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TEIL DES WIDERSTANDS WERDEN? Alicja Schindler über Lauren Elkins „Art Monsters: Unruly Bodies in Feminist Art“

Kara Walker, „A Subtlety, or the Marvelous Sugar Baby“, 2014

Kara Walker, „A Subtlety, or the Marvelous Sugar Baby“, 2014

Im Genre der Autotheorie macht eine wachsende Anzahl vornehmlich feministischer Autor*innen persönliche Lebens- und Schreiberfahrungen unter Verwendung literarischer Methoden und theoretischen Materials erkenntnistheoretisch fruchtbar. Eine solche Verschränkung nimmt auch Lauren Elkin in ihrem aktuellen Buch vor, das eine Reihe künstlerischer, literarischer und theoretischer Positionen von Frauen zusammenbringt, die widerständige Körperbilder hervorgebracht und geprägt haben. Während die Autorin anhand einschlägiger Beispiele die zentrale Frage umkreist, inwieweit eine ästhetische Praxis jenseits dominanter Kategorien und Subjektivierungsweisen entwickelt werden kann, gelingt es Elkin in den Augen unserer Rezensentin Alicja Schindler nur bedingt, ihren Begriff des „Kunstmonsters“ unter Einbindung persönlicher Erfahrungen zu schärfen und neue Perspektiven zu eröffnen.

In ihrem jüngsten, 2023 erschienenen Buch versammelt Lauren Elkin eine Auswahl an Künstlerinnen, Literatinnen und Theoretikerinnen – darunter Kathy Acker, Lynda Benglis, Hélène Cixous, Eva Hesse, Rebecca Horn, Luce Irigaray, Clarice Lispector, Carolee Schneemann, Kara Walker, Hannah Wilke und Virginia Woolf – unter dem titelgebenden Begriff des Kunstmonsters. Art Monsters: Unruly Bodies in Feminist Art geht der Frage nach, wie es diesen Frauen gelingt, mittels künstlerischer Repräsentationen des weiblichen Körpers eine autonome Sprache zu entwickeln, die den männlichen Blick weder bedient noch dezidiert zurückweist – eine Ästhetik außerhalb der patriarchalen Logik, sozusagen. Elkin hat sich entschieden, die von ihr vorgestellten Werke nicht über biografische Umwege zu beschreiben, sondern fokussiert sich stattdessen auf die Materialität der repräsentierten Körper.

Zu Beginn des ersten Kapitels erklärt die Autorin, dass sie erstmals in Jenny Offills Roman Dept of Speculation (2014) auf den Begriff „Kunstmonster“ aufmerksam wurde. Offill schreibt an einer vielfach zitierten Stelle: „Mein Plan war es, niemals zu heiraten, sondern stattdessen ein Kunstmonster zu sein.“ [1] – eine Frau also, die sich den konservativen Erwartungen, Kinder zu gebären und zu versorgen, widersetzt, um stattdessen ihr ganzes Sein der Kunst zu widmen. Offills Definition des Kunstmonsters spinnt Elkin anhand einer Frage weiter, die Rachel Cusk in ihrem Essay [2] über die Malerinnen Celia Paul und Cecily Brown stellte, in dem sie unter anderem auf das immer noch weit verbreitete Klischee eines männlichen Künstlers als rücksichtslosen, rauchenden und trinkenden Egoisten eingeht. Cusks Frage, ob es eine weibliche Entsprechung dieser Figur gibt, nimmt Elkin zum Anlass, die These ihres eigenen Buchs aufzustellen: Ihr Kunstmonster ist gerade nicht das Äquivalent zum männlichen Künstler, ist keine Reaktion und kein Konterpart. Während Cusk bedauert, dass von einer weiblichen Künstlerin oft leider immer noch eine Erklärung dafür erwartet werde, ob oder wie sie die Weiblichkeit ihres Körpers begraben hat, geht es Elkin genau um diesen Körper. Sie betont, dass sich ein Großteil des Diskurses über das Kunstmonster bislang auf das Leben von Künstlerinnen konzentrierte – darauf, wie sie den Spagat zwischen Frausein, Mutterschaft und Kunstschaffen meistern –, anstatt das Augenmerk auf ihre Arbeiten zu legen. Letzteres nimmt Elkin sich mit Art Monsters vor.

