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Vorwort

Im Bereich der Kunstkritik sind Cultural Studies immer noch strittig, und auch die Kunstgeschichte kultivierte bislang gerne ihre Abwehrhaltung. Dabei wird oft übersehen, daß es die Cultural Studies per se nicht gibt, sondern daß ihre Methodik jeweils abhängig ist von den unterschiedlichen Fragestellungen, Interessen und Gegenständen, die sie behandeln: Sie sind ein Sammelbegriff für trans- bzw. interdisziplinäre Vorgehensweisen und stehen für eine Erweiterung des Gegenstandsbereiches (Popkultur, Alltagsästhetik etc.) — ein Ansatz, der immer auch in dieser Zeitschrift stark gemacht wurde und wird.

So diskutiert Douglas Crimp das Potential von Cultural Studies als aktuelle Möglichkeit von Kunstgeschichtsschreibung. Sein Forschungsprojekt zu Andy Warhol und Jack Smith ist als Milieustudie anlegt und entwirft neue Sichtweisen zur Interpretation von Warhol, die einer Normierung von Sexualität ebenso widersprechen wie sie den klassischen Avantgardekanon herausfordern. Auch Christian Höller, Angela McRobbie, Lionel Bovier, Elisabeth Sussman, Tom Holert und John Miller sprechen sich für eine Praxis der Cultural Studies aus. Unsere Frage, inwieweit Kunstkritik und Cultural Studies (noch) voneinander profitieren können, beantworten sie mit einem Plädoyer für die produktive Weiterentwicklung dieses methodischen Instrumentariums und seiner Rückbindung an eine „gesellschaftspolitische DimenSion" (Holert). Zugleich warnen sie aber auch vor der Tendenz, Cultural Studies vorwiegend auf einer Metaebene zu verhandeln — eine Kritik, die angesichts einiger kürzlich erschienener Cultural Studies Reader durchaus berechtigt erscheint. Der Impuls, Cultural Studies bestimmen zu wollen, resultiert oft aus der Notwendigkeit, sich gegen andere methodische Ansätze abzugrenzen. Derartige Definitionen und Festschreibungen haben aber auch etwas mit Bildungspolitik zu tun. Neue Lehrstühle entstanden, um dem Interesse an der Erforschung sub- und populärkultureller Phänomene Rechnung zu tragen. Dabei zeigen die Interviews mit Gertrud Koch und Christina von Braun, in welcher Form kulturwissenschaftliche Studiengänge in Deutschland ihre eigene Ausrichtung besitzen, die sie von den britischen und amerikanischen Versionen unterscheidet.

Dennoch dominieren britische und amerikanische Modelle nach wie vor die deutsche Diskussion — ein Fall von Kultur- und Theorieimport, der, um produktiv zu sein, immer auch das Moment der Übertragung mitreflektieren muß. Ein anderes, frühes Beispiel eines solchen Kulturimports untersucht Jürgen Heinrichs in seiner historischen Studie zur Darstellung des afroamerikanischen Jazz in der Malerei der Weimarer Republik und differenziert dabei die bloße Übernahme des „Fremden" von einer Form der kulturellen Übersetzung, die den Dialog mit dem „Eigenen" sucht. Ausgangspunkt und Gegenstand seiner Untersuchung sind die Bilder von Archibald Motley, Paul Grunwaldt und Otto Dix.

In ähnlicher Weise steht das visuelle Material auch bei Isabelle Graw im Mittelpunkt methodischer Überlegungen. Sie interpretiert die Bilder von Joan Mitchell im Hinblick auf künstlerisches Milieu, Geschlecht und Biografie -und lotet neben den Vorteilen einer solchen kontextuellen Herangehensweise auch deren Grenzen als Erklärungsmodell für Kunst aus.

Daß das Verhältnis zwischen einem „kontextuellen" Ansatz und der Analyse interner Signifikationspraktiken von Kunst und ihrer Materialität je nach Untersuchungsgegenstand immer wieder neu bestimmt werden muß, davon handelt auch das Interview mit T.J. Clark: Der führende Vertreter der Social History meldet Zweifel an, inwieweit etwa der Kubismus mit sozialhistorischen Daten erfaßt werden kann. Dennoch bleiben „Milieu" oder auch „Subkultur" fruchtbare Kategorien, gerade wenn es darum geht, noch wenig erforschten Verbindungslinien zwischen unterschiedlichen kulturellen BereiChen wie Performance, Film, Theater und Musik nachzugehen. So kommen in den Interviews, die Mike Kelley mit Mary Woronov, Sebastian, Pamela Des Barres und AA Bronson führte, Figuren und Protagonisten subkultureller Szenen der sechziger und siebziger Jahre in New York und an der amerikanischen Westcoast zu Wort, die, weitgehend unbekannt, ein neues Licht auf Drag-Ästhetiken und die Kategorie Gender werfen. Diese Interviews, wie auch der Essay von Douglas Crimp, entstanden in redaktioneller Kooperation mit dem steirischen herbst '99 und sind eine Vorschau auf dessen Veranstaltungsreihe „RE-MAIO/RE-MODEL"

ILKA BECKER, ISABELLE GRAW, SUSANNE LEEB, ASTRID WEGE