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MICHAEL ASHER, MELANIA TRUMP, MATTHEW BARNEY UND ALEX KATZ Seen & Read – von Isabelle Graw

Nach einer kurzen Pause ist Isabelle Graws Kolumne mit einer Sonderausgabe aus New York zurück. Von den zahlreichen Ausstellungen, die unsere Herausgeberin dort in den vergangenen Wochen gesehen hat, hebt sie hier zwei hervor: Michael Asher im Artists Space und Matthew Barney / Alex Katz bei O’Flaherty’s. Die Gründe für ihre Auswahl legt sie im Folgenden dar. Neben den beiden Ausstellungsprojekten bespricht Graw die Memoiren von Melania Trump, die sie in ihrer Mischung aus Selbstgerechtigkeit und kategorischer Realitätsabwehr als symptomatisch für die Gesinnung des rechten Spektrums unserer Zeit erachtet.

„Michael Asher“

“Michael Asher,” Artists Space, New York, 2024

“Michael Asher,” Artists Space, New York, 2024

Diese Ausstellung kam mir sehr gelegen. Denn während sämtliche New Yorker Galerien – ob in Chelsea, Tribeca, der Lower East- Side oder Uptown – derzeit Malerei zeigen, die die Lektionen des Conceptual Turn der 1960er und 1970er Jahre weitgehend ignoriert, wird Besucher*innen des Artists Space das erkenntnistheoretische Potenzial von Michael Ashers situativer Ästhetik vor Augen geführt. Mithilfe einer reduziert und trocken wirkenden Installation, in der breite Sperrholzsockel mit ausgelegten Publikationen und schlichte Vitrinen dominieren, wird vor allem Ashers weniger bekannten Projekten Rechnung getragen. Besonders hervorheben möchte ich seine einzige private Auftragsarbeit (Grinstein Collection, 1979), die er für ein Sammler*innenehepaar aus Los Angeles produzierte. Aus heutiger Sicht lässt sie sich als Blaupause für die Infrastrukturkritik zeitgenössischer Künstler*innen wie Cameron Rowland lesen. Mithilfe eines aufwendigen Vertragswerks hatte Asher die Grinsteins damals dazu verdonnert, die Außenmauer ihres Grundstücks an einer öffentlich sichtbaren Stelle derart zu versetzen, dass ihr Eigentum ab- und das ihrer Nachbar*innen zunahm. Die Grinsteins mussten den geringfügigen und damit eher symbolischen Verlust ihres Eigentums in Kauf nehmen, um im Gegenzug von Asher mit einer skulpturalen Arbeit belohnt zu werden. Auf einer Wandtapete in der Ausstellung ist ein Foto der versetzten Mauer samt klassizistischer Säule und den Bäumen des Nachbargrundstücks zu sehen. Mit diesem Projekt rührte Asher nicht nur an sakrosankten Eigentumsgesetzen, sondern erzwang auch die Interaktion zwischen dem Sammler*innenehepaar und seinen Nachbar*innen. Letztere mussten der Versetzung der Mauer schließlich zustimmen. Eigentumskritik koppelt sich hier, wie auch häufig bei Rowland, mit einem autoritären Gestus, der den Auftraggeber*innen etwas zumutet. Geradezu prophetisch wirkt Ashers Arbeit Corps de Garde (1979), die den Networkimperativ der heutigen Zeit vorwegzunehmen scheint: Er hatte eine Anzeige in einer niederländischen Tageszeitung geschaltet, die den Leser*innen das Angebot machte, an einem Marktstand in Groningen T-Shirts mit der eigenen Telefonnummer bedrucken zu lassen. In der Ausstellung ist eines dieser inzwischen vergilbten T-Shirts zu sehen, dem die sechsstellige Telefonnummer seiner Träger*in vertikal in Futura Bold aufgedruckt wurde. Die Vorstellung, dass Mode Individualität ausdrücke, wird in diesem Projekt ebenso aufgegriffen wie konterkariert. Denn die Träger*in ist zwar durch ihre Telefonnummer markiert, zugleich wird jedoch darauf angespielt, dass wir auf eine Zahl reduziert werden, wenn wir in den Austausch mit anderen treten. Dies trifft natürlich erst recht auf die digitale Ökonomie zu, in der Followerzahlen Selbstwerte bestimmen. Auch eine 1989 im Kunstverein Hamburg gezeigte Arbeit Ashers, die aus acht Postkarten mit Bildern von LKWs besteht, ist überaus aktuell. In der New Yorker Ausstellung werden die Karten in Plexiglasrahmen in einer Art vertikalem Mobile präsentiert. Die abgebildeten Laster transportierten vor der Wiedervereinigung toxischen Abfall von West- nach Ostdeutschland. Die DDR erhielt Dividenden für die Übernahme der giftigen Stoffe. Asher zeigt mit dieser Arbeit, dass jede Transaktion Gewinner und Verlierer kennt. Das Motiv des Giftstoff transportierenden Lasters erinnert zudem an die Transaktionen des Kunstmarkts, denn auch hier werden Waren zu Ungunsten der Umwelt durch die Welt transportiert.