Der Fokus aufs Werk ist der Autorin wohl deshalb so wichtig, weil Rückbezüge auf die Biografie gern dazu verleiten, Stereotype zu wiederholen, anstatt die Künstlerinnen einen Ort jenseits gewohnter Kategorien besetzen zu lassen. Ein Monster steht per definitionem außerhalb gesellschaftlicher Normen, ist weder Mensch noch Tier. Elkins Ansatz, die Materialität des Körperlichen in der Kunst dem Biografischen vorzuziehen, erinnert an Gilles Deleuzes Monografie Francis Bacon: Logik der Sensation (1981): Dort gelingt es dem Philosophen, statt eine Theorie über die Werke des Malers zu schreiben, in einem Denken mit ihnen neue philosophische Begriffe zu entwickeln, die aus der Malerei selbst hervorgehen. [3] Solch einer nichthierarchischen Schreibweise bedient sich auch die Autotheorie. Um Art Monsters gänzlich diesem Genre zuzuordnen, erscheint mir der Anteil des Autobiografischen jedoch zu gering. Auch das, was die Autotheorie, beispielsweise einer Maggie Nelson, sonst ausmacht, fehlt hier: eigene Erfahrungen und Affekte in einem polyphonen Schreiben mit anderen Autor*innen epistemologisch wirksam werden zu lassen. Denn statt zu neuen Begriffen findet Elkin immer wieder zu ihrer anfänglich und auch im Verlauf des Buches offengehaltenen Konzeption des Kunstmonsters zurück, jedoch ohne diese anhand der Beispiele zu konkretisieren. So beschreibt sie an einer Stelle sehr einprägsam ein Gemälde von Vanessa Bell, der Schwester von Virginia Woolf, nur um den Abschnitt mit der Feststellung zu beenden, dass es ihr (und allen anderen Kunstmonstern) um das Arbeiten zwischen Figuration und Abstraktion gehe. [4] Statt den Beschreibungen der Werke durch Verbindungen zur eigenen Erfahrungswelt neue Erkenntnisse abzugewinnen, folgen aus ihrem zwischen Kritik, Theorie und (selten) Autobiografie changierenden Schreiben verallgemeinernde Objektivierungen. Obwohl Elkin es sich vornimmt, vermag sie es in meinen Augen nicht, die Materialität der Arbeiten selbst sprechen zu lassen.

Elkins Buch ist umfassend und bestünde der Anspruch der Autorin nicht gerade darin, etwas Neues, das Autonome der Ästhetik dieser Werke herauszuarbeiten, dann würde sich Art Monsters als Einführung in die feministische Kunst eignen: Da ist zum Beispiel Maria Lassnig, die in ihren Gemälden spürbar machen wollte, wie es ist, einen Körper zu haben, und deshalb meist ihre Haare aussparte, denn diese fühlt man beim Anfassen nicht, im Gegensatz zu anderen Körperteilen. Dann ist da Carolee Schneemann, die 1975 in einer Galerie in New York, nackt auf einem Tisch stehend, eine Papierrolle aus ihrer Vagina zog und eine darauf geschriebene Kritik eines ihrer Werke vorlas. Außerdem Helen Chadwick, die Fotografien ihres nackten Körpers anfertigte, um darzustellen, wie es sich anfühlt, sowohl Subjekt als auch Objekt, Künstlerin und Modell zu sein. Und da ist eben Vanessa Bell, die mit ihrer Malerei die Präsenz des Körpers auf eine essenzielle Form zu reduzieren wusste.

