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KASPER KÖNIG (1943–2024) Von Yilmaz Dziewior

Kasper König, 2012

Kasper König, 2012

Kasper König war ein Mensch von enormer Präsenz; groß gewachsen und mit lauter dunkler Stimme. Man erkannte ihn sofort, wenn er den Raum betrat. Und er war einfach überall, wo es interessante Kunst zu sehen gab. Seine Neugier auf die Kunst ist bis zu seinem Lebensende nicht erloschen. Er war immer unterwegs, um Galerien, Museen und Künstler*innen zu besuchen, und zwar nicht nur die ganz großen Namen. Er kommunizierte meinungsstark, was er gesehen hatte, und gab immer wieder dringende Empfehlungen für das, was man sich unbedingt anschauen sollte, sagte aber auch, wenn er etwas nicht gut fand. Das tat er in der Regel mit seinen berühmten, selbst collagierten Postkarten.

König war aber nicht nur Beobachter, sondern vor allem Macher. Schon früh dachte er darüber nach, wie er sich für Künstler*innen nützlich machen könnte. Einer seiner ersten Jobs war die Assistenz von Claes Oldenburg. Er organisierte mit 23 Jahren dessen erste europäische Ausstellung 1966 in Stockholm; 2012 widmete er ihm eine große Ausstellung im Museum Ludwig. Ebenfalls kuratierte er zwei Jahre später, 1968, für das Moderna Museet in Stockholm die erste große Ausstellung von Andy Warhol in Europa.

Das Museum Ludwig verdankt Kasper König bis heute sehr viel. Im Jahr 2000 ist er angetreten, das Museum wieder auf Weltniveau zu heben. Er hat seinem Vertrag mit der Stadt Köln eine Präambel vorangestellt, in der er sein Vorhaben formulierte ebenso wie die Absicht, die Schätze der Sammlung des Museums zu bergen, zu pflegen und in die Gegenwart zu führen.

Als das Wallraf-Richartz-Museum in Königs erstem Dienstjahr aus dem von Peter Busmann und Godfrid Haberer entworfenen Gebäude auszog und das Museum Ludwig alleiniger Nutzer wurde, machte König die ursprüngliche Architektur durch behutsame Renovierung wieder lesbar. Strukturell professionalisierte er das Haus, indem er eine eigene Pressestelle, Fundraising und Volontariatsstellen einrichtete. Seine erste Ausstellung von Matthew Barneys Cremaster Cycle (2002) endete zwar in einem finanziellen Desaster, hob die Institution aber wieder in eine Liga mit der Tate in London, dem Centre Pompidou in Paris und dem MoMA in New York.

König war ein willensstarker und durchsetzungsfähiger Mann. Er verstand es, seine Wünsche für das Museum auch zu denen anderer zu machen. Das hat er mit seiner ersten Präsentation 2001 auf schöne Weise deutlich gemacht, dem „Museum unserer Wünsche“, das Vorschläge für Sammlungsneuzugänge unterbreitete. Das Konzept ist aufgegangen, am Ende sind die meisten Wünsche von Stifter*innen und Mäzen*innen erfüllt worden.

Auch größere Sammlungen von Privatleuten holte König ins Haus, beispielsweise die Editionen von Sigmar Polke von Anna Friebe-Reininghaus und Ulrich Reininghaus. Hierfür gründete er die Kunststiftung, über die das Museum bis heute immer wieder größere Konvolute als Schenkungen erhält. Er schlug aber auch ihm angetragene Geschenke aus, wenn sie seiner Ansicht nach nicht in die Sammlung passten oder von den Schenkenden an zu viele Bedingungen geknüpft wurden.

Vor knapp einem Jahr stiftete König selbst dem Museum Ludwig eine Werkauswahl aus seiner privaten Sammlung. Dabei hat er sich nie als klassischer Sammler verstanden: Spontankäufe, Souvenirs, Jahresgaben und Geschenke sind über Jahrzehnte zu einer sehr persönlichen Kollektion gewachsen.

In enger Absprache mit ihm hatten wir gemeinsam für seine Schenkung rund 50 Werke ausgewählt. Darunter bedeutende Positionen oft konzeptueller Kunst, die in erhellendem Zusammenhang mit der Museumssammlung stehen oder diese besonders gut ergänzen. Eine meiner Lieblingsarbeiten aus dieser Schenkung ist ein Warhol-Blumenbild von Elaine Sturtevant, für das die Künstlerin nicht nur das Sieb für den Druck vom Künstler bekommen hatte, sondern – so erzählte es König – gleich direkt das fertige Leinwandbild.

Mein persönliches Verhältnis zu König war geprägt von großer Bewunderung seiner unermüdlichen Neugier, Energie und der Fähigkeit, immer am Puls der Zeit zu sein. Als er mich 2008 fragte, ob ich mir vorstellen könnte, für ihn als stellvertretender Direktor am Museum Ludwig zu arbeiten und ob ich nicht Lust hätte, mich zu bewerben, musste ich nicht lange überlegen. Ich erinnere mich noch heute an das kurzweilige und gut gelaunte Vorstellungsgespräch. Dass er sich schließlich für Katia Baudin, die „Amerikanerin aus Paris“ (König), entschied, konnte ich gut verstehen. Sie übernahm auch die Interimsleitung nach der kurzen Amtszeit von Philipp Kaiser. Trotzdem hielten König und ich auch in der Folge Kontakt, und ich rechne es ihm bis heute hoch an, dass er mir in den Vertragsverhandlungen mit der Stadt Köln seinen eigenen Vertrag zukommen ließ, damit ich wusste, worauf ich achten sollte. Dies zeigt, wie selbstlos er in der Sache sein konnte und wie sehr ihm das Museum Ludwig am Herzen lag.

Vor allem aber hat Kasper König eine kaum zu überschätzende Grundlagenarbeit für das Museum geleistet, auf der letztlich auch unsere heutigen Aktivitäten aufbauen. Sein Leitspruch „Das Museum gehört allen und keinem“ hat nach wie vor Gültigkeit: Auch ich sehe das Museum als einen demokratischen Ort. Nicht nur deshalb werde ich ihn persönlich vermissen.

Yilmaz Dziewior ist seit 2015 Direktor des Museums Ludwig in Köln und Teil der neuen Findungskommission der „documenta 16“, die 2027 stattfinden wird.

Image credit: © Albrecht Fuchs