Zuletzt noch ein Wort zu Ashers großartiger Damebrettspielarbeit (Checkers, 1965/66), die sich der Ästhetik der Minimal Art bedient, um sie zugleich aufs Korn zu nehmen. Zwar weisen die seriellen, gleichförmig runden Spielsteine Eigenschaften von minimalistischen Objekten auf (auch sie sind seriell produziert und haben häufig geometrische Grundformen). Als Spielfiguren unterstreichen Ashers Objekte jedoch den strategischen Einsatz der Minimal Art, denn auch ihr ging es darum, einen Zug zu machen und die Konkurrenz (etwa den Abstrakten Expressionismus oder die Pop Art) zu bezwingen. Einmal mehr borgt sich Asher eine künstlerische Formensprache und zeigt zugleich deren Abgründe auf.

Artists Space, New York, 22. November 2024 bis 8. Februar 2025.

Melania Trump, Melania: A Memoir

Melania Trump tours the site of the Giza Pyramids, Cairo, 2018

Melania Trump tours the site of the Giza Pyramids, Cairo, 2018

Zeitgleich mit der Wiederwahl von Donald Trump sind in den USA die Memoiren seiner Frau Melania Trump erschienen. Auch wenn dieses Buch in literarischer Hinsicht wenig zu bieten hat, ist es doch als Mentalitätsbeschreibung von gut situierten Trump-Anhänger*innen durchaus aufschlussreich. In flacher Ghostwriter-Sprache wird Melania als eine Frau ohne Innenleben präsentiert, die nie Zweifel oder gar Selbstkritik an den Tag legt. Ihr Leben erscheint als eine reine Erfolgsgeschichte ohne Einbrüche. Schon als Model sei sie extrem zielstrebig und gut organisiert gewesen. Scheitern gäbe es für sie nicht. Zudem erweckt das Buch den Eindruck, dass es vor Donald in ihrem Leben keine anderen Männer gegeben habe, als wäre er der einzige gewesen. Dass sich der Erfolg ihrer Schmuck-und Kosmetiklinie vor allem dem Ruhm ihres Mannes verdankt, wird ebenfalls mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen zieht sich Medienschelte leitmotivisch durch diesen Text: Melania Trump stellt sich als Opfer von Falschdarstellungen dar, schimpft auf die „Lügenpresse“ und kommt gar nicht darauf, dass sie zu dem wenig schmeichelhaften Bild, das zahlreiche Medien von ihr gezeichnet haben, auch selbst beigetragen haben könnte. Stattdessen quält sie ihre Leser*innen seitenlang mit den minutiösen Beschreibungen der von ihr beaufsichtigten Renovierung des Weißen Hauses. Sobald Politisches zur Sprache kommt, etwa die „Black Lives Matter“-Proteste, zieht sie sich auf den Appell zurück, sich doch bitte auf Gemeinsamkeiten zu besinnen. Der Name George Floyd wird von ihr bezeichnenderweise mit keinem Wort erwähnt, so als habe der rassistische Mord an ihm nicht stattgefunden. Wie ihr Mann scheint auch Melanie Trump fest davon überzeugt, immer alles richtig zu machen. Sie kommt zudem ziemlich humorlos rüber, da sie nie über sich selbst lacht, sondern die Probleme nur bei anderen sieht. Diese Mischung aus Selbstgerechtigkeit und mangelnder Selbstkritik wirkt ebenso gefährlich wie ihre Weigerung, gesellschaftliche Probleme als solche zu benennen. Zwar lässt sie gelegentlich durchblicken, dass sie mit der brutalen Migrationspolitik ihres Mannes nicht einverstanden ist, aber auch hier geht sie nicht ins Detail und hält weiter an ihrem Mantra fest, dass man andere Meinungen tolerieren müsse. Vom Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump behauptet sie, dass es jeglicher Grundlage entbehre. Dieses Buch ist letztlich ein trauriger Beleg für die Macht der Verleugnung und ihrer Gefahr für die Demokratie.

New York: Skyhorse, 2024, 256 Seiten.

