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SCHLUSSWORT ZUM POSTSKRIPTUM ZUR ANTI-ANTISEMITISMUS-AUSGABE VON „TEXTE ZUR KUNST“

Dass das „Anti-Antisemitismus“-Heft eine Kontroverse auslösen würde, war uns bewusst. Dennoch hat uns das Ausmaß des Sturms der Entrüstung, der nach Erscheinen der Ausgabe über uns hereinbrach, überrascht und teilweise erschüttert.

Angesichts der aufgeladenen Stimmung der vergangenen Wochen bedauern wir, dass sich einzelne Autor*innen der Ausgabe durch die Angriffe auf das Heft als Ganzes persönlich diffamiert fühlen. Zugleich sind wir den Autor*innen der Statements des „Postskriptums“ umso dankbarer für ihre sachlich argumentierende Kritik. Wir wissen es sehr zu schätzen, dass sie unserer Einladung zur Auseinandersetzung mit dem Heft gefolgt sind. Wie Micha Brumlik in seinem Beitrag sind auch wir der Auffassung, dass Antisemitismuskritik und postkoloniale Kritik nicht gegeneinander ausgespielt oder in Konkurrenz zueinander treten sollten; und an den derzeit viel zitierten Debattenbeiträgen Michael Rothbergs schätzen wir ebenfalls, dass sie den historischen Vergleich nutzen – zuletzt zwischen dem Historikerstreit und der Causa Mbeme –, um Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen beiden herauszuarbeiten. [1] Allerdings findet sich bei Rothberg zuweilen ein durchaus vergleichbares Moment des Gegeneinander-Ausspielens, wenn er etwa argumentiert, dass es jeder Mbembe-Kritik in Deutschland darum gegangen sei, die Verantwortung für Deutschlands koloniale Verbrechen zu leugnen bzw. aktiv zu verdrängen.

Einen Weg, der aus der Frontstellung zwischen postkolonialen Theorien und Antisemitismusforschung herausführt, zeigt Marc Rölli in seinem Statement auf, in dem er den Begriff des „Anderen“ genauer in den Blick nimmt. Der Philosoph diagnostiziert eine Spannung zwischen europäischen Kritiktraditionen und kolonialismuskritischen Theorien, die er an ihren jeweiligen Konzeptionen des Anderen festmacht. Speziell sein Versuch, ein identitär gedachtes Anderes zugunsten eines pluralistischen Verständnisses von Gesellschaft aufzugeben, scheint uns angesichts der polarisierten Situation zwischen dekolonialer und anti-antisemitischer Kritik besonders wegweisend.

Dass es Christoph Menke zufolge in der Ausgabe unklar bleibt, wogegen sich das „Anti“ des Hefttitels „Anti-Antisemitismus“ überhaupt richtet, erachten wir als instruktive Kritik. Besonders seinen Vorschlag, die Strukturen des Antisemitismus zu analysieren, statt ihn bei Akteur*innen aufzuspüren, empfanden wir als produktiv, wobei unserer Meinung nach auch eine Formation wie BDS als eine solche Struktur untersucht werden kann und sollte. Mit ihrer Typologie des Boykotts und ihren Überlegungen zu Boykott und Zensur setzt sich Elke Krasny kritisch mit dem Boykott als einer Protestform auseinander. Insbesondere der von ihr vorgeschlagenen Wendung hin zu Formen der Auseinandersetzung, die die Gewaltlogik des Boykotts hinter sich lassen, würden wir uns gern anschließen; denn auch wir möchten noch mit den schärfsten Kritiker*innen der Ausgabe im Gespräch bleiben, da sie zur Wahrnehmung jener Probleme, Widersprüche und blinden Flecken beitragen, die (nicht nur) das aktuelle Heft aufweist.

For the record sei an dieser Stelle angemerkt, dass sowohl zur „Anti-Antisemitismus“-Ausgabe als auch zu den Statements des „Postskriptums“ zahlreiche Stimmen eingeladen waren, die mit den Prämissen des Heftes nicht einverstanden waren – darunter auch einzelne, die im Nachhinein behaupteten, es seien keine kritischen Stimmen zugelassen worden. Leider haben diese und weitere Autor*innen, deren Kritik wir auch gern im Rahmen dieses Formats publiziert hätten, abgesagt. Wir respektieren dies selbstredend, hätten uns dennoch über eine entpersonalisierte politische Kontroverse gefreut.

Die Absage jener, die mit Verweis auf strukturelle Ausschlüsse ihre Mitarbeit verweigerten, nehmen wir als Ansporn, die Zeitschrift künftig noch stärker für heterogene und kontroverse Positionen zu öffnen. Wir sehen es darüber hinaus als unsere Aufgabe, politische, theoretische und kunstkritische Ansätze im Bereich der Traumaforschung und Erinnerungskultur sowie der Postcolonial Studies, wie sie wie sie in vergangenen Ausgaben und in der aktuellen Berücksichtigung finden, auch in Zukunft in dieser Zeitschrift aufzugreifen, zu vertiefen und weiterzuentwickeln.

Die Redaktion und Gastredaktion

Anmerkung

[1]Vgl. Michael Rothberg: „Vergleiche vergleichen: Vom Historikerstreit zur Causa Mbembe“, 23.09.2020, https://geschichtedergegenwart.ch/vergleiche-vergleichen-vom-historikerstreit-zur-causa-mbembe/.