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Beziehungsgeschichten Kathrin Peters über Peggy Buth in der Galerie Klemm's, Berlin

Peggy Buth, "Patterned Bodies", Galerie Klemm's, Berlin, 2008, Ausstellungsansicht Peggy Buth, "Patterned Bodies", Galerie Klemm's, Berlin, 2008, Ausstellungsansicht

Wenn die Fassade des Berliner Stadtschlosses rekonstruiert sein wird, soll dahinter ein Zentrum außereuropäischer Kulturen eingerichtet werden, in das unter anderem die Bestände der ethnologischen Museen einfließen sollen. Man fragt sich gleich, wie es bei dieser kuriosen Symbolpolitik gelingen könnte, die verwickelte Geschichte des Kolonialismus zu thematisieren – nicht zuletzt auch die des deutschen Kaiserreichs.

Nicht sehr weit entfernt von dem Ort, an dem das Gerippe des Palastes der Republik noch steht, zeigt die Künstlerin Peggy Buth in der Galerie Klemm’s eine mehrteilige Ausstellung über Körperdiskurse und die in ihnen aufgeworfenen Darstellungsfragen. Einen Knotenpunkt der Ausstellung „Patterned Bodies“ stellt das Künstlerbuch „Desire in Representation“ dar, das mit dem 1907 gegründeten Musée Royale de l’Afrique Centrale bei Brüssel einem Paradeexemplar der Kolonialgeschichte gewidmet ist. Dieses Museum beherbergt eine der größten Afrikasammlungen Europas, die derzeit in Umstrukturierung begriffen ist, weil man auch hier weiß, dass man die Beutestücke der Afrikaforschung des 19. Jahrhunderts heute nicht mehr als Schau fremd-schöner Artefakte zeigen kann.

Von dieser Umbruchsituation zeugen die Fotografien Buths, die im ersten der beiden Bände von „Desire in Representation“ zu sehen sind. Tief hat die Künstlerin sich in die Ausstellungsräume und Archive des Musée Royale hineingebohrt und dabei seltsame Dinge aus verschiedenen Zeiten vorgefunden: Büsten von Kolonialbeamten sowie afrikanischer Frauen, die ihre Kinder stillen, grüne Schaukästen und palisanderartige Wandverkleidungen, Karteikästen, leere Vitrinen und auf dem Parkettboden aufliegende, verschlissene Samtvorhänge. In diese Bildstrecke sind historische Fotografien aus dem Kongo eingestreut. Der Kongo war im Auftrag des belgischen Königs Leopold II. von dem britischen Publizisten Henry Morton Stanley zunächst „aufgekauft“ und in der Afrikakonferenz, die 1884/85 in Berlin stattfand, Belgien dann auch zugesprochen worden.

Der zweite Band leistet Archivarbeit an Texten, Bildern und libidinösen Verstrickungen. Buth rekonstruiert eine Art Vater-Sohn-Geschichte rund um Henry Morton Stanley, dem ein Kalulu genannter afrikanischer Junge angeblich als Sklave übergeben worden war. Kalulu wird zum Protagonisten der 1873 erschienenen Novelle „My Kalulu, Prince, King and Slave“, in der Stanley ihm eine intime, ja verdeckt homoerotische Freundschaft mit einem jungen, arabischen „servant“ andichtet. Passagen dieser Novelle, Reiseberichte und Briefe Stanleys hat Buth zu einem Text verwoben, der von Fieber, Regen, niedergebrannten Dörfern und schönen Körpern erzählt. Am Ende der Geschichte kommt Kalulu bei einer Flussüberquerung ums Leben und Stanley bleibt als jemand zurück, der von einem mythologisierten Begehren nach dem, was er gekauft zu haben meint, zutiefst durchzogen ist. Brüchig ist hier alles, das Dekorum des Musée Royale ebenso wie die Souveränität des Kolonialisten, der seinen Sklaven für seinen König hält. Dass Geschichte nie zu Ende ist, sondern immer wieder neu und anders erzählt werden kann (und muss), machen Buth und der Typograf Till Gathmann schon in der Buchgestaltung deutlich: Ein aufwendiges Verweissystem, Inserts und ein Register, das zahllose weitere Archivbilder zu Tage fördert, bringen die Leser/innen dazu, vor- und zurückzublättern, als wären sie selbst im Archiv und gerieten auf Nebenwege, die unvermittelt zu Hauptgleisen werden. Über die historischen Fotografien und Stiche sind zum Teil andere Bilder geklebt, die zu revidieren scheinen, was bei Drucklegung noch galt. Geschichte in Schichten und Geschichten.

