Die weinende Frau ist ein wiederkehrendes Motiv (nicht nur) in der Kunst. Es nährt die misogyne Fantasie des sogenannten schwachen Geschlechts, das zu Hysterie und Wahnsinn neigt. In ihrer Serie „Women Crying“ ergründet die 1970 in Los Angeles geborene, heute in New York lebende Künstlerin Anne Collier dieses zum Klischee geronnene Bild der in Tränen aufgelösten Frau. Hierzu fotografiert sie mit einer analogen Kamera bereits existierende Darstellungen von weinenden Frauen auf Vinyl-Covern, in Zeitungen und Romance-Comic-Strips ab. Dabei greift sie ausschließlich aufBilder aus der Zeit des Kalten Krieges mit ihren traditionellen Geschlechterrollen zurück und isoliert bestimmte Details wie Augenpartien oder einzelne Tränen. Das Spezifische dieser Serie wird auch in ihrer Jubiläumsedition „Woman Crying, Comic (for Texte zur Kunst)“ eindrücklich: Die Fokussierung auf das Detail des vom dichten Wimpernkranz eingesäumten tränenden und furchterregten Auges lässt zum einen die für Zeitungen und Comics charakteristische Pünktchenstruktur der Vierfarbdrucktechnik hervortreten. Zum anderen befreit sie die dargestellte Frau von ihrer patriarchalen Rahmung, entkoppelt sie also von dem für sie vorgesehenen Platz inder Gesellschaft.