Avery Singer
Robespierre (2022)
Die US-amerikanische Künstlerin Avery Singer erweitert die Möglichkeiten der Malerei unter Einsatz digitaler und industrieller Bildgebungsverfahren. Während sie die Grenzen des Mediums dezidiert mit den Mitteln der Gegenwart auslotet, stecken ihre Bilder voll kunsthistorischer Bezüge. Ihre zunächst vorwiegend in Grisaille gehaltenen Gemälde sind von Konstruktivismus und Futurismus geprägt, verbinden das entsprechende Vokabular jedoch in ganz neuer Darstellungsweise. In großformatigen Bildwelten entwirft Singer Szenerien und Charaktere, die in engem Bezug zur Wirklichkeit stehen und diese mit Scharfsinn und Ironie herausfordern und hinterfragen. Die Figur des französischen Revolutionärs Maximilien de Robespierre hat seit Jahren wiederholt Eingang in das Werk der jungen Malerin gefunden; während Donald J. Trumps Präsidentschaft wurde sie zu einer Art virtuellen Voodoo-Puppe, auf die sie ihre Wut projizierte. In dieser Zeit hat die Künstlerin der Figur viel Gewalt zugefügt: klaffende Schusswunden, Blutungen, Narben. Für ihre jüngste TEXTE ZUR KUNST-Edition hat sich Singer erneut Robespierre zugewandt, seine Visage auf humorvolle Weise digital verzerrt und in einen goldgelben Rahmen gefasst. Die vektorbasierte Modellierung im Stil einfacher Clipart führt den vermeintlichen Akt der Aufwertung ad absurdum. So spielt Singer auf eine andere Figur der toxischen Männlichkeit an und persifliert sie: Larry Gagosian behauptete einst, dass er als junger Kunsthändler Drucke rahmen ließ, um sie zu höheren Preisen verkaufen zu können. Singers Verwendung des kitschigen digitalen Rahmens nimmt somit auch die oft geschmacklosen und korrupten Wertschöpfungsprozesse des Kunstmarkts aufs Korn.