In der Galerie liegen die beiden Bücher auf einem Tischchen, umrahmt von zwei großformatigen Bildern: einem Teerbild, in das unter anderem der Schriftzug „déformation professionelle“ geritzt ist, sowie einem Wandteppich, der eigentlich eine Auslegware mit eingefrästem Raster ist. Buth spielt das Thema der „Patterned Bodies“ in verschiedenen Arrangements durch, die Bilder, Materialien und angedeutete Geschichten miteinander verbinden. Es kann etwas disparat wirken, zumindest ist es assoziativ, wenn mit patterns einmal ganz konkrete Ritzungen und Raster gemeint sind, ein anderes Mal eher Vorstellungen und Wörter, die wie in der Kalulu-Montage Macht- und Beziehungsgefüge strukturieren. Wichtig ist nur, dass all diese Muster in ihre Trägermaterialien eingebrannt sind und sich auch von Körpern nicht einfach ablösen lassen. Schließlich deformieren Wörter und Imaginationen Körper nicht bloß; in einem kulturellen Sinn formen sie sie überhaupt erst. Gemessen daran mag man jenen pseudowissenschaftlichen Zuschreibungen, die im Maß der Finger sexuelle Orientierungen und mögliche Krankheitsdispositionen zu erkennen glauben, keine große Tragweite zugestehen. An einer Wand der Galerie hängt eine Fotoserie, in der Buth Hände groß ins Bild gesetzt hat und diese mittels ins Glas der Rahmen eingravierter Raster gleichsam zur Vermessung freigibt. Aber die Distanznahme zu solcher Wissenschaft fällt ein wenig zu leicht. Wohingegen das Video „you love me?“ bei aller Ironie eine Begehrenslogik reproduziert, die einen dann doch angeht. In unendlicher Reihung fortsetzbar wären jene Dialogfragmente, die Buth für das Video aus Spielfilmen gesampelt hat: „I have to see you“, „do you love me?“, „I want to see you all the time“, „it’s over“. Dieses Voice-over liegt über einem Bilderteppich aus Feuerwerken, Schiffskabinen und Fahrstühlen, durchschnitten von trashigem Science-Fiction-Footage vergangener Tage. Ähnlich wie im Fall des Musée Royale und des dort eingelagerten Archivalienbergs handelt es sich um Fantasien des Transits in andere Zeiten und Räume, in denen man gleichwohl nie ankommt.

Durchmustert, geprägt, beschrieben sind bei Buth die Körper, und zwar in historischer, sexueller und physiologischer Hinsicht. Auch Begehren verläuft in solchen Registern und Repräsentationen, die uns vorausgehen und unsere Beziehungen bedingen – niemals, ohne Machtfragen zu stellen. Das muss jede Ausstellung über das Andere bedenken, selbst wenn sie hinter Schlossmauern stattfinden sollte.

„Patterned Bodies“, Galerie Klemm’s, Berlin, 4. April bis 10. Mai 2008; Peggy Buth, „Desire in Representation“, Part I: „Travelling through the Musée Royale“, Part II: „O, my Kalulu“, hg. v. Jan van Eyck Academie, Maastricht, NL, 2008.