Es steht also außer Frage, dass Elkin gute Beispiele für künstlerische Praktiken bringt, die das Potenzial des Körpers nutzen, um feministische Autonomie geltend zu machen. Allerdings gehen ihre Beschreibungen dabei zu wenig in die Tiefe, sind nicht pointiert genug, um das Monströse, das aus ihrer Sicht all diese Arbeiten auszeichnet und ihre Künstlerinnen unter dem Begriff des Kunstmonsters verbindet, als autonome Ästhetik zu formulieren. Zu stark forciert die Autorin das friedvolle Zusammenführen dieser künstlerischen Positionen unter dem Begriff des Kunstmonsters. Sobald sie einen Schritt ins Unbekannte wagt – weshalb spart Vanessa Bell das Gesicht ihrer Schwester in dem Porträt Virginia Woolf in a Deckchair von 1912 aus? [5] –, rudert sie zurück. Am Ende der Passage zu Bell schreibt Elkin zum Beispiel, dass deren Werk sie zu der Erkenntnis geführt habe, dass jede Künstlerin ein Kunstmonster sein könne, wenn ihre Arbeiten nur überraschend genug seien [6] – anstatt ihren Begriff des Kunstmonsters anhand einer konkreten Frage weiterzuentwickeln, ihn als Absprunghilfe in unbekannte Gefilde zu nutzen und das Denken porös werden zu lassen. Diese Vorsicht hält Elkin davon ab, ihr Schreiben in den Schwellenbereich des Monströsen zu führen, der eben nicht durch den Allgemeinplatz und die Regel bestimmt ist, sondern durch Unsicherheit, Nonkonformität und die Möglichkeit des Scheiterns. Statt als deleuzianische Fluchtlinie fungiert der Begriff des Kunstmonsters bei Elkin eher als Auffangbecken und bleibt damit schwammig.

Das Buch ist in drei Kapitel mit Unterkapiteln gegliedert, doch geben diese kein Hauptargument vor, dem unterstützende Kapitel folgen, denen man entnehmen könnte, was die autonome Ästhetik des Kunstmonsters ausmacht. Eine rein theoretische Abhandlung möchte Art Monsters der Autorin zufolge aber auch nicht sein. In einem Interview mit Isabelle Bucklow in AnOther beschreibt Elkin ihr Buch stattdessen sowohl als „Experiment in kritischer Form als auch eine feministische Intervention“. [7] Formal besteht Art Monsters aus kurzen und längeren Absätzen, die durch Schrägstriche voneinander getrennt sind. Die fragmentarische Schreibweise scheint Elkin dazu bewegt zu haben, im Nachhinein einzelne Passagen hinzuzufügen. Stilistische Variationen und inhaltliche Einschübe vergegenwärtigen den langen Entstehungsprozess (sie schrieb mehr als sechs Jahre an diesem Buch) und zeigen im Ansatz – wenn auch nicht ausführlich genug –, dass die Praxis des Schreibens eben nicht losgelöst ist von der körperlichen Situiertheit in der Welt, sondern verwoben mit einem individuellen Leben, das nicht nur durch finanzielle, kulturelle, politische und soziale Rahmenbedingungen strukturiert wird: Elkin schrieb Art Monsters in Zeiten der Pandemie, wurde während des Schreibens schwanger und Mutter.

Hermann Landshoff, Eva Hesse in ihrem Atelier in der Bowery Street, New York, 1969

Hermann Landshoff, Eva Hesse in ihrem Atelier in der Bowery Street, New York, 1969

In diesen Reflexionen über die Bedingungen des Schreibprozesses liegt die Stärke des Buchs, jedoch reizt Elkin die Potenziale dieser Kontextualisierung in meinen Augen nicht aus. Immer wieder bezieht sich die Autorin auf Eva Hesse, erklärt unter anderem, dass sie sich beim Schreiben des Buches manchmal gefühlt habe, wie Hesse es vermeintlich tat, als Hermann Landshoff sie im Jahr 1968 porträtierte. Das Foto zeigt die Künstlerin auf einem Sofa liegend, den Körper von einer ihrer Seilskulpturen bedeckt, erdrückt von der Last der Arbeit. Bei diesem etwas flachen Vergleich bleibt es aber auch. An einer anderen Stelle beschreibt Elkin, wie sie in der Tate Liverpool eine Arbeit von Rebecca Horn – Mit beiden Händen gleichzeitig die Wände erühren (1974/75) – sah, zu einer Zeit, in der sie selbst schwanger war. Auf dem Bild steht Horn in einem hellen, komplett leeren Raum in einer typischen Berliner Altbauwohnung. Sie streckt die Arme aus, an jedem ihrer Handgelenke ist eine krallenähnliche Konstruktion befestigt, mithilfe derer sie beide Wände gleichzeitig berührt. Obwohl die Künstlerin in sich versunken scheint, nimmt sie mit den Krallen den gesamten Raum ein. Elkin schreibt, angesichts dieser Arbeit habe sie realisiert, dass ihr schwangerer Körper nun, ähnlich wie der von Horn in der Fotografie, mehr Platz im Raum einnehme. Horn habe sie in diesem Moment als Kunstmonster erkannt und die Krallen als monströse Anhängsel, die der Künstlerin dazu dienten, sich selbst größer und sozusagen zum Monster zu machen. Statt die fruchtbare Analogie zwischen schwangerem Körper und dieser künstlich herbeigeführten Form des Raumeinnehmens fortzuführen, endet auch dieser Absatz mit verallgemeinernden Sätzen, wie: „Go big to claim space.“ [8]

Am interessantesten ist Art Monsters an den Stellen, an denen Elkins Beschreibungen anstelle von Bewunderung ihre eigene Unsicherheit zum Ausdruck bringen. Im dritten Kapitel bekennt die Autorin beispielsweise, dass sie jahrelang keinen Zugang zu Kathy Acker gefunden habe, deren Stimme als eine der radikalsten des feministischen Schreibens gilt. Indem Elkin ihre eigenen, zunächst missglückten Annäherungsversuche an Ackers Werk beschreibt, konkret auch besonders interessant am Beispiel von Ackers und Alan Sondheims Schwarz-Weiß-Film Blue Tape (1972), kommt sie der Körperlichkeit von Ackers Schaffen viel näher als der vieler anderer Künstlerinnen, die sie hier bespricht, weil sie nach eigener Aussage schon lange eine Art „Freundschaft“ zu ihnen hegte.

Art Monsters ist Elkins drittes Buch. In Flâneuse (2016) versuchte sie sich erstmals von dem Einfluss der akademischen Literaturwissenschaft, in der sie zuvor promoviert wurde, freizuschreiben. 2021 erschien ihr zweites Buch mit dem Titel No. 91/92 – eine Sammlung von Notizen in fast unbearbeiteter Fassung. Art Monsters hat die Autorin dezidiert zwischen der wissenschaftlichen und der freien literarischen Form angesiedelt. Was bei der Lektüre vorherrscht, ist jedoch der Eindruck des Weder-Noch. Das Buch ist weder Theorie, noch überzeugt es als Autofiktion. Und ich denke, in Letzterem liegt das Problem. Statt durch den Begriff des Kunstmonsters eine Nähe zu den von ihr dargestellten Künstlerinnen zu schaffen, etabliert sie mit ihm eine gewisse Distanz zu ihnen. Dabei handelt es sich jedoch um keine den Blick schärfende Distanz, die zu mehr Präzision von Beschreibungen und Begriffen führen könnte, sondern um eine, die diese gröber und allgemeiner macht. Hätte Elkin stattdessen sich selbst, ihrem sich durch die Schwanger- und Mutterschaft verändernden Körper, den eigenen Unsicherheiten, den Bedingungen ihres Schreibens, kurz dem Autofiktiven, mehr Raum zugestanden, dann hätte die Autorin vielleicht Teil des von ihr hier versammelten Kollektivs und selbst zum Kunstmonster werden können.

Lauren Elkin, Art Monsters: Unruly Bodies in Feminist Art, London: Chatto & Windus, 2023, 368 Seiten.

Alicja Schindler ist Kunsthistorikerin und Medien- und Kulturwissenschaftlerin. Zudem ist sie als freie Autorin und Redakteurin tätig.

Image credit: 1. © 2014 Kara Walker, courtesy of Sikkema Jenkins & Co. and Sprüth Magers, photo Jason Wyche; 2. © Penguin Random House; 3. bpk / Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie / Archiv Landshoff

ANMERKUNGEN

[1]Jenny Offill, Dept. of Speculation, London: Granta, 2014, S. 8 [übers. von A. S.].
[2]Rachel Cusk, „Can a Woman Who Is an Artist Ever Just Be an Artist?“, in: New York Times, 7. November 2019, .
[3]Vgl. Gilles Deleuze, Francis Bacon. Logik der Sensation, Paderborn: Wilhelm Fink, 2016.
[4]Lauren Elkin, Art Monsters. Unruly Bodies in Feminist Art, London: Chatto & Windus, 2023, S. 273.
[5]Elkin 2023, S. 266.
[6]Ebd., S. 269.
[7]Isabelle Bucklow, „Delving Into the History of ,Unruly Bodies in Feminist Art‘“, 20. Juli 2023, [übers. von A. S.].
[8]Elkin 2023, S. 27.