KASPER KÖNIG (1943–2024) Von Annette Kelm
Seinen Charakter und seinen Humor konnte man immer auch an Kaspers Kleidung ablesen. Ich hatte das Gefühl, dass seine Selbstinszenierung ihn selbst aufheiterte. Sein Auftreten könnte man als verschmitzten Versuch lesen, der Subjektposition des alten weißen Mannes durch Theatralität zu entkommen. Meistens trug Kasper bunte Cordhosen mit Hosenträgern. Immer war er im Hemd, einen rosa-blauen Schal um den Hals. Oft trug er einen Hut. Die beiden Aufnahmen von ihm machte ich für eine Modeausgabe des Magazins der Süddeutschen Zeitung, weil Kasper mich dafür angefragt hatte. Von den Kleidungsstücken, die für das Shooting zur Auswahl standen, passte aufgrund seiner Körpergröße nur der mit Mustern verzierte Mantel von Kenzo halbwegs. Gemeinsam suchten wir in seiner Wohnung Accessoires für das Bild aus: sein „Facebook“, so nannte er sein dickes Notizbuch, in dem er alle Kontakte und Adressen notierte; außerdem die Eule, die für ihn und Heidi Specker ein wichtiges Symbol ihrer Freundschaft und Liebe war. Auf die blau-roten Socken war er sehr stolz und wollte sie unbedingt auf dem Bild haben. Er hatte sie kurz zuvor am Stand des jungen Leipziger Verlags Edizione Multicolore gekauft. Überhaupt war es ihm immer wichtig, junge Künstler*innen zu unterstützen.
Weil ich noch einen weiteren Bruch in das Bild einbauen wollte, brachte ich das T-Shirt mit der Aufschrift „European Kunsthalle“ ins Spiel, eines der vielen Projekte, die er mit ins Leben gerufen hatte. Und als Ergänzung noch ein von mir in Kreuzberg erworbenes, gebatiktes T-Shirt, für seine Körpergröße allerdings zu klein, weshalb ich es aufschneiden musste. Bisher hatte man Kasper immer nur in Hemden gesehen. Stil und Haltung waren ihm sehr wichtig.
Ich nannte ihn wie viele beim Vornamen, aber ihn zu duzen wäre mir und den meisten, die ihn kannten, nicht in den Sinn gekommen. Dass Kasper nicht sein Geburtsname war, habe ich erst später erfahren. Aber es passte gut zu ihm, dass er sich einen „Künstlernamen“ gegeben hatte; denn sein Denken empfand ich als künstlerisch. Und in seiner Haltung war Kasper König klar solidarisch mit uns Künstler*innen. Gerade die zufälligen, kurzen Gespräche und Begegnungen auf Ausstellungseröffnungen – ich lernte ihn 2007 bei der Lyon Biennale kennen, kurz nachdem ich in die Galerie seines Sohnes Johann gewechselt war – erinnerten einen immer wieder daran, worum es in der Kunst gehen sollte: nicht nur um Geld, sondern um eine andere Sichtweise auf die Welt; darum, Gedankenräume zu öffnen; und um die Neugier und den Spaß daran, Neues oder vermeintlich Bekanntes neu und anders zu sehen. Seine Offenheit, sein unabhängiger und kritischer Geist werden uns schmerzlich fehlen.
Annette Kelm ist Künstlerin und lebt in Berlin.
Image credit: © Annette Kelm, courtesy Esther Schipper Berlin/Paris Seoul and Andrew Kreps Gallery New York