„Matthew Barney and Alex Katz: The Bitch“

“Matthew Barney and Alex Katz: The Bitch,” O’Flaherty’s, New York, 2024

“Matthew Barney and Alex Katz: The Bitch,” O’Flaherty’s, New York, 2024

Auf den ersten Blick scheint eine Kooperation zwischen den Künstlern Matthew Barney und Alex Katz nicht nahezuliegen. Zu unterschiedlich sind ihre Formensprachen und ihre ästhetischen Bezüge. Doch in dieser Ausstellung bei O’Flaherty’s – einer von der Künstlerin Jamian Juliano-Villani geleiteten experimentellen Galerie in der Lower East Side – erweist sich der Zusammenschluss von Barney und Katz als plausibel und produktiv. Betritt man den düster und abgerockt wirkenden Eingangsbereich, findet man sich an einer Theke wieder, die mit einer sie umgebenden Polsterung aus Kunststoff von Barney umkleidet wurde. Es wirkt so, als sollten die harten Kanten dieser Theke abgedämpft werden, so als würde alles Destruktive hier ästhetisch sublimiert. Hinter der Theke läuft hoch oben das Dreikanalvideo Drawing Restraint 28 (2024) von Barney, das den inzwischen 97-jährigen Katz bei der Arbeit zeigt. Es ist vor allem dessen erstaunlich athletische Kondition, die Barney visuell unterstreicht: Der Maler steht, ohne zu schwanken, auf einer hohen Leiter und malt orangene Zonen auf seine weißen Leinwände – und zwar mit einem Pinsel, der in Anbetracht der auszufüllenden Flächen etwas zu klein wirkt. Die Resultate dieses sichtbar körperlichen malerischen Prozesses sind im oberen Stock der Galerie zu sehen. Hier hängen drei monochromatisch anmutende Landschaftsbilder von Katz, deren leuchtendes Orange an die Palette des späten Vincent van Gogh erinnert. Sowohl in ihrer Farbigkeit als auch in ihrer schablonenhaft-abstrakt wirkenden Bildsprache läuten diese Gemälde das Spätwerk von Katz ein, der hauptsächlich für seine Porträts von Mitgliedern der New Yorker Society bekannt wurde. Barney taucht Katz jedoch in ein neues Licht, was vor allem an dem künstlich übersteuerten Sound des Videos liegt: Jede Pinselbewegung von Katz klingt wie bedrohlich lautes Kratzen und penetrantes Schaben, sodass man unweigerlich an den ähnlich übersteuerten Soundtrack zu David Lynchs Horrorfilm Eraserhead (1977) denken muss. Barney treibt das Abjekte und Destruktive des Malvorgangs mit akustischen Mitteln auf die Spitze. In kurzen Sequenzen scheint in dem Video auch dessen eigener Herstellungsprozess auf: Man sieht Barneys Kameramänner, so als würde seine Arbeit mit der von Katz fusionieren. In demselben Maße, wie dieses Video als Hommage an Katz’ Malerei fungiert, ist es auch als Transposition von dessen malerischer Bildsprache in die Filmästhetik Barneys zu lesen. Im hinteren Raum findet sich eine ebenfalls vitalistisch und destruktiv anmutende Bronzeskulptur von Barney (Water Cast 10, 2015), die auf eine Besonderheit des Ortes reagiert, in dessen Vorraum immer ein Baum steht. Auch Barneys Objekt erinnert an einen verbrannten Baumstamm mit aus ihm herausgeschleuderten Zweigen. Zugleich verweist dieses Objekt auf jene unförmigen Gebilde, die aus dem Silvesterritual des Bleigießens resultieren. Barneys Bronzeskulptur ist ein aufwendiger Produktionsprozess vorausgegangen, der gewaltvoll-destruktive Momente ebenso umfasst wie ihren sublimierenden Umschlag in ästhetische Praxis.

Im oberen Raum findet sich noch eine explizitere Malereireferenz von Barney: fünf aufeinandergestapelte Eimer, die mit einer weiß-klebrig anmutenden Masse überzogen und dadurch unbenutzbar gemacht wurden. Als Reminiszenz an den Farbeimer verstanden, kommuniziert dieses Objekt mit dem malerischen Dispositiv, um in seiner Funktionslosigkeit zugleich „Stop Painting“ zu rufen. In dieser Ausstellung wird deutlich, dass in den Werken von Barney und Katz sowohl destruktive Impulse und abjekte Kräfte als auch Formen der ästhetischen Sublimierung wirken. Zudem ist es interessant zu sehen, dass beide Werke den hohen körperlichen Einsatz des athletisch gebliebenen männlichen Künstlers voraussetzen.

O’Flaherty’s, New York, 7. November bis 15. Dezember 2024.

Isabelle Graw ist Herausgeberin von TEXTE ZUR KUNST und lehrt Kunstgeschichte und Kunsttheorie an der Hochschule für Bildende Künste – Städelschule in Frankfurt/M. Ihre jüngsten Publikationen sind: In einer anderen Welt: Notizen 2014–2017 (DCV, 2020), Three Cases of Value Reflection: Ponge, Whitten, Banksy (Sternberg Press, 2021), Vom Nutzen der Freundschaft (Spector Books, 2022) und Angst und Geld: Ein Roman (Spector Books, 2024).

Image credit: 1. Foto Rob Kulisek; 2. Courtesy of Artists Space, New York und dem Michael Asher Archiv, Michael Asher Foundation, Foto Carter Seddon; 3. Public Domain; 4. Courtesy of O’Flaherty’s, Foto David Regen