alle genau, wer die Täter sind‘“, Interview mit Soup du Jour, in: Süddeutsche Zeitung, 11. Dezember